14.08.2018 Drucksache 6/6031Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. August 2018 Bindung der Thüringer Landesregierung an geltendes Schulrecht? Die Kleine Anfrage 3172 vom 5. Juli 2018 hat folgenden Wortlaut: Dem Sohn des Thüringer Justizministers Lauinger wurde im Jahr 2016 auf Anweisung durch die damali ge Thüringer Bildungsministerin am Ende der Klassenstufe 10 ein Zeugnis ausgestellt, das ihm das Vor rücken in die Klassenstufe 11 genehmigte. Mangels Teilnahme an der besonderen Leistungsfeststel lung wurde ihm im Zeugnis eine dem Realschulabschluss gleichwertige Schulbildung nicht bescheinigt. Vielmehr wurde dem Sohn des Thüringer Justizministers in diesem Zeugnis die Möglichkeit eröffnet, am Ende der Klassenstufe 11 auf Antrag beim Schulamt Mittelthüringen an der externen Prüfung zur Erlan gung des Realschulabschlusses teilzunehmen. Der Thüringer Ministerpräsident behauptet aktuell in sozialen Netzwerken: "Damit (gemeint ist mit dem Ab iturzeugnis) ist diese besondere Leistungsfeststellung erfolgreich erbracht ..." Ich frage die Landesregierung: 1. Wie vereinbart sich die Zeugnisbemerkung "versetzt" für einen Schüler, welcher die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 6 Thüringer Schulgesetz (ThürSchG) "Bestandteil der Versetzung (in Klassenstufe 11) ist (Hervorhebung durch den Fragesteller) eine besondere Leistungsfeststellung" nicht erfüllt hat, mit der geltenden Gesetzeslage in Thüringen? 2. Nach welchen schulgesetzlichen Regelungen ist es unter Beachtung von § 69 Abs. 2 der Thüringer Schulordnung möglich, dass ein sich in der Schullaufbahn befindlicher Schüler gleichzeitig an einer Ex ternenprüfung nach § 9 ThürSchG teilnimmt? 3. Wenn es solche schulgesetzlichen Regelungen nicht gibt: Wie ist ein Zeugnis zu bewerten, welches die Eröffnung einer solchen Möglichkeit vorsieht? 4. Wie ist ein Zeugnis (Verwaltungsakt), welches offensichtlich rechtswidrig ist, hinsichtlich seiner Gültig keit zu bewerten? 5. Wie soll die Schulaufsicht reagieren, wenn ihr ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt zur Kennt nis gelangt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Emde (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6031 Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 10. August 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Wenn die "besondere Leistungsfeststellung" im Sinne des § 7 Abs. 6 Satz 2 Thüringer Schulgesetz nicht absolviert wurde, ist die Zeugnisbemerkung "versetzt" im Jahreszeugnis der Klasse 10 des Gymnasiums nicht zutreffend. Die Angabe "versetzt" ist in diesem Fall zu streichen. Zu 2.: An den Prüfungen zum externen Erwerb des Hauptschulabschlusses und des Realschulabschlusses kön nen Bewerber nach Maßgabe der in § 69 Abs. 2 Satz 1 Thüringer Schulordnung aufgeführten Bedingungen teilnehmen. Eine der dort genannten Bedingungen ist, dass Bewerber nicht Schüler einer Regelschule, ei ner Gemeinschaftsschule oder eines Gymnasiums sein dürfen. § 69 Abs. 2 Satz 2 Thüringer Schulordnung sieht vor, dass das Schulamt über Ausnahmen entscheiden kann. Insofern ist die Teilnahme eines Schülers, der sich in der Schullaufbahn befindet, im Rahmen einer Ausnah meentscheidung des Schulamts möglich. Die Verwaltungsvorschrift "Durchführungsbestimmungen zur Thüringer Oberstufe am Gymnasium, an der Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, am beruflichen Gymnasium und Kolleg" sieht einen solchen Fall vor. Unter Nummer 13 "Auslandsaufenthalte" dieser Verwaltungsvorschrift ist Folgendes bestimmt: "Bei einem ganzjährigen Auslandsaufenthalt von Schülern eines Gymnasiums in der Klassenstufe 10 und der Entscheidung der Klassenkonferenz, dass dem Schüler das Vorrücken in Klassenstufe 11 genehmigt werden kann, wird dem Schüler nicht eine dem Realschulabschluss gleichwertige Schulbildung beschei nigt. Er erhält die Möglichkeit, am Ende der Klassenstufe 11 an der Externenprüfung zur Erlangung des Re alschulabschlusses teilzunehmen." Zu 3.: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 4.: Die "Gültigkeit" eines Verwaltungsakts, das heißt seine Verbindlichkeit, wird als Wirksamkeit bezeichnet. Hierzu sind die Bestimmungen der §§ 43, 44 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz ThürVwVfG) ein schlägig: Ein Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben ist. Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Hat ein Verwaltungsakt Fehler, die nicht zur Nichtigkeit führen, kann er rechtswidrig sein. Der rechtswidri ge Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange er nicht zurückgenommen wird. Zu 5.: Der Umgang mit einem rechtswidrigen Verwaltungsakt liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Be hörden sind verpflichtet, gesetzmäßig zu handeln. Im Fall von Verfahrens und Formfehlern kann eine Heilung veranlasst werden (§ 45 ThürVwVfG). Die Rück nahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes richtet sich nach § 48 ThürVwVfG. In dem Fall einer Zeugnisbemerkung "versetzt", ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen nach § 7 Abs. 6 Satz 2 Thüringer Schulgesetz erfüllt sind, das Zeugnis aber dennoch die klarstellende Bemer kung enthält, dass es sich um ein "Vorrücken" ohne den Nachweis einer dem Realschulabschluss gleich wertigen Schulbildung handelt, käme eine Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes nach § 47 Thür VwVfG in Betracht. Alle beschriebenen Maßnahmen liegen in der Zuständigkeit der Ausgangsbehörde, in diesem Fall der Schu le, die das Zeugnis ausgestellt hat. Die Schulaufsicht hat, wenn sie von dem rechtswidrigen Verwaltungsakt Kenntnis erlangt, die Schule aufzufordern, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. 3 Drucksache 6/6031Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im Einzelfall kann von einer solchen Aufforderung abgesehen werden, weil der Verwaltungsakt trotz des Fehlers als inhaltlich ausreichend bestimmt angesehen wird. Unabhängig davon hat der Adressat des Verwaltungsaktes die Möglichkeit zur Anfechtung innerhalb der Rechtsmittelfrist. Holter Minister Bindung der Thüringer Landesregierung an geltendes Schulrecht? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: