05.05.2015 Drucksache 6/572Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Mai 2015 Maßnahmen gegen Übergewicht Die Kleine Anfrage 230 vom 20. März 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Zahl der übergewichtigen Menschen in Thüringen wächst nach Medienberichten stetig. Das statistische Bundesamt hat kürzlich festgestellt, dass fast 60 Prozent der Thüringer übergewichtig sind. Dies betrifft in zunehmendem Maße auch Kinder und Jugendliche. Ich frage die Landesregierung: 1. Mit welchen präventiven Maßnahmen will die Landesregierung das Problem der Übergewichtigkeit bekämpfen? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Einführung eines Schulfachs "Sport und Gesundheit"? 3. Welche Forschungsprojekte zum Themenkomplex Übergewicht gibt es in Thüringen und ist die Landesregierung daran beteiligt? 4. Inwieweit kooperiert die Landesregierung in diesem Zusammenhang mit den Ersatzkassen sowie mit der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e.V. (AGETHUR)? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. April 2015 (Eingang: 5. Mai 2015) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Im Thüringer Gesundheitszieleprozess wurde eine Arbeitsgruppe "Entwicklung und Festigung eines gesunden Lebensstils zur Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter" gegründet. Die Arbeitsgruppe des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF ) und der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e.V. (AGETHUR) setzt sich zusammen aus Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände, freien Träger , Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena, Krankenhäuser, des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie des Landessportbunds Thüringen e.V. (LSB). Langfristiges Ziel ist, dass das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis zu 17 Jahren sowie der Anteil Übergewichtiger an den Altersgleichen nicht weiter ansteigt. Gleichzeitig wird angestrebt, Bewegungs- und Sportangebote für Kinder im Rahmen einer "Thüringer Bewegungsstrategie für Kinder" zu etablieren. Eine erarbeitete Umsetzungsstrategie liegt vor, zudem K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/572 eine Konzeption "Sport und Gesundheit" des LSB Thüringen 2012 bis 2018 und ein Strategiekonzept Kinder - und Jugendsport des LSB Thüringen 2014 bis 2020. Zur Umsetzung der Teilziele trägt ein vielfältiges Maßnahmenbündel (siehe Anlage) bei, getragen von unterschiedlichen Akteuren. Begleitet, gefördert und unterstützt werden diese Träger und ihre Angebote durch das TMASGFF, das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS), Bundesinitiativen, wie z.B. den Nationalen Aktionsplan "IN FORM" und Krankenkassen. Vertreter wissenschaftlicher Einrichtungen, wie z.B. der FSU Jena, stellen für die Bearbeitung der Themen notwendige epidemiologische Daten zur Verfügung. Für die Zukunft ist eine stärkere Vernetzung der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen für adipöse Kinder und ihre Familien mit Anknüpfung an regionale Träger- und Vernetzungsstrukturen angedacht , die Entwicklung und Etablierung von Präventionsangeboten für junge Familien im Zeitraum "Rund um die Geburt" vorantreiben und sich mit der Entwicklung von Strukturen und Räumen für Alltagsbewegung beschäftigen. Zu 2.: Die Landesregierung bevorzugt den ganzheitlichen Ansatz der Gesundheitsförderung und Prävention und nicht die Reduzierung auf ein Unterrichtsfach. Dies impliziert auch die Rhythmisierung des Schulalltages. Gesundheitsförderung soll nicht auf ein Schulfach begrenzt bleiben, sondern im gesamten schulischen Alltag relevant sein. Auf dieses Ziel sind die Rahmenbedingungen für die Schulen in Übereinstimmung mit den Maßgaben des § 47 Thüringer Schulgesetz abgestimmt. Darüber hinaus widmet der Thüringer Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre ein ganzes Kapitel der "motorischen und gesundheitlichen Bildung". Die Entwurfsfassung des Thüringer Bildungsplanes bis 18 Jahre sieht im Bereich "Physische und psychische Gesundheitsbildung" insgesamt vier Schwerpunkte gesundheitsspezifischer Verhaltensweisen vor, für die die einzelnen Bildungsprozesse im Laufe der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen beschrieben sowie Anregungen und Hinweise auf Lernarrangements gegeben werden. Ernährung ist neben sportlichen Aktivitäten/Bewegung auch ein Schwerpunkt. Im Thüringer Lehrplan Sport (2012, Erprobungsfassung) wurde ein gesonderter Lehrbereich "Gesundheit und Fitness" aufgenommen, der lernbereichs- und fächerübergreifend auf die gesundheitsbezogene Handlungsfähigkeit des Schülers zielt unter Berücksichtigung der Potentiale eines nachhaltigen, gesundheitsrelevanten Sporttreibens. Zu 3.: Durch das Institut für Humangenetik (Arbeitsgruppe Anthropologie) des Universitätsklinikums Jena werden seit langer Zeit anthropologische Untersuchungen von 7- bis 14-jährigen Schulkindern in Jena durchgeführt. Diese als Querschnitt angelegten Untersuchungen werden in zehnjährigen Abständen wiederholt und geben ein repräsentatives Bild von den Veränderungen des Gewichtsstatus der Kinder in Jena, wobei die letzte Untersuchung im Jahr 2005/2006 stattfand und die nächste für das Jahr 2015 geplant ist. Im Rahmen der angedachten "Thüringer Bewegungsstrategie für Kinder" ist die Einbindung des Deutschen Motorik-Tests zur Ermittlung des aktuellen Leistungsstands zum Aufdecken von Defiziten und Eignungen für Sportarten (Prä-Test 2. Klasse, Post-Test 5. Klasse) vorgesehen. Um die Ergebnisse wissenschaftlich auszuwerten und in praxisrelevante Empfehlungen aufzubereiten, sollte bei Durchführung der "Thüringer Bewegungsstrategie für Kinder" ein begleitendes Forschungsprojekt an der FSU Jena installiert werden. Im Mai dieses Jahres soll am Institut für Ernährungswissenschaften der FSU Jena eine auf sechs Jahre angelegte Arbeit in Kooperation mit den Universitäten in Halle und Leipzig starten, die der Erkenntnis geschuldet ist, dass der Verzicht auf klassische Dickmacher auf Dauer schwer fällt. Zum Projekt gehört neben der Erforschung der Wirkung bestimmter Bestandteile der Nahrung auf das Entstehen von Herz-Kreislauferkrankungen auch die Entwicklung neuartiger Lebensmittel. Die Wissenschaftler wollen versuchen, bestimmte Komponenten wie gesättigte Fette etwa in Wurstwaren zu reduzieren und durch beispielsweise pflanzliche Proteine zu ersetzen. Das Ziel: Gesündere Lebensmittel, die vom Verbraucher angenommen werden, weil sie geschmacklich überzeugen. Zu 4.: Die Landesregierung ist grundsätzlich offen für die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, einschließlich Ersatzkassen. Im Bildungsbereich gibt es speziell zum Thema Bewegung eine aktuelle Zusammenarbeit mit der AOK PLUS Sachsen Thüringen. Die AOK PLUS, wie auch der Landessportbund Thüringen und die Unfallkasse Thüringen unterstützen die Durchführung des Programms "Bewegungsfreundliche Schule für alle Schularten". 3 Drucksache 6/572Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die AGETHUR koordiniert und leitet die Arbeitsgruppe "Entwicklung und Festigung eines gesunden Lebensstils zur Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter" im Thüringer Gesundheitszieleprozess inhaltlich. Werner Ministerin Anlage*) *) Hinweis: Auf den Abdruck der Anlage wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlage erhielten jeweils die Fraktionen und die Land- tagsbibliothek. Des Weiteren kann sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. Anlage zur Antwort zu Frage 1: Angebote in Thüringen: Adipositas-Präventionsnetzwerk Gera Am 16. IVIärz 2009 nahm das Geraer Adiposität Präventionsnetzwerk - „GAP" in Zusammenarbeit mit dem S R H - Wald-Klinikum seine Arbeit auf. Ziel dieses Netzwerkes ist es, alle Ressourcen innerhalb der Stadt Gera zu bündeln und praxisnahe Angebote zu unterbreiten. Das G A P Netzwerk sieht sein Handlungsfeld in einer Setting bezogenen Prävention. Ärzte, Ernährungsberater , Physiotherapeuten, Entspannungstrainer und Gesundheitsförderer arbeiten zusammen in diesem Netzwerk. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit Kochkursen für Eltern und Kinder sowie Bewegungs- und Entspannungsangebote gehören zum Programm. Sehr wichtig ist die Präventionsarbeit in Kindergärten und Schulen. IVlit den Einrichtungen werden gemeinsam Projekte erarbeitet und über ein Jahr durch ein Netzwerkteam betreut. Die Techniker Krankenkasse ist ein wichtiger Netzwerkpartner, da die notwendige Finanzierung durch sie abgesichert wird. Ergänzend zu den im Rahmen der Arbeitsgruppe „Entwicklung und Festigung eines gesunden Lebensstils zur Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter" im Thüringer Gesundheitszieleprozess vorgehaltenen Maßnahmen unterschiedlicher Träger unterhalten die Krankenkassen diverse Angebote zur Förderung eines gesunden Ernährungs - und Bewegungsverhaltens. Beispiel: Programm PAKT der BARIVIER G E K Darüber hinaus gibt es Beratungs- und Schulungsangebote für Eltern von Kindern, die von Adipositas betroffen sind. Beratungsangebote: ThEssi e.V. www.thessi.de Die Thüringer Ess-Störungsinitiative wurde 2005 gegründet und ist ein gemeinnütziger Verein. Wesentliche Aufgabe von ThEssi e. V. ist die Koordination und Förderung der präventiven, therapeutischen und begleitenden Angebote bei Ess-Störungen in Thüringen. Ernährungsberatung der Verbraucherzentrale Thüringen Verbraucherzentrale Thüringen e.V. Seite 5 von 6 Schulungsprogramme: KIDS-Schulungsprogramm für übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche www.kids-ernaehrung.de Standorte in Thüringen u.a.: SRH Wald-Klinikum Gera gGmbH, Frauenzentrum Erfurt, ORK Kreisverband Gotha e. V. FITOC www.fitoc.de FITOC (Freiburg Intervention Trial for Obese Children®) ist ein ambulantes Programm für übergewichtige Kinder von 8-11 Jahren, evaluiert von der Abteilung für Rehabilitative und Präventive Sportmedizin an der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg. Dieses Programm wird seit 1990 angeboten und gliedert sich in mehrere Abschnitte. Zusätzlich gibt es das Programm FITOC Maxi für Jugendliche von 12 bis 16 Jahren. Standort in Thüringen: Klinikum Bad Salzungen GmbH Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Seite 6 von 6