13.06.2018 Drucksache 6/5835Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. Juni 2018 Nutzen Thüringer Bestatter eine Gesetzeslücke im Bestattungsrecht? - nachgefragt Teil I Die Kleine Anfrage 2922 vom 9. März 2018 hat folgenden Wortlaut: Die Antworten der Landesregierung zu den Kleinen Anfragen 2586 (vergleiche Drucksache 6/4953) und 2587 (vergleiche Drucksache 6/4954) zeigen auf, dass die Landesregierung die Auffassung vertritt, dass in Thüringen alle Todesursachen ordnungsgemäß aufgeklärt werden und deshalb keine Änderung des Thüringer Bestattungsgesetzes (ThürBestG) erforderlich sei. Die Berichterstattungen in den bundesweiten Medien stehen dem konträr gegenüber. So wurde in Ausgabe 48/2017 des Spiegel Online berichtet, dass immer noch mindestens 1.000 Tötungsdelikte pro Jahr in Deutschland nicht entdeckt werden, so Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätskliniken Gießen und Marburg. Bereits am 3. Dezember 2015 gab es einen Bericht im Deutschlandfunk von Michael Stang, in dem unter anderem geschildert wird, dass Obduktionen aus Kostengründen in Deutschland nur in etwa zwei Prozent aller Todesfälle vorgenommen werden und im Vergleich zu anderen europäischen Staaten das Schlusslicht bildet. In Bayern gebe es inzwischen auch keine zweite Leichenschau vor der Feuerbestattung mehr. Weiter wird dort erläutert, dass bei der Leichenschau zur Ausstellung des Totenscheins der Arzt eindeutig die Feststellung der Todesursache und die Qualifikation der Todesart sowie die Todeszeit vornehmen muss, was auch auf den in Thüringen verwendeten Vordrucken einzutragen ist. Ein Herz-Kreislaufversagen, das zum Beispiel sehr oft attestiert wird, kann aber auch die Folge anderer Ursachen sein, die bei der jetzigen Leichenschaupraxis eher nicht genau festgestellt werden. Das kann im Übrigen auch Statistiken verfälschen, bei denen Thüringen im deutschlandweiten Vergleich einen Spitzenplatz bei der Todesursache Herz-Kreislaufversagen belegt. Die Erforschung der tatsächlichen Todesursache bleibt daher nach Auffassung der Fragestellerin bei der jetzigen Rechtslage in Deutschland und insbesondere auch in Thüringen oftmals offen. In einem Bericht in der Thüringischen Landeszeitung vom 12. Dezember 2015 hieß es, dass das Institut für Rechtsmedizin in Jena bis zu 800 Obduktionen pro Jahr durchführe. Dazu kämen die Fälle der zweiten Leichenschau , etwa 10.000 Fälle pro Jahr, die die Amtsärzte in Auftrag geben würden. Nach den Regelungen des § 9 und des § 11 ThürBestG ist festgelegt, wer die Kosten für die klinische Sektion zu tragen hat. Ich frage die Landesregierung: 1. Aus welchem Grund haben der behandelnde Arzt oder der die Leichenschau durchführende Arzt gemäß des § 9 und des § 11 ThürBestG die Kosten für die klinische Sektion persönlich zu tragen? Wie viele Sektionen wurden von Ärzten in den Jahren 2015, 2016 und 2017 unter diesen Vorgaben auf eigene Kosten beantragt beziehungsweise in die Wege geleitet? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5835 2. Wie oft wurde in den Jahren 2015, 2016 und 2017 die Kriminalpolizei zu unklaren beziehungsweise unnatürlichen Todesfällen gerufen? Wie viele dieser Fälle wurden letztlich einer klinischen Sektion unterzogen und wie viele Fälle davon stellten sich dabei als Tötungsdelikte heraus? 3. Wie viele Sterbefälle gab es in Thüringen in den Jahren 2014 bis 2017 pro Jahr und bei wie vielen Fällen pro Jahr wurde überhaupt eine klinische Sektion durchgeführt? 4. Wie viele durch die Staatsanwaltschaften angeordnete klinische Sektionen wurden jeweils in den Jahren 2015, 2016 und 2017 über den Landeshaushalt und dort aus welcher Haushaltsstelle finanziert? 5. Ist die Landesregierung tatsächlich der Auffassung und wie wird diese begründet, dass in Thüringen anhand der gängigen Praxis der Leichenschau und der aktuellen Rechtslage bei allen Todesfällen immer eindeutig geklärt oder endabgeklärt wird, ob es sich um einen natürlichen Tod mit welcher Ursache, eine Selbsttötung, einen ärztlichen Behandlungsfehler, eine Falschmedikamentierung, Tod durch einen anderen äußeren Einfluss oder Tod durch fremde Hand handelt? 6. Bestreitet die Landesregierung die seit vielen Jahren regelmäßigen Aussagen von renommierten Rechtsmedizinern in Deutschland zu nicht entdeckten Tötungsdelikten wegen zu niedriger Obduktionsquoten und nicht immer qualifizierter Leichenschau und falls ja, wie begründet sie ihre Auffassung? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 11. Juni 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die klinische Sektion dient gemäß § 8 Thüringer Bestattungsgesetz (ThürBestG) der Überprüfung ärztlichen Handelns im Hinblick auf Diagnose, Therapie und Todesursache, der Lehre und der Ausbildung von Ärzten und in medizinischen Fachberufen, der Epidemiologie, der medizinischen Forschung sowie der Begutachtung . Sie ist entsprechend von großer Bedeutung insbesondere für die Qualitätssicherung in medizinischer Diagnostik, Therapie und in der Epidemiologie (Todesursachenstatistik) sowie für den Erkenntnisgewinn in Lehre, Ausbildung in Gesundheitsberufen und wissenschaftlicher Forschung. Sie ist strikt von der zum Ausschluss strafrechtlicher Relevanz im Rahmen der Klärung eines Todesfalls gemäß § 6 Abs. 4 ThürBestG durch den Staatsanwalt angeordneten forensischen Sektion zu unterscheiden. Sowohl der behandelnde Arzt und der die Leichenschau durchführende Arzt als auch die in § 18 Abs. 1 Satz 1 genannten Angehörigen können gemäß § 9 ThürBestG eine klinische Sektion beauftragen, wenn sie ein berechtigtes Interesse haben (beispielsweise beim Arzt zur Überprüfung der Richtigkeit seiner Diagnose und Therapie; bei Angehörigen im Rahmen der Geltendmachung rentenrechtlicher oder versicherungsrechtlicher Ansprüche). Entsprechend regelt § 11 ThürBestG, dass derjenige die Kosten der klinischen Sektion zu tragen hat, der die klinische Sektion aufgrund seines Interesses auch veranlasst hat. Die Gesamtzahl der durchgeführten klinischen Sektionen sowie die Anzahl der von Ärzten in den Jahren 2015, 2016 und 2017 beauftragten klinischen Sektionen werden statistisch nicht erfasst. Zu 2.: Die nachfolgenden Daten zu Todesfällen, bei denen die Polizei zum Einsatz kam, wurden über die Vorgangsverwaltung recherchiert. Als Suchkriterium diente das Schlagwort "Todesfall". Jahr 2015 2016 2017 Polizeiliche Ermittlungen in Todesfällen gesamt 2.492 2.511 2.679 Zu der Anzahl der durch die Staatsanwaltschaften angeordneten forensischen Sektionen liegen keine statistischen Angaben vor. 3 Drucksache 6/5835Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Die Anzahl der Sterbefälle in den Jahren 2014 ist der amtlichen Todesursachenstatistik zu entnehmen. Danach gab es in Thüringen im Jahr 2014 insgesamt 13.676 Sterbefälle und im Jahr 2015 14.653 Sterbefälle . Angaben zu 2016 und 2017 liegen noch nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 4.: Dazu wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Zu 5.: Die in Thüringen geltenden Regelungen ermöglichen eine qualitätsgerechte ärztliche Leichenschau zur Aufdeckung unnatürlicher und unklarer Todesfälle. Sowohl § 6 Abs. 4 als auch § 21 Abs. 1 ThürBestG stellen eine hinreichende Grundlage für die Klärung unklarer Todesfälle und damit den Ausschluss von strafrechtlicher Relevanz dar. Die vorhandenen Regelungen bedürfen dafür einer nachhaltigen Umsetzung. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfragen 2586 (Drucksache 6/4953) und 2587 (Drucksache 6/4954) vom 17. Januar 2018 verwiesen. Zu 6.: Die Landesregierung trägt dafür Sorge, dass auf der Grundlage des geltenden Rechts die Tätigkeit der Ärzte bei Obduktionen und Leichenschauen bestmöglich zur Aufklärung der jeweiligen Todesursachen führt und die Ermittlungsbehörden ungeklärte Todesfälle aufklären können. Darüber hinaus verfolgt die Landesregierung den wissenschaftlichen Diskurs zur weiteren Verbesserung und Effektivierung von Obduktionen und ärztlichen Leichenschauen zur Ermittlung der Todesursachen. Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Maier Minister Nutzen Thüringer Bestatter eine Gesetzeslücke im Bestattungsrecht? - nachgefragt Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: