28.06.2018 Drucksache 6/5869Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 4. Juli 2018 Eine Armee von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern Die Kleine Anfrage 2965 vom 22. März 2018 hat folgenden Wortlaut: Focus Online berichtete am 12. Januar 2018 beruhend auf Verfassungsschutzkreisen von einem Anstieg der Zahl von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern sowie Selbstverwalterinnen und Selbstverwaltern. Darüber hinaus sollen sich die Reichsbürgerinnen und Reichsbürger auf einen "Tag X" vorbereiten. Hierfür soll Befürchtungen nach eine "Reichsbürger-Armee" aufgebaut werden. In dem genannten Artikel wurde zudem die Sorge der Behörden ausgedrückt, dass die Szene der Reichsbürgerinnen und Reichsbürger in Besitz von legalen und illegalen Waffen sei. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kenntnis besitzt die Landesregierung über die Zahl der Reichsbürgerinnen und Reichsbürger sowie Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter in Thüringen (Aufgliederung der Häufigkeiten nach Städten , Kreisen oder Gemeinden seit dem Jahr 2011 wird erbeten)? 2. Welche Kenntnis besitzt die Landesregierung hinsichtlich des legalen und illegalen Waffenbesitzes durch Reichsbürgerinnen und Reichsbürger? 3. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung bezüglich der Bildung einer "Armee" beziehungsweise bewaffneten Gruppierung von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern sowie Selbstverwalterinnen und Selbstverwaltern vor? 4. Welche Kommunikationswege werden von dieser Szene genutzt? Welche Internetportale dienen zum Austausch beziehungsweise zur Vernetzung? 5. Sind der Landesregierung (Vernetzungs-)Treffen von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern sowie Selbstverwalterinnen und Selbstverwaltern bekannt (Angaben seit dem Jahr 2011 nach Datum, Ort und Anzahl der Teilnehmenden werden erbeten)? 6. Welche Verflechtungen sind der Landesregierung zwischen extrem rechter Szene und der Szene der Reichsbürgerinnen und Reichsbürger sowie Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter bekannt? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5869 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 16. Juni 2018 (Eingang: 28. Juni 2018) wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die sogenannten "Reichsbürger und Selbstverwalter" wurden im Jahr 2016 zum Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder erklärt. Gesicherte Angaben über diese Szene sind daher erst seit diesem Zeitpunkt möglich. Zu 1.: Vom Amt für Verfassungsschutz wurde bisher folgendes Personenpotenzial in Thüringen festgestellt: 2016: circa 550 Personen 2017: circa 650 Personen 2018: circa 880 Personen (Stand: Mai 2018) Die Zahlen spiegeln den aktuellen Aufklärungsstand der Sicherheitsbehörden wider. Die Steigerung gegenüber den Vorjahren beruht auf der seit 2016 intensivierten Bearbeitung der sogenannten "Reichsbürger- und Selbstverwalterszene" und dem damit einhergehenden verbesserten Informationsaufkommen. Es konnten so zahlreiche weitere Angehörige identifiziert werden. Ein Teil des Zuwachses beruht mutmaßlich auch auf Nachahmungseffekten, bei denen noch nicht gesichert ist, ob sie sich dauerhaft verfestigen. Eine Aufteilung nach Städten, Kreisen und Gemeinden wird statistisch nicht erfasst, da die Angabe des Wohnorts nicht den Aktionsradius der "Reichsbürger und Selbstverwalter" widerspiegelt. Die betreffenden Personen agieren zumeist nicht ausschließlich an ihrem Wohnort. Vielmehr sind von ihren Aktivitäten zum Beispiel auch Behörden betroffen, die aus der Sicht der "Reichsbürger und Selbstverwalter" nicht im Sinne des Betroffenen handeln oder das Bußgeldverfahren bearbeiten und anderswo ihren Sitz haben. Zu 2.: Erhebungen des Amtes für Verfassungsschutz zufolge ist hinsichtlich des bekannten Personenpotenzials in Thüringen von einem Anteil der Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis in Höhe von circa acht bis zehn Prozent auszugehen. Soweit bekannte "Reichsbürger und Selbstverwalter" im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis sind, wird grundsätzlich die zuständige Waffenbehörde informiert, um eine Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit anzustrengen mit dem Ziel, die waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen. Die Landesregierung wirkt entschieden auf den Entzug von waffenrechtlichen Erlaubnissen hin. Beim Thüringer Landesverwaltungsamt werden bestätigte Verdachtsfälle "Reichsbürger" durch Meldungen der Waffenbehörden fortlaufend erfasst. Gegenwärtig (Stand: April 2018) sind 28 Personen in Thüringen erfasst, die zurzeit noch in Besitz eigener erlaubnispflichtiger Schusswaffen sind. Die entsprechenden Widerrufsverfahren sind eingeleitet. Zum illegalen Waffenbesitz liegen keine Erkenntnisse vor. Erkenntnisse über illegalen Waffenbesitz würden jeweils unmittelbar zur Einleitung des Waffenentzugs und zu staatsanwaltschaftlichen Verfahren führen. Zu 3.: Der Landesregierung liegen ausschließlich Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Exekutivmaßnahmen vom 8. April 2018 vor, die im Auftrag des Generalbundesanwalts durchgeführt wurden. In deren Rahmen wurden unter anderem in Berlin, Brandenburg und Thüringen Wohnungen von acht Beschuldigten sowie weiterer nicht tatverdächtiger Personen durchsucht. In Thüringen fand eine Durchsuchung in der Ortslage Bad Liebenstein statt. Die Maßnahmen erfolgten wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung und der mitgliedschaftlichen Beteiligung (§ 129a Abs. 1 Strafgesetzbuch) sowie bestehender Anhaltspunkte für waffenrechtliche Verstöße. 3 Drucksache 6/5869Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Der beschuldigte Personenkreis soll sich spätestens im Sommer 2017 zusammengeschlossen und sich mit dem deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1918 identifiziert haben. Ziel der Vereinigung soll ein koordiniertes Vorgehen innerhalb der Reichsbürgerszene gewesen sein, um das bundesrepublikanische System durch eine an die Struktur des deutschen Kaiserreiches angelehnte neue Ordnung zu setzen. In diesem Zusammenhang soll auch in Betracht gezogen worden sein, nötigenfalls Menschen zielgerichtet zu töten. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Gera am 16. August 2017 Ermittlungen aufgenommen. Die Bundesanwaltschaft hat das dortige Verfahren am 24. Oktober 2017 übernommen. Zu den Exekutivmaßnahmen am 8. April 2018 hat der Generalbundesanwalt eine Presserklärung abgegeben . Zudem wurde in den lokalen Medien hierüber berichtet. Zu 4.: Der Landesregierung liegen bisher keine Erkenntnisse vor, dass die Reichsbürgerszene szenespezifische Kommunikationswege nutzt. Vielmehr erfolgt die Kommunikation über bekannte Wege, wie soziale Medien , eigene Internetseiten sowie postalisch und per Fax. Zu 5.: Der Landesregierung liegen bisher keine Erkenntnisse zu gezielten Vernetzungstreffen verschiedener "Reichsbürgergruppierungen" vor. Bei den bekannt gewordenen Zusammenkünften handelte es sich um solche, bei denen für die "Reichsbürger-Ideologie" geworben wurde. Zu 6.: Mit Stand vom 31. März 2018 werden etwa 50 Personen in Thüringen sowohl dem Phänomenbereich der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter als auch der rechtsextremistischen Szene zugerechnet. Maier Minister Eine Armee von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: