21.06.2018 Drucksache 6/5882Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 29. Juni 2018 Geschlechtergerechte Bezeichnungen in Formularen und Vordrucken in Thüringen Die Kleine Anfrage 2999 vom 20. April 2018 hat folgenden Wortlaut: Angestoßen durch die Klage einer Sparkassenkundin gegen die Nennung ausschließlich männlicher Bezeichnungen in Formularen und Vordrucken der Sparkassen, hat die Diskussion um geschlechtergerechte Sprachverwendung bundesweit einen weiteren Impuls bekommen. Ausgehend von der Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs (vergleiche Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2018, Az.: VI ZR 143/17), in welcher die Anwendung von geschlechtergerechter Sprache von Gesetzgebung und Verwaltung anerkannt wird, ist eine Auseinandersetzung um deren Verwendung, beziehungsweise eine Prüfung dieser, bei unter die Rechtsaufsicht des Freistaats Thüringen fallenden Einrichtungen notwendig. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Konsequenzen ergeben sich aus Sicht der Landesregierung aus dem oben genannten Urteil des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf das Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Thüringer Gleichstellungsgesetz sowie auf das Diskriminierungsverbot und Nachteilsausgleichsgebot der Verfassung des Freistaats Thüringen? 2. Welche Schlüsse hinsichtlich des politischen Handlungsbedarfs zieht die Landesregierung daraus, dass höchstrichterlich ausgeurteilt wurde, dass von Gesetzes wegen oder aus höherrangigem Recht keine Verpflichtung zur Verwendung von geschlechtergerechten Personenbezeichnungen in Formularen und Vordrucken besteht? 3. Wie schätzt die Landesregierung eine Umsetzung der Verwendung geschlechtergerechter Personenbezeichnungen in Formularen und ähnlichen Dokumenten, die vom Freistaat Thüringen oder von unter Aufsicht des Freistaats Thüringen stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, inbesondere bei Sparkassen, benutzt werden, ein? 4. Ist der Landesregierung bekannt, ob Kreditinstitute in Thüringen Eigeninitiative zur Umstellung ihrer Formulare und Vordrucke auf geschlechtergerechte Personenbezeichnungen ergriffen haben oder dies planen ? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stange (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5882 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 20. Juni 2018 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Im Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. März 2018, Az.: VI ZR 143/17, ist die Klägerin damit gescheitert , die Verwendung des generischen Femininums in den Formularen der Sparkassenvordrucke zu erreichen. Soweit aus Medienberichten bekannt ist, will die Klägerin in die nächste Instanz gehen, um dort überprüfen zu lassen, ob die Sparkassenformulare ihr Grundrecht auf Gleichberechtigung nach Artikel 3 Grundgesetz einschränken. Das Gericht verweist darauf, dass die Sparkasse nicht zu einer Änderung ihrer Formulare genötigt werden könne, ein subjektiver Anspruch auf Veränderung der Formulare bestehe nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf das Gebot der Gleichstellung von Frauen und Männern im Grundgesetz verweist und wo diverse bundes- und landesgesetzliche Regelungen die Herstellung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern anerkennen und normieren. Strukturelle Benachteiligungen und festgeschriebene Klischees führen dazu, dass eben diese Gleichberechtigung noch deutliche und sichtbare Differenzen aufweist (zum Beispiel Entgeltgleichheit, Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, "gläserne Decke" und so weiter) Die Verwendung der Sprache zeigte in Studien, dass die männliche Form eben nicht die neutrale Form ist. Diese Aussage stimmt nicht mit dem Sprachverständnis des Jahres 2018 überein. Auch wenn die Gesetze (die zum Teil mehr als 100 Jahre alt sind) oft noch eine andere Sprache verwenden, ist die angebliche Geschlechterneutralität des generischen Maskulinums nicht gegeben. Die Verwendung der Sprache ist kein Dogmatismus, aber ihr intelligenter Gebrauch bricht traditionelle Prägungen und althergebrachte Klischees auf. Zu 1. und 2.: Der Freistaat Thüringen besitzt keine Gesetzgebungszuständigkeit für das Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ein Anpassungsbedarf des Thüringer Gleichstellungsgesetzes auf Grund des Urteils des BGH vom 13. März 2018, Az.: VI ZR 143/17, besteht nicht. Wie das Gericht ausführt, existiert kein allgemeiner Anspruch auf den Vollzug öffentlich-rechtlicher Normen. Subjektive Rechte vermitteln nur Rechtsvorschriften, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte dienen. Bezogen auf Thüringen ist auszuführen: Der Wortlaut von § 28 Thüringer Gleichstellungsgesetz sieht ausschließlich eine Verpflichtung von Thüringer Behörden und Dienststellen - dies sind gemäß § 1 Thüringer Gleichstellungsgesetz die Verwaltungen des Landes, unabhängig von ihrer Rechtsform, der kommunalen Gebietskörperschaften und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts - und keinen korrespondierenden Anspruch Dritter vor. Gemäß § 28 Thüringer Gleichstellungsgesetz sind alle thüringischen Behörden und Dienststellen gehalten, eine in erster Linie geschlechtsneutrale Amtssprache zu wählen. Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften , die Gestaltung von Vordrucken, amtliche Schreiben und Stellenausschreibungen sollen sprachlich überarbeitet werden, wenn sie neu erlassen oder in weiten Teilen novelliert werden. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung (Drucksache 5/4925, S. 57) gleichzeitig klargestellt, dass in Fällen, in denen die Verwendung des sogenannten generischen Maskulinums nicht zu vermeiden ist, dies im Interesse der Klarheit und Eindeutigkeit von Rechtsnormen hingenommen werden soll. Denn eine hilfsweise Verwendung der weiblichen und männlichen Norm darf nicht dazu führen, dass die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Rechtsnormen beschränkt wird. In diesen Fällen ist eine Gleichstellungsformel aufzunehmen . Von daher enthält § 28 Thüringer Gleichstellungsgesetz auch keine Sanktionen. 3 Drucksache 6/5882Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Aus Sicht der Landesregierung ergeben sich daher keine weiteren Konsequenzen aus dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofs. Zu 3.: Wie bereits ausgeführt, sind gemäß § 28 Thüringer Gleichstellungsgesetz alle thüringischen Behörden und Dienststellen gehalten, eine in erster Linie geschlechtsneutrale Amtssprache zu wählen. Die Beibehaltung dessen ist auch mit Blick auf die im Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt bedachten Personengruppen der LSBTIQ* (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transidente und Intergeschlechtliche sowie queeren Personen) zu befürworten. Bei einer geschlechtergerechten Bezeichnung in Vordrucken müssten sonst auch alle denkbaren geschlechtlichen Identitäten in Vordrucken und Formularen berücksichtigt werden, um Diskriminierung oder sonstige Benachteiligungen aller anderen sexuell Orientierten zu unterbinden . Nicht alle Menschen fühlen sich eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig. Die Verständlichkeit der Texte in Vordrucken und Formularen würde erheblich erschwert, weshalb eine geschlechtsneutrale Sprache befürwortet wird. Insofern befürwortet und unterstützt die Landesregierung die Verwendung geschlechtergerechter Personenbezeichnungen mit Nachdruck. Bezugnehmend auf den Anlass der vorliegenden Kleinen Anfrage sei nachfolgend und beispielgebend die Praxis des Thüringer Finanzministeriums (TFM) wiedergegeben: Vordrucke für den Komplex mit der größten Außenwirkung im Geschäftsbereich des TFM - Steuererklärungsvordrucke - wurden - soweit möglich - nach bundesweiter Abstimmung geschlechterneutral gestaltet. In einzelnen Teilbereichen im Geschäftsbereich des TFM ist die Umstellung dort verwendeter Vordrucke noch nicht abgeschlossen. Das TFM weist darauf hin, dass aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Restbestände von in Papierform vorliegenden Vordrucken zunächst verbraucht werden. Darüber hinaus verfügen alle Behörden im Geschäftsbereich des TFM sowie die Thüringer Sparkassen und die Thüringer Aufbaubank über Gleichstellungsbeauftragte. Es ist davon auszugehen, dass diese in der jeweiligen Einrichtung/Anstalt die Nutzung von geschlechtsneutraler Sprache im Rahmen des Gesetzes befördern. Zu 4.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Werner Ministerin Geschlechtergerechte Bezeichnungen in Formularen und Vordrucken in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1. und 2.: Zu 3.: Zu 4.: