21.08.2018 Drucksache 6/6063Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 3. September 2018 Beachtung des § 44 Bundesnaturschutzgesetz beim Bau von Windkraftanlagen - nachgefragt Die Kleine Anfrage 3175 vom 6. Juli 2018 hat folgenden Wortlaut: In der Kleinen Anfrage 2844 wurde die Frage "Werden für den Bau von Windkraftanlagen standardmäßig Gutachten verlangt, die die Auswirkungen auf im Umfeld befindliche Zugvogelrouten untersuchen und falls nein, warum nicht?" nach meiner Auffassung nur unzureichend wie folgt beantwortet: "Soweit es durch die Datenlage oder sonstige Kenntnisse beziehungsweise Erfahrungen zum Beispiel bei der zuständigen Naturschutzbehörde Hinweise auf Zugvogelvorkommen gibt, sind vom Vorhabenträger entsprechende Betrachtungen in den Planungsunterlagen und gegebenenfalls Gutachten erforderlich." (vergleiche Drucksache 6/5534 vom 5. April 2018) Vögel und Fledermäuse können mit Windkraftanlagen kollidieren oder durch sie vergrämt werden. Deshalb müssen beim Betrieb von Windkraftanlagen auch die Belange des Artenschutzes Berücksichtigung finden. Eine wesentliche Grundlage des Artenschutzes ist das Tötungsverbot geschützter Arten nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Die sorgfältige Standortwahl sei der wesentliche Aspekt, um Kollisionsopfer an Windkraftanlagen zu vermeiden , was eine Einbeziehung der ökologischen Ansprüche der potenziell betroffenen Arten für jeden Einzelfall in die Verträglichkeitsprüfung und die Planungen notwendig macht. Daher sei es notwendig, eine methodisch hochwertige artenschutzrechtliche Prüfung von unabhängiger Seite durchzuführen (vergleiche Andreas v. Lindeiner, Windkraft und Vogelschutz in: Anliegen Natur 36(1), 2014, 39-46). Ich frage die Landesregierung: 1. Wie sehen die in der Antwort vom Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz angeführten "entsprechenden Betrachtungen in den Planungsunterlagen" aus, wenn es sich nicht um Gutachten handelt ? Von wem werden "entsprechende Betrachtungen" durchgeführt und wie sind sie unter naturschutzfachlicher und gesetzlicher Sicht legitimiert? 2. Wie werden die "Hinweise auf Zugvogelvorkommen" aufgrund "Datenlage, sonstiger Kenntnisse beziehungsweise Erfahrungen" genau systematisch gewonnen und nach welchen Kriterien erfolgt die Hinweisfindung ? Welcher Stellenwert wird dabei dem jeweiligen "Hinweis" beigemessen und welcher Grundlage unterliegt die Entscheidung, ob ein Gutachten oder eine artenschutzrechtliche Prüfung einzuholen sei? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6063 3. Erfolgt(e) in jedem Fall bei der Planung und beim Bau einer Windkraftanlage in Thüringen die Prüfung, ob entsprechende "Hinweise" aufgrund "Datenlage, sonstiger Kenntnisse beziehungsweise Erfahrungen " vorliegen? Wenn nein, warum erfolgte keine entsprechende Überprüfung je Windrad? 4. In welchen Fällen wurden beziehungsweise werden keine artenschutzrechtlichen Prüfungen beziehungsweise Gutachten unter Beachtung des § 44 Abs. 1 BNatSchG beim Bau einer Windkraftanlage in Thüringen durchgeführt beziehungsweise eingeholt (bitte einzeln nach Jahren dokumentieren und begründen)? 5. In welchen Fällen wurden beziehungsweise werden die zuständige Naturschutzbehörde beziehungsweise andere für Arten- beziehungsweise Naturschutz zuständige Behörden, Institutionen, Verbände, Vereine und so weiter in die Planung beziehungsweise den Bau von Windkraftanlagen in Thüringen nicht involviert? Um welche Einrichtung handelt(e) es sich dabei? Bitte einzeln nach Jahr, Einrichtung/Behörde und Anlage dokumentieren und begründen. 6. Wie werden artenschutzrelevante Erkenntnisse über potentiell betroffene Arten, die bei Errichtung einer Windkraftanlage in Thüringen nach § 44 Abs. 1 BNatSchG von Belang sind, insbesondere über deren ökologische Ansprüche, im entsprechenden Planungsgebiet im Allgemeinen gewonnen? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 20. August 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bestandteile der Genehmigungsunterlagen sind in der Regel ein Landschaftspflegerischer Begleitplan, der die Eingriffsregelung beinhaltet und ein artenschutzrechtliches Gutachten beziehungsweise eine fachliche Abhandlung zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung. Diese Gutachten beziehungsweise fachlichen Ausarbeitungen werden im Regelfall durch vom Vorhabenträger beauftragte Fachbüros erstellt. Im formellen Ablauf des Genehmigungsverfahrens werden seitens der zuständigen Genehmigungsbehörde die vom Vorhabenträger vorgelegten Antragsunterlagen gemäß § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 ff. der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (9. BImSchV) auf Vollständigkeit geprüft. Fällt diese Prüfung zum Beispiel im Hinblick auf artenschutzrechtliche Betrachtungen negativ aus, wird der Antragsteller zur Ergänzung der Unterlagen aufgefordert. Weigert sich der Antragsteller, die Unterlagen in einer gesetzten Frist entsprechend zu ergänzen, erfolgt in der Regel eine Ablehnung des Antrags wegen Unvollständigkeit gemäß § 20 Abs. 2 der 9. BImSchV. Zu 2.: Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags nach § 6 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zur Beobachtung von Natur und Landschaft können von den zuständigen Landesbehörden keine systematischen Erfassungen von Zugvögeln auf Landesebene durchgeführt werden. Dies wäre - auch in einem vergleichsweise kleinen Flächenland wie Thüringen - zu zeit- und kostenintensiv. Stattdessen wird auf Gelegenheitsbeobachtungen ehrenamtlicher Ornithologen zurückgegriffen. Dieses ehrenamtliche Mitarbeiternetz wird von der Vogelschutzwarte Seebach in der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie koordiniert. Jährlich werden über 200.000 eingehende Meldungen ausgewertet. Die wichtigsten Hinweise werden in der sogenannten "Zugvogelkarte" verdichtet. Dabei wird die Relevanz der Hinweise durch die oben genannte Vogelschutzwarte anhand avifaunistischer Jahresberichte und Fachpublikationen bewertet. Auf dieser Grundlage und gegebenenfalls zusätzlichen örtlichen Erkenntnissen entscheidet die Zulassungsbehörde, ob weitere Untersuchungen zur Sachverhaltsermittlung erforderlich sind. Dazu bietet der "Avifaunistische Fachbeitrag zur Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) in Thüringen" mit seinen Schwellenwerten zur Bewertung der Zugvogelaktivitäten eine konkrete Hilfestellung. Der Beitrag ist auf der Homepage der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie veröffentlicht. Sofern ein artenschutzrechtlich relevantes Zugvogelvorkommen identifiziert wurde, sind systematische Untersuchungen bezogen auf den konkreten Genehmigungsfall durchzuführen. Auch dazu können dem oben genannten Fachbeitrag methodische Vorgaben entnommen werden. Die beiden unter Frage 1 genannten Unterlagen greifen die Ergebnisse der Untersuchungen auf und bewerten diese fachlich unter Berücksichtigung des Naturschutzrechts nach § 13 ff. BNatSchG beziehungsweise § 6 ff. Thüringer Gesetz für Natur und Landschaft - ThürNatG - (Eingriffsregelung) sowie unter anderem nach § 44 BNatSchG (Besonderer Artenschutz). 3 Drucksache 6/6063Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die Prüfung der eingereichten Unterlagen erfolgt durch die Zulassungsbehörde (in der Regel die untere Immissionsschutzbehörde) unter Einbeziehung der zuständigen unteren Naturschutzbehörde. Im Ergebnis dieser Prüfung entscheidet die Zulassungsbehörde, ob weitere Gutachten erforderlich sind. Zu 3.: Ja, diese Prüfung erfolgte und erfolgt in jedem Fall. Zu 4.: Im Rahmen der Genehmigungsverfahren wird für alle genehmigungspflichtigen Windenergieanlagen eine artenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt. Die Genehmigung wird nur erteilt, wenn die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vorliegen, hierzu gehört auch die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG. Zu 5.: Die Genehmigungsbehörde für Windkraftanlagen ist in der Regel das Landratsamt/die Verwaltung der kreisfreien Stadt, in dem sowohl die untere Immissionsschutzbehörde als auch die untere Naturschutzbehörde angesiedelt sind. Die Genehmigungsbehörde bündelt gemäß § 13 BImSchG andere behördliche Entscheidungen . Die Pflicht zur Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde ergibt sich aus § 10 Abs. 5 BImSchG. Die Genehmigungsbehörde holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. In § 17 Abs. 1 BNatSchG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 ThürNatG wird die Herstellung des Einvernehmens bei Eingriffsvorhaben geregelt. Eine Unterrichtung der Naturschutzbeiräte erfolgt durch die unteren Naturschutzbehörden auf der Grundlage des § 39 Abs. 2 ThürNatG. Bei UVP-pflichtigen Vorhaben erfolgt in der Regel eine Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände. Eine Statistik über die im Einzelfall involvierten Institutionen, Verbände, Vereine und so weiter wird nicht geführt. Zu 6.: Zum einen werden die bei der Naturschutzverwaltung (Untere Naturschutzbehörden, Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie) verfügbaren Daten dem Antragsteller zur Verfügung gestellt (siehe auch Antwort zu Frage 2). Zum anderen ist die aus fachlicher Sicht erforderliche Untersuchungsmethodik aus dem bereits genannten "Avifaunistischen Fachbeitrag zur Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) in Thüringen" zu entnehmen. Die allgemeinen ökologischen Ansprüche von Vogelarten lassen sich zum Beispiel aus entsprechenden Fachpublikationen, wie zum Beispiel aus dem Handbuch der Vögel Mitteleuropas (von Urs N. Glutz von Blotzheim, erschienen im Jahr 1993 im AULA-Verlag), entnehmen. Siegesmund Ministerin Beachtung des § 44 Bundesnaturschutzgesetz beim Bau von Windkraftanlagen - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: