16.08.2018 Drucksache 6/6048Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 29. August 2018 Verwendung von "Personengebundenen Hinweisen" bei der Thüringer Polizei Die Kleine Anfrage 3087 vom 1. Juni 2018 hat folgenden Wortlaut: Thüringer Behörden können Personen sogenannte Personengebundene Hinweise zuordnen, darunter zum Beispiel im bundesweiten Polizei-Informationssystem Hinweise wie "gewalttätig", "BtM-Konsument" oder "Ansteckungsgefahr". Ich frage die Landesregierung: 1. Zu welchem Zweck werden Personengebundene Hinweise erhoben? 2. Wie viele und welche Personengebundenen Hinweise werden derzeit von welchen thüringischen Behörden in welchen thüringischen Dateien gespeichert und sind jeweils wie vielen Personen zugeordnet (bitte Auflistung aller Arten von Personengebundenen Hinweisen einschließlich Anzahl der dazu gespeicherten Personen)? 3. Wie viele und welche Personengebundenen Hinweise werden derzeit von welchen thüringischen Behörden in welchen anderen (Bundes-, Länder-, europäischen) Dateien gespeichert und sind jeweils wie vielen Personen zugeordnet (bitte Auflistung aller Arten von Personengebundenen Hinweisen einschließlich Anzahl der dazu gespeicherten Personen)? 4. Nach welchen konkreten Kriterien werden Personengebundene Hinweise zugeordnet und gespeichert? Wer trifft die Entscheidung darüber, welche Personengebundenen Hinweise einer Person zugeordnet werden und wird diese Entscheidung gegebenenfalls von anderer Stelle überprüft? 5. Welcher Personenkreis kann unter welchen Voraussetzungen auf diese Dateien zugreifen? 6. Wie lange werden die Personengebundenen Hinweise gespeichert, wann gelöscht und inwieweit werden die gespeicherten Personen über die Speicherung informiert? 7. Können betroffene Personen gegen Personengebundene Hinweise, die ihnen zugeordnet worden sind, Rechtsmittel einlegen? Wenn ja, in wie vielen Fällen ist dies bereits geschehen und in wie vielen Fällen wurde den Anträgen stattgegeben? Wenn nein, wie wird sichergestellt, dass die Personengebundenen Hinweise der betroffenen Personen aus den Datenbanken entfernt werden, wenn der Grund für die Vergabe der Personengebundenen Hinweise entfallen sein sollte (zum Beispiel Heilung einer ansteckenden Krankheit oder rechtliche Unzulässigkeit)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Adams (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6048 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 13. August 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Personengebundene Hinweise (PHW) sind gespeicherte Hinweise zu bestimmten Eigenschaften einer natürlichen Person, aus denen eine Gefährdung der Person selbst oder für die einschreitenden Polizeibediensteten abgeleitet werden kann. Die Thüringer Polizei erfasst personengebundene Hinweise basierend auf dem "PHW-Leitfaden - Hinweise zur Vergabe personengebundener Hinweise (PHW) im INPOL-Verbund, Stand: 09.02.16". Personengebundene Hinweise dienen dem Schutz des Betroffenen und der Eigensicherung von Polizeibediensteten . Dieser Schutzfunktion werden die personengebundenen Hinweise nur dann gerecht, wenn die Polizeien der Länder und des Bundes sicherstellen, dass entsprechend der für das Verfahren INPOL festgelegten Konvention die Vergabe von personengebundenen Hinweisen auf der Basis dieses bundeseinheitlich abgestimmten Leitfadens durchgeführt wird. Dazu gehört auch die Einsicht, dass personengebundene Hinweise nicht auf Grund landesspezifischer Vorgaben mit veränderten Vergabekriterien gespeichert werden dürfen. Zu 2. und 3.: Die Thüringer Polizei erfasst und speichert personengebundene Hinweise in INPOL-Land. Bei Bundesrelevanz wird der betreffende Datensatz für INPOL-Zentral freigegeben, das heißt der Datensatz verbleibt am Speicherort INPOL-Land, ist aber im INPOL-Zentral sichtbar. Des Weiteren werden personengebundene Hinweise im landeseigenen Vorgangsbearbeitungssystem (IGVP) erfasst und gespeichert. Sofern eine Übertragung des Datensatzes ins Auswerte- und Recherchetool FIN- DUS erfolgt, sind die personengebundenen Hinweise ebenfalls in der FINDUS-Datenbank sichtbar, der Datensatz verbleibt am Speicherort IGVP. Im Weiteren wird auf die Anlage verwiesen. Zu 4.: Die Vergabe der personengebundenen Hinweise richtet sich nach § 16 Abs. 6 Nr. 1 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) vom 25. Mai 2018 und der Verordnung über die Art der Daten, die nach dem § 18 BKAG gespeichert werden. Die Vergabe eines personengebundenen Hinweises erfolgt im Rahmen einer Einzelfallprüfung durch den polizeilichen Sachbearbeiter bei Vorliegen der Rechtsgrundlagen für die Erhebung und Speicherung von personengebundenen Hinweisen. Die konkreten polizeifachlichen Kriterien werden durch den PHW-Leitfaden zur Vergabe personengebundener Hinweise im INPOL-Verbund (VS-NfD) bestimmt. Diese Kriterien wurden definiert, um eine möglichst bundeseinheitliche Verfahrensweise bei Vergabe von personengebundenen Hinweisen zu ermöglichen und so ein gemeinsames Verständnis und eine einheitliche Einschätzung von Gefahrensituationen für die Betroffenen und die einschreitenden Polizeibediensteten zu gewährleisten. Gleichzeitig stellen diese Kriterien jedoch lediglich einen Rahmen dar, der es dem polizeilichen Sachbearbeiter erlaubt, auch bei der Erfüllung aller Kriterien zu einem personengebundenen Hinweis optional über eine Vergabe zu entscheiden. Dabei ist in jedem Falle die Erforderlichkeit, Geeignetheit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nachzuweisen. Die Vergabe von personengebundenen Hinweisen unterliegt wie alle Entscheidungen der polizeilichen Sachbearbeitung fachaufsichtlichen Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen (Leitung der sachbearbeitenden Organisationseinheit, Sachbearbeiter Kriminalaktennachweis, Landeskriminalamt Thüringen als Zentralstelle für die polizeiliche Informationssammlung). Zu 5.: Zugriff auf INPOL-Daten (Auskunft) hat jeder Bedienstete der Thüringer Polizei, dessen Erfordernis auf schriftlichen Antrag in einem Berechtigungsverfahren festgestellt wurde. Der Abruf der Daten erfordert in jedem Fall einen dienstlich begründeten Anlass. Dieser ist vor dem Datenabruf einzutragen und wird im Verfahren protokolliert. 3 Drucksache 6/6048Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Des Weiteren haben alle dazu berechtigten Bediensteten anderer Polizeien der Länder und des Bundes Zugriff auf alle Daten, welche für INPOL-Zentral freigegeben wurden. Zu 6.: Gemäß § 91 BKAG vom 25. Mai 2018 gilt die Errichtungsanordnung der automatisierten Datei INPOL-Zentral fort. Die Laufzeiten der personengebundenen Hinweise richten sich nach den Bestimmungen der Richtlinie für die Führung personenbezogener polizeilicher Sammlungen des Freistaats Thüringen in Verbindung mit der Dienstanweisung Kriminalaktennachweis und der Thüringer Verordnung über Prüffristen bei vollzugspolizeilicher Datenspeicherung. Für die Löschung von personengebundenen Hinweisen gelten die Prüffristen des Kriminalaktennachweises , sofern nicht im Einzelfall bereits vorher die Löschung oder Änderung eines personengebundenen Hinweises festgestellt wurde. Die Löschung erfolgt somit bei Fristablauf (vergleiche Darstellung der Fristenregelung in der Antwort zu Frage 7, siebenter Abschnitt), bei Wegfall der Voraussetzungen für die Einstellung in den Kriminalaktennachweis oder auf Antrag des Betroffenen nach Einzelfallprüfung und Entscheidung durch das Landeskriminalamt Thüringen. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung der Thüringer Polizei, unaufgefordert Betroffene über die Speicherung und Löschung ihrer personenbezogenen Daten in polizeilichen Informationssystemen, also auch im INPOL, zu informieren. Dem Betroffenen wird auf Antrag gemäß § 31 Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (PAG) in Verbindung mit § 31 in Verbindung mit § 42 Thüringer Datenschutzgesetz (ThürDSG neue Fassung), Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten erteilt. Das Auskunftsersuchen wird im Einzelfall geprüft und, falls zulässig, der Umgang mit gespeicherten Daten mitgeteilt. Zu 7.: Jede betroffene Person kann nach § 43 ThürDSG die Berichtigung oder die Löschung ihrer gespeicherten personenbezogenen Daten verlangen und diesen Anspruch auch gerichtlich verfolgen. Statistische Angaben über derartige Fälle liegen - auch im Hinblick auf die bis zum 15. Juni 2018 geltende wirkungsgleiche Regelung in § 45 Abs. 1 PAG a. F. - nicht vor. Insofern Betroffene Auskunft zu den zu ihrer Person gespeicherten Daten gemäß dem Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (vergleiche Antwort zu Frage 6, letzter Abschnitt) verlangen, werden auch Informationen zu gespeicherten personengebundenen Hinweisen erteilt. Dies kann unterbleiben , wenn unter den Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 ThürDSG von der Auskunft nach Abs. 1 Satz 1 ThürDSG abgesehen oder die Auskunftserteilung nach Abs. 1 Satz 3 ThürDSG teilweise oder vollständig eingeschränkt werden kann. In wie vielen Fällen seitens betroffener Personen Auskunft zu personengebundenen Hinweisen beantragt wurde und in wie Fällen davon entsprechende Auskünfte seitens der Thüringer Polizei ergangen sind, wird statistisch nicht erfasst. Eine statistische Prüfung müsste händisch erfolgen, das heißt, dass zu jedem Betroffenen , zu dem ein oder mehrere personengebundene Hinweise vergeben wurden, die zugehörige Kriminalakte händisch geprüft werden müsste. Eine solche Prüfung wäre ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Thüringer Polizei nicht zu leisten und wird deshalb als unverhältnismäßig angesehen. Die Laufzeit der personengebundenen Hinweise richtet sich nach der Laufzeit der kriminalpolizeilichen Sammlung zu dieser Person im Kriminalaktennachweis. Die Speicherung der personengebundenen Hinweise erfolgt wie in der Antwort zu den Fragen 2 und 3 bereits ausgeführt, im elektronischen Informationssystem der Thüringer Polizei. Dort sind entsprechende Prüf- und Löschroutinen elektronisch hinterlegt. Diese sichern, dass ein Datensatz zur Prüfung der weiteren Speicherung elektronisch angezeigt und im Folgenden seitens der Sachbearbeitung im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung bewertet wird. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6048 Gemäß § 40 Abs. 5 und 6 PAG sind Fristen festzulegen, zu denen spätestens zu prüfen ist, ob die Speicherung personenbezogener Daten für die polizeiliche Aufgabenerfüllung noch weiter erforderlich ist (Aussonderungsprüffristen ) oder ob eine Löschung vorzunehmen ist. Diese Aussonderungsprüffristen sind in der Thüringer Verordnung über Prüffristen bei vollzugspolizeilicher Datenspeicherung festgelegt. Die dort festgelegten Fristen orientieren sich an den Regelfristen des § 40 PAG. Die Aussonderungsprüffristen dürfen bei Verarbeitungen nach § 40 Abs. 2 PAG (hier zutreffend) bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre nicht überschreiten, wobei nach Zweck der Speicherung sowie Art und Schwere des Sachverhalts zu unterscheiden ist. Die Fristen beginnen für alle zu einer Person gespeicherten Daten mit dem Tag, an dem die betroffene Person letztmalig zur Speicherung nach diesem Gesetz Anlass gegeben hat, jedoch nicht vor Entlassung der betroffenen Person aus einer Justizvollzugsanstalt oder Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung. Ist eine im System hinterlegte Prüffrist erreicht, wird diese elektronisch angezeigt. Im Folgenden erfolgt eine Prüfung der Voraussetzungen für eine weitere Aufbewahrung durch die verantwortliche Sachbearbeitung. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, erfolgt die Löschung des personenbezogenen Hinweises in allen elektronischen Systemen sowie im (Papier-)Kriminalaktennachweis. Maier Minister 5 Drucksache 6/6048Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Anlage zur Kleinen Anfrage Nr. 3087/Fragen 2 und 3 Personengebundener Hinweis IGVP FINDUS INPOL-Land Thüringen Betäubungsmittelkonsument 54.302 45.081 28.944 Gewalttätig 2.924 3.429 3.346 Bewaffnet 341 619 289 Ansteckungsgefahr 400 266 50 Freitodgefahr 55 49 8 Ausbrecher 34 38 24 Explosivstoffgefahr 8 2 3 Psychische und Verhaltsstörungen 329 228 158 (Stand: 22. Juni 2018) Verwendung von "Personengebundenen Hinweisen" bei der Thüringer Polizei Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2. und 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Anlage