17.12.2014 Drucksache 6/59Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 6. Januar 2015 Mediation in Thüringen - Wirtschafts- und Umweltmediation Die Kleine Anfrage 29 vom 30. Oktober 2014 hat folgenden Wortlaut: Mediationen können auch zur konsensualen Konfliktlösung im Bereich der Wirtschaft und des Umwelt- und Naturschutzes eingesetzt werden. Neben innerbetrieblicher Mediation können diese beispielsweise auch bei strittigen Ansiedlungen oder Tarifverhandlungen genutzt werden. Auch im Falle umweltbelastender Großprojekte gibt es bereits positive Erfahrungswerte von Mediationen. Ich frage die Landesregierung: 1. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, bei denen in Thüringen eine gütliche Einigung mittels Mediation im Rahmen von Tarifverhandlungen, Ansiedlungen oder anderer Großprojekte versucht wurde? Wenn ja, welche und mit welchem Ausgang? 2. Welche aktuellen Beispiele für Großprojekte in Thüringen existieren, wo nach Auffassung der Landesregierung eine Mediation eine sinnvolle Methode zur Konfliktbeilegung darstellen könnte? 3. Inwieweit kann nach Auffassung der Landesregierung Mediation ein sinnvoller Bestandteil der sogenannten "frühen Öffentlichkeitsbeteiligung" bei Planungsverfahren sein? 4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über den Einsatz von Mediation oder anderer alternativer Konfliktlösungsmechanismen durch die Thüringer Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern? 5. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, inwieweit der 2009 von der Industrie- und Handelskammer Erfurt gebildete Schlichtungsausschuss (oder vergleichbare Instrumente anderer Kammern in Thüringen) zur Senkung der Abbruchquoten in der beruflichen Ausbildung beigetragen haben? 6. Hat die Landesregierung in ihrer Funktion als Arbeitgeberin im Falle von Rechtsstreitigkeiten Mediation oder andere alternative Konfliktlösungsmechanismen bemüht? Wenn ja, in welchen Fällen und mit welchem Ergebnis; wenn nein, warum nicht? 7. Plant die Landesregierung gegebenenfalls eine Ausweitung alternativer Konfliktlösungsmechanismen in Fällen, wo sie als Arbeitgeberin in Rechtsstreitigkeiten eingebunden ist? Wenn nein, warum nicht? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Berninger (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/59 Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Thüringer Landesregierung sind keine Mediationsverfahren im Rahmen von Tarifverhandlungen, Ansiedlungen oder anderen Großprojekten bekannt. Zu 2.: Der Thüringer Landesregierung sind keine derartigen Großprojekte bekannt. Zu 3.: Die Mediation ist durch das Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577) geregelt. Eine Mediation kommt erst dann in Betracht, wenn zwischen den Parteien ein Konflikt besteht. Es sollte daher bei früher Öffentlichkeitsbeteiligung prioritär darauf geachtet werden, Konflikte zu vermeiden und dadurch den grundsätzlich sinnvollen Einsatz von Mediatoren entbehrlich zu machen. So zeigen z.B. Erfahrungen aus dem Bereich des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz, dass dafür informelle Beteiligungsverfahren im Vorfeld förmlicher Planungs- oder Ausweisungsverfahren eindeutig sinnvoll sind. Der Einsatz von Moderatoren, bzw. die Nutzung von Moderationstechniken in diesen informellen Beteiligungsprozessen kann dazu führen, dass Konflikte vermieden werden. Das bedeutet, aus Sicht der Landesregierung ist die Nutzung informeller Abstimmungsprozesse ein wichtiges Instrument, das vorrangig genutzt werden sollte, um Konflikte zu vermeiden. Sollten in einem frühen Stadium eines Planungsverfahrens trotzdem Konflikte auftreten, kann die Mediation ein geeignetes Instrument darstellen, um Planungsverzögerungen hierdurch weitestgehend zu minimieren . Wenn also die Voraussetzungen für eine Mediation vorliegen, das heißt, die Verhandlungsmaterie nach Gegenstand und Reichweite kompromissfähig ist, sämtliche Interessenträger repräsentiert sind und bei den Beteiligten Verhandlungsbereitschaft besteht, kann die Mediation im Rahmen des rechtlich Zulässigen als auf konsensuale Konfliktlösung ausgerichtetes Instrument sinnvoller Bestandteil einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung sein. Die Grenze des rechtlich Zulässigen ist allerdings vom konkreten Einzelfall abhängig und damit einer pauschalierten Bewertung nicht zugänglich. Sie ist jedenfalls überschritten, wenn eine unzulässige Vorabbindung der Planfeststellungsbehörde eintritt oder diese den Abwägungsvorgang durch ein bloßes Aushandeln der zu beachtenden Belange mit dem Vorhabenträger oder anderen Stellen ersetzt. Zu 4.: Die Thüringer Industrie- und Handelskammern sind gemeinsam mit neun weiteren Partnern Gründungsmitglied der Kooperation zur Verbreitung alternativer Konfliktlösungsmöglichkeiten, die sich kurz "Thüringer Schlichtungsbeirat" nennt. Partner sind des Weiteren: Architektenkammer Thüringen, Deutscher Gewerkschaftsbund, Ingenieurkammer Thüringen, Notarkammer Thüringen, Rechtsanwaltskammer Thüringen, Steuerberaterkammer Thüringen , Thüringer Justizministerium, Thüringer Oberlandesgericht, Wissenschaftlicher Berater Prof. Dr. Reinhard Greger. Die wesentliche Aufgabe des Zusammenschlusses besteht in der Verbreitung der Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung in Thüringen. Über eine eigene Mediationsstelle verfügen die Thüringer Industrie- und Handelskammern nicht. Folgende Angebote alternativer Konfliktlösungsmechanismen halten die Thüringer Industrie- und Handelskammern vor: • Einigungsstelle gemäß § 15 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zur Klärung von Wettbewerbsstreitigkeiten , • Schlichtungsausschuss gemäß § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz zur Klärung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus dem Bestand eines Ausbildungsverhältnisses, • Schiedsgericht sowie • Benennung von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, z.B. zur Erstattung von Schieds- gutachten. 3 Drucksache 6/59Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im Bereich der Handwerkskammer Erfurt wird die Mediation im Zusammenhang mit der Organisation von Unternehmensnachfolgen angeboten. So ist dort eine als Mediatorin geschulte Beraterin tätig, die hinsichtlich des Interessenausgleichs zwischen den an einer Unternehmensnachfolge beteiligten Akteuren als Mediatorin eingesetzt wird. Die Handwerkskammern Ost- und Südthüringen bieten diesen Service oder Alternativen nicht an. Zu 5.: Der Schlichtungsausschuss nach § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz besteht z.B. bei der IHK Erfurt schon seit 1992. Ein Vergleich der Abbrecherquoten aus der Zeit vor Einrichtung des Schlichtungsausschusses mit denen seit Errichtung des Ausschusses ist nicht möglich, da hierüber keine Statistiken geführt wurden. Der bei der Steuerberaterkammer nach § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz eingerichtete Schlichtungsausschuss wurde in der bisherigen Amtszeit (1. November 2011 bis 30. Oktober 2016) noch nicht angerufen. Außerhalb dieses Ausschusses vermittelt die Steuerberaterkammer zwischen Auszubildenden und ausbildenden Steuerberatern ebenfalls bei Problemen. Ob hierdurch die Abbruchquote gesenkt werden konnte, ist auf Grund mangelnder statistischer Erhebungen nicht bekannt. Der Thüringer Schlichtungsbeirat hat für den Bereich der Steuerberaterkammer Thüringen keine direkten Auswirkungen, da dieses Gremium für die weitere Bekanntmachung der Möglichkeiten alternativer Streitbeilegung genutzt wird, jedoch selber keine Vermittlungsverfahren durchführt. Zu 6.: Im Allgemeinen ist die Thüringer Landesregierung bestrebt, eine transparente Personalpolitik durchzusetzen . Dies soll, analog zur Beantwortung zu Frage 3, schon im Vorfeld von personalpolitischen Maßnahmen Konflikte vermeiden helfen. Ob bei Konflikten eine Mediation erfolgversprechend ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Darüber hinaus werden in Arbeitsgerichtsverfahren die Möglichkeiten einer gerichtlichen Güteverhandlung im Einzelfall genutzt. Hierbei ist hinsichtlich der Vergütungsansprüche jedoch zu beachten , dass ein Vergleich gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 Thüringer Landeshaushaltsordnung nur abgeschlossen werden darf, wenn dies für den Freistaat zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Hierfür bedarf es einer Entscheidung im Einzelfall. Im Bereich der Thüringer Staatskanzlei wird derzeit auf Anregung einer Partei ein Verfahren vor einem Güterichter /Mediation durchgeführt. Dieses ist noch nicht abgeschlossen. Im Bereich des Thüringer Innenministeriums ist die Supervision und Mediation als Elemente des Aufgabenfeldes "Organisationsberatung" beim Polizeipsychologischen Dienst innerhalb des Polizeiärztlichen Dienstes der Thüringer Polizei abgebildet. Diese finden insbesondere im Rahmen von Einsätzen, Übungen und Ausbildungsmaßnahmen Anwendung. Eine statistische Erhebung liegt allerdings nicht vor. Im Bereich des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie fand in einer Kündigungsschutzklage im Jahr 2013 ein sogenanntes Güteverfahren nach § 54 Abs. 6 Arbeitsgerichtsgesetz statt. Im Ergebnis wurde ein Vergleich geschlossen. Im Bereich des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr fand im Jahr 2014 ein so genanntes Güteverfahren nach § 54 Abs. 6 Arbeitsgerichtsgesetz statt. Gegenstand des Arbeitsrechtsstreits war die Feststellung der Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses sowie das erteilte Arbeitszeugnis . Im Ergebnis wurde dem Vorschlag des Güterichters folgend ein Vergleich geschlossen. Zu 7.: Die Thüringer Landesregierung steht einer Mediation grundsätzlich offen gegenüber. Daher wird vor einem eventuellen arbeitsrechtlichen Prozess geprüft, ob eine vorprozessuale Einigung möglich ist. Da die Mediation in Rechtsstreitigkeiten eine Rechtsdienstleistung ist, es sind rechtliche Regelungsvorschläge durch den Mediator einzubringen, sollte in jedem Einzelfall genau geprüft werden, ob die Beauftragung eines Rechtsanwaltes als Mediator im Hinblick auf § 7 Thüringer Landeshaushaltsordnung wirtschaftlich ist. Es kann jedoch im Einzelfall - sofern das Arbeitsgericht dies vorschlägt - ein Güterichter zum Einsatz kommen (siehe auch Antwort zur Kleinen Anfrage 30). Tiefensee Minister _GoBack