10.08.2018 Drucksache 6/6027Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 22. August 2018 Einsatz von Pfefferspray und anderen Reizstoffen durch die Thüringer Polizei Die Kleine Anfrage 3141 vom 21. Juni 2018 hat folgenden Wortlaut: Die Thüringer Polizei verfügt über verschiedene Reizstoffe. Gemäß § 59 Abs. 3 Polizeiaufgabengesetz (PAG) wird Pfefferspray als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt beziehungsweise zur Ausübung des unmittelbaren Zwangs eingeordnet. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Reiz- und Betäubungsstoffe (Substanzen) gehören derzeit zur Ausrüstung der Thüringer Polizei und wie werden diese nach verschiedenen Einsatzbereichen in der Polizei (Einsatz- und Streifendienst, Bereitschaftspolizei, Spezialkräfte, Wasserwerferbeimischung et cetera) bereitgestellt? 2. Welche Arten, Modelle und Größen von Reiz- und Betäubungsstoffsprühgeräten werden durch die Thüringer Polizei eingesetzt und welche Funktionsweise besitzen diese (bitte aufschlüsseln nach Modell; Art der Substanz wie Direktstrahl, Nebel, Schaum, Gel et cetera; Mengenangabe in Milliliter oder Liter; Einsatzbereich in der Polizei wie Einsatz- und Streifendienst, Bereitschaftspolizei, Spezialkräfte, Wasserwerferbeimischung et cetera sowie Anzahl der Geräte)? 3. Welche Mengen Reiz- und Betäubungsstoff bezog die Thüringer Polizei jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung 2018 (bitte nach Jahren, Substanzen, Summen der Dosierungseinheiten und Liter-Anzahl aufschlüsseln)? 4. Welche Kosten fielen für die Anschaffungen der in Frage 3 genannten Reiz- und Betäubungsstoffe jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung 2018 an? 5. Wie hoch lag der tatsächliche Verbrauch von Reiz- und Betäubungsstoff bei der Thüringer Polizei jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung 2018 (bitte nach Jahren , Substanzen, Summen der Dosierungseinheiten und Liter-Anzahl aufschlüsseln)? 6. In wie vielen Fällen kam es jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung 2018 zur Anwendung von Reiz- und Betäubungsstoffen durch Polizeikräfte in Thüringen (Darstellung bitte nach Betätigung pro Ereignis, falls während einer Einsatzlage wie ein Versammlungsgeschehen mehrere Ereignisse eintraten, dann entsprechend die Anzahl der Betätigungen angeben)? 7. Welche Verordnungen, Dienstvorschriften und Richtlinien gelten derzeit für den Einsatz von Reiz- und Betäubungsstoffen durch die Polizei in Thüringen (bitte mit Angabe der Bezeichnung und des Datums K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dittes (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6027 der letzten Fassung), wann wurden diese zuletzt geändert und was sind deren wesentliche Inhalte beziehungsweise Regelungen? 8. In wie vielen Fällen wurden jeweils für die Jahre 2015, 2016, 2017 und bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung 2018 seitens der Polizei Verletzungen bei Menschen registriert, gegen die Reiz- und Betäubungsstoff durch die Polizei eingesetzt wurde (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 9. Teilt die Landesregierung die Auffassung, wonach es über die Zahl der in Frage 8 genannten verletzten Personen durch Reiz- und Betäubungsstoffe hinaus ein erhebliches Dunkelfeld gibt, da eine exakte statistische Erfassung nicht erfolgt, beispielsweise dann, wenn derartige Stoffe gegen Menschenmengen eingesetzt werden und eine Zerstreuung stattfindet? 10. In wie vielen Fällen wurden jeweils für die Jahre 2015, 2016, 2017 und bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung 2018 Verletzungen bei Polizeibeamten registriert, die von Reiz- und Betäubungsstoff durch sich selbst oder durch Kollegen unbeabsichtigt getroffen wurden ("Friendly Fire"), zum Beispiel bei schlechten Windverhältnissen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 11. Inwiefern sind Polizeibeamte in Thüringen zur Umsetzung des § 61 PAG (Hilfeleistung für Verletzte) konkret nach dem Einsatz von Reiz- und Betäubungsstoffen gegen Dritte angehalten, Beistand zu leisten, ärztliche Hilfe zu verschaffen oder selbst eine Erstversorgung zu unterstützen? 12. Mit welcher medizinischen Ausrüstung zur Erstversorgung von Verletzten durch den polizeilichen Einsatz von Reiz- und Betäubungsstoffen etwa in Form von Neutralisatoren, Kochsalzlösung et cetera sind Polizeibeamte in Thüringen ausgestattet und wer verfügt über diese Mittel zur Erstversorgung? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 7. August 2018 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Zunächst wird darauf hingewiesen, dass bei der Thüringer Polizei keine Betäubungsstoffe in Verwendung sind oder bereitgehalten werden. Daher beziehen sich alle Antworten ausschließlich auf Reizstoffe. Zu 1.: Zur Ausrüstung der Thüringer Polizei gehören folgende Substanzen der Kategorie Reizstoffe: • OC - Oleoresin Capsicum (als "Pfefferspray), • CS - 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril, • CN - Chloracetophenon. Die Bereitstellung in den Einsatzbereichen der Thüringer Polizei richtet sich vor allem nach der Wirkungsform und den chemischen Eigenschaften (Wasserlöslichkeit) der jeweiligen Reizstoffe. OC wirkt nur bei unmittelbarem Kontakt und ist nicht beziehungsweise nur schwer wasserlöslich. CS und CN sind Stoffe, deren Wirkung durch Verdunsten eintritt, wobei CN auch in Wasser gelöst werden kann. Daher werden die Reizstoffe in der Thüringer Polizei wie folgt eingesetzt: Reizstoff ausgestattete Einheiten OC jeder Polizeivollzugsbeamte (PVB) CN Technische Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizei CS geschlossene Einheiten der Bereitschafts- und Landespolizei 3 Drucksache 6/6027Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 2.: Zur Beantwortung dieser Frage wird auf folgende Tabelle verwiesen: Gerät Inhalt/Reizstoff Ausbringung ausgestattete Einheiten Reizstoffsprühgerät (RSG) 2000 63 ml/OC Strahl jeder PVB Reizstoffsprühgerät 8 400 ml/OC Strahl geschlossene Einheiten der Bereitschafts- und Landespolizei Wasserwerfer (WaWe) Beimischung WaWe*/CN von Vollstrahl bis Nebel Technische Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizei Reizstoffwurfkörper ca. 2,4 g bis 24 g (modellabhängig)/CS gasförmig geschlossene Einheiten der Bereitschaftspolizei Reizstoffmunition Patrone 40mm x 46 CS Ca. 10 g bis 15 g pro Patrone/CS gasförmig verschwelt geschlossene Einheiten der Bereitschafts- und Landespolizei * WaWe 9 = 3 x 20 Liter Kanister zur Beimischung WaWe 10 = 1 x 40 Liter Festtank zur Beimischung Zu 3. und 4.: Zur Beantwortung der Fragen 3 und 4 wird auf die nachfolgenden Tabellen verwiesen. 2015 Substanz/Reizstoff/Ausbringungsmittel Σ Dosiereinheiten Liter Preis in Euro RSG 2000, 63 ml, OC Ersatzdosen 3.800 239 23.514,40 RSG 8, CS, 400 ml* 120 48 4.611,01 RSG 8 OC 400 ml 250 100 7.318,50 CN Reizstoffstammlösung (im 18-Liter-Kanister) - - - Reizstoffwurfkörper** RW 70/1 40 - 1.856,40 Reizstoffmunition Patrone 40mm x 46 CS 800 - 23.419,20 Gesamt 60.719,51 2016 Substanz/Reizstoff/ Ausbringungsmittel Σ Dosiereinheiten Liter Preis in Euro RSG 2000, 63 ml, OC Ersatzdosen 1.700 107 14.501,34 RSG 8 OC 400 ml 140 56 CN Reizstoffstammlösung (im 18-Liter-Kanister) 12 216 6.431,14 Reizstoffwurfkörper** RW 70/1 40 - 1.587,94 Reizstoffmunition Patrone 40mm x 46 CS - - - Gesamt 22.520,42 2017 Substanz/Reizstoff/Ausbringungsmittel Σ Dosiereinheiten Liter Preis in Euro RSG 2000, 63 ml, OC Ersatzdosen 800 5 4.950,40 RSG 8 OC 400 ml 70 28 1.990,87 CN Reizstoffstammlösung (im 18-Liter-Kanister) - - - Reizstoffwurfkörper**RW 70/1 200 - 9.136,00 Reizstoffmunition Patrone 40mm x 46 CS - - - Gesamt 16.077,27 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6027 2018 Substanz/Reizstoff/Ausbringungsmittel Σ Dosiereinheiten Liter Preis in Euro RSG 2000, 63 ml, OC Ersatzdosen 1.050 66 6.497,40 RSG 8 OC 400 ml - - - CN Reizstoffstammlösung (im 18-Liter-Kanister) - - - Reizstoffwurfkörper**RW 70/1 oder RW 70/2 - - - Reizstoffmunition Patrone 40mm x 46 CS - - - Gesamt 6.497,40 * Das RSG 8 wurde aufgrund Erlass des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales ab 2016 ausschließlich mit Wirkstoff OC ausgestattet. Bestände mit CS wurden eingezogen und vernichtet. ** Ausstattung erfolgt bundeseinheitlich. Zu 5.: Über den tatsächlichen Verbrauch von Reizstoffen werden keine Statistiken geführt. Die in der Thüringer Polizei zum Einsatz kommenden Reizstoffe unterliegen einer begrenzten Verwendbarkeit von im Regelfall drei Jahren. Nach Ablauf dieser Verwendbarkeit erfolgt, unabhängig des tatsächlichen Verbrauchs, eine Ersatzbeschaffung und die Entsorgung aller nicht mehr verwendbaren Behältnisse, Gebinde beziehungsweise Mengen. Zu 6.: Die Thüringer Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Eine Auswertung der Einsatzunterlagen nach der Anwendung von Reizstoffen im Anfragezeitraum müsste händisch erfolgen und stellt einen unverhältnismäßig hohen Aufwand dar. Zu 7.: Reizstoffe sind nach § 59 Abs. 3 Polizeiaufgabengesetz (PAG) als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt eingeordnet . Rechtsgrundlagen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs sind die Bestimmungen in § 58 ff. PAG. Konkretisierende Vorgaben zur Handhabung von Reizstoffen sind im "Erlass über den Einsatz von Reizstoffen bei der Thüringer Polizei" in der Fassung vom 11. April 2016 getroffen worden. Regelungsinhalte dieses Erlasses sind die rechtliche Klassifizierung der Reizstoffe sowie Erläuterungen zu Einsatz und Wirkung und der entsprechenden Nachsorge bei den verschiedenen zum Einsatz kommenden Reizstoffen in der Thüringer Polizei. Ferner werden in der Dienstanweisung zum Umgang mit Waffen und Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt sowie zu Maßnahmen nach dienstlichem Schusswaffengebrauch in der Thüringer Polizei (DAWaffThürPol) vom 1. Oktober 2004 in der Fassung vom 15. April 2008, unter der Ziffer 4.3.3 "Reizstoffe" Regelungen zu den Reizstoffen, den Rechtsgrundlagen sowie deren Verwendung in Reizstoffsprühgeräten und Wasserwerfern getroffen. Unbenommen dieser Regelungen gelten bundesweit einheitlich die PDV 122 zum Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen in der Fassung September 2011, Ziffer 5.4 und die PDV 202 zur Aus- und Fortbildung an Führungs- und Einsatzmitteln der Einsatzeinheiten in der Fassung September 2011, Ziffer 4. Zu 8.: Eine statistische Erhebung im Sinne der Fragestellung wird nicht geführt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Zu 9.: Auf die Ausführungen zu den Fragen 8 und 10 verweisend, ist festzustellen, dass hierzu keine Erkenntnisse auf Seiten der Landesregierung bestehen. Zu 10.: Eine statistische Erhebung zu verletzten Polizeibeamten nach dem Einsatz von Reizstoffen wird nicht geführt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 5 Drucksache 6/6027Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 11.: Im "Erlass über den Einsatz von Reizstoffen bei der Thüringer Polizei" sind konkrete Handlungs- und Verhaltensanweisungen zur Nachsorge nach der Anwendung von Reizstoffen enthalten. Betroffene Personen sind danach bis zum Nachlassen der Wirkung zu beobachten, wobei Allergikern, Asthmatikern sowie Personen unter Drogen- und/oder Alkoholeinfluss erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen ist. In Fällen akuter Atemwegsbeschwerden sind unmittelbar Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten und gegebenenfalls eine ärztliche Versorgung zu veranlassen. Zu 12.: In der Thüringer Polizei findet eine Augenspüllösung gemäß DIN 151544 Anwendung. Hierbei handelt es sich um sterilisierte Kochsalzlösung (0.9 Prozent) in speziellen Augenspülflaschen mit aufgesetztem Duschkopf und Staubschutzkappe, die in den Größen 200 Mililiter und 250 Mililiter als Bestandteil der Hygiene- Schutz-Sets zur Ausstattung der Einsatzfahrzeuge der Thüringer Polizei gehören. Darüber hinaus sind die geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei pro Einsatzzug mit je einem Medical Pack (spezieller Erste-Hilfe-Rucksack) ausgestattet. Zu dessen Inhalt gehören ebenfalls Augenspülflaschen . Ferner wird, nach entsprechender Beurteilung der Lage, der Polizeiärztliche Dienst auch in Einsätze eingebunden und kann so bei Erfordernis unmittelbar für eine ärztliche Versorgung von durch Reizstoff Verletzte herangezogen werden. Maier Minister Einsatz von Pfefferspray und anderen Reizstoffen durch die Thüringer Polizei Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: