22.08.2018 Drucksache 6/6080Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 5. September 2018 Sinnvolle Flächenversiegelung von Ackerland in Erfurt? Die Kleine Anfrage 3179 vom 12. Juli 2018 hat folgenden Wortlaut: In einem Bericht der Thüringer Allgemeinen vom 14. Juni 2018 wird über den ersten Spatenstich für einen Campingpark im Erfurter Stadtteil Dittelstedt berichtet. Trotz massiver Gegenstimmen und Protesten von Anwohnern und des Ortsteilbürgermeisters sollen auf dem betroffenen Ackerland insgesamt 98 Stellplätze für Caravans und Wohnmobile, sieben Ferienhütten und eine Wiese für 20 Zelte auf dem Areal an der Rudolstädter Straße entstehen. Im Rahmen dieses Artikels wurde weiterhin darüber berichtet, dass zum Zeitpunkt des Spatenstichs noch keine Baugenehmigung für den Campingpark vorlag. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es nach Kenntnis der Landesregierung richtig, dass zum Zeitpunkt des medienwirksamen Spatenstichs noch keine gültige Baugenehmigung für den Campingpark vorlag? Falls ja, wann wurde die Baugenehmigung erteilt und wann wird sie unanfechtbar? 2. Aus welchem Grund nahm ein Mitglied der Landesregierung an dem Medientermin zum Spatenstich teil, obwohl für das Vorhaben zum Zeitpunkt des Termins noch keine rechtlich gültige Baugenehmigung vorlag? 3. Ist es richtig, dass zur Errichtung des Campingparks Fördermittel durch die Landesregierung bewilligt wurden (bitte nach Antragsdatum, Bewilligungsdatum, Rechtsgrundlage der Bewilligung, Begründung für die Bewilligung und der Fördermittelhöhe aufschlüsseln)? 4. Widerspricht es nach Ansicht der Landesregierung nicht dem im aktuell gültigen Koalitionsvertrag der Regierungsparteien verankerten Ziel der Flächenentsiegelung, einen Campingpark auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche zu bauen und damit bisher nicht versiegelten Boden dauerhaft zu versiegeln ? Falls dies aus Sicht der Landesregierung nicht dem Koalitionsvertrag widerspricht, warum nicht? 5. Ist es aus Sicht der Landesregierung sinnvoll, einen derartigen Campingpark auf dem betroffenen Gelände zu errichten, obwohl in direkter Sicht- und Hörweite vier Hauptverkehrsstraßen, mit den damit verbundenen Immissionen, verlaufen und das mit dem Campingpark verbundene zusätzliche Verkehrsaufkommen für die Anwohner eine weitere Lärm- und Schadstoffbelastung bedeutet? Falls ja, warum? 6. Könnte aus Sicht der Landesregierung ein derartiger Campingpark auf einer bereits vorhandenen Brachfläche beziehungsweise auf einer bereits versiegelten Fläche im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Erfurt errichtet werden? Falls nicht, warum nicht? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Herold (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6080 7. Wurden nach Kenntnis der Landesregierung auf dem vom Campingpark betroffenen Gelände geschützte Tier- und Pflanzenarten festgestellt? Falls ja, kommt nach Ansicht der Landesregierung dann noch eine Bebauung des Geländes mit einem Campingpark in Frage und wenn ja, warum und unter welchen Bedingungen? 8. Ist es nach Kenntnis der Landesregierung richtig, dass das Gelände, auf dem der Campingpark errichtet werden soll, im Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt Erfurt bereits als Ackerland beziehungsweise als landwirtschaftliche Nutzfläche beziehungsweise als Fläche für Gartenbau ausgewiesen ist und somit unter das Grundstückverkehrsgesetzes fällt? Falls nicht, warum nicht? 9. Ist das Gelände, auf dem der Campingpark errichtet werden soll, im Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt Erfurt bereits als Ackerland beziehungsweise als landwirtschaftliche Nutzfläche beziehungsweise als Fläche für Gartenbau ausgewiesen? Wenn ja, warum hat die Thüringer Landgesellschaft mbH keinen Gebrauch von ihrem Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz gemacht und zu welchem Schluss ist das zuständige Landwirtschaftsamt in seiner Prüfung zu dem gegenständlichen Campingpark gekommen? Falls keine derartige Prüfung durch das zuständig Landwirtschaftsamt vollzogen wurde , warum nicht? 10. Über welche Ackerzahl beziehungsweise Bodengüte verfügt der Boden, auf dem der Campingpark errichtet werden soll, und ist es richtig, dass das betroffene Grundstück bei dem zuständigen Ministerium als Vorranggebiet zum Schutz des Bodens als landwirtschaftliches Produktionsmittel gilt? 11. Ist es aus Sicht der Landesregierung ökologisch und ökonomisch sinnvoll, eine unversiegelte Fläche mit einer derartigen Bodengüte dauerhaft der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen und diese dauerhaft zu versiegeln und der damit verbundenen Zurückdrängung der Natur im urbanen Raum weiter Vorschub zu leisten? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 21. August 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Es trifft zu, dass zum Zeitpunkt des Spatenstichs keine Baugenehmigung für das gesamte Bauvorhaben, sondern nur eine Teilbaugenehmigung für die Errichtung einer Zaunanlage vorlag. Da der Spatenstich keinen Baubeginn im Sinne des § 71 Abs. 6 Thüringer Bauordnung darstellt, ist das aus baurechtlicher Sicht unproblematisch. Die Gesamtbaugenehmigung wurde mit Stand 26. Juli 2018 noch nicht ausgereicht, da die Genehmigungsgebühren noch nicht beglichen wurden. Zu 2.: In Thüringen gibt es einen steigenden Bedarf an qualitativ hochwertigen Caravanstandorten in Stadtnähe. Die Landesregierung unterstützt das Vorhaben, um diesem Bedarf mit derartigen Angeboten Rechnung zu tragen. Die Fördermittel für das Vorhaben wurden mit Datum vom 10. November 2017 bewilligt. Ein rechtlich gültiger Zuwendungsbescheid liegt vor. Im Zuwendungsbescheid ist ergänzend geregelt, dass eine entsprechende Baugenehmigung spätestens vor der ersten Zuschussauszahlung der Thüringer Aufbaubank, als zuständiger Antrags- und Bewilligungsbehörde, vorzulegen ist. Zu 3.: Die Fördermittel für das Vorhaben zur Errichtung des Campingparks Erfurt werden im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) bereitgestellt. Antragsdatum: 1. Juli 2016 Bewilligungsdatum: 10. November 2017 Rechtsgrundlage der Bewilligung: Die rechtliche Grundlage bildet der Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ab 25. August 2017 in Verbindung mit der Richtlinie des Freistaats Thürin- 3 Drucksache 6/6080Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode gen für die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) vom 30. September 2016 (ThürStAnz 47/2016 vom 21. November 2016) und der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Begründung für die Bewilligung: Gemäß der Richtlinie des Freistaats Thüringen für die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) vom 30. September 2016 Teil I, Punkt 2.1.2, sind Investitionsvorhaben in Betriebsstätten des Tourismusgewerbes förderfähig, wenn der Freistaat Thüringen an deren Verwirklichung ein erhebliches tourismuspolitisches Interesse hat. Durch den zuständigen Förderwürdigkeitsausschuss wurde das Projekt als förderwürdig bewertet. Begründung für die Fördermittelhöhe: Die Subventionswertobergrenze für das Investitionsvorhaben beträgt 35 Prozent (Fördersatz 26,83 Prozent) der förderfähigen Ausgaben gemäß der zum Zeitpunkt der Bewilligung gültigen Thüringer GRW-Richtlinie. Zu 4.: Der Koalitionsvertrag ist für die Gemeinden als Träger der Planungshoheit nicht verbindlich. Daher stellt sich die Frage nicht. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Stadt Erfurt ausweislich der Begründung zur Flächennutzungsplanänderung über mehrere Jahre 30 Alternativstandorte untersucht hat. Zur ausgewählten Fläche wird ausgeführt, dass sie bereits langjährig einer Nutzung für die Erwerbslandwirtschaft beziehungsweise den Gartenbau entzogen sei. Die Flächen wieder einer landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen sei bis zum heutigen Zeitpunkt nicht umsetzbar gewesen. Zu 5.: Eine qualitative Abschätzung durch die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie hinsichtlich der zusätzlichen Verkehrsbelastung ergab, dass eine prozentual nennenswerte Änderung der Verkehrssituation und der damit zusammenhängenden Immissionen nur für die Rudolstädter Straße zu erwarten ist. Hier liegen die Gesamtbelastungen jedoch weit unter den relevanten Grenzwerten und den gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachenden Werten. Die konkreten Auswirkungen eines gegebenenfalls zusätzlichen Verkehrsaufkommens in Dittelstedt werden im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplanes und der Genehmigung des Campingparks betrachtet. Hier ist die Untere Immissionsschutzbehörde der Stadt Erfurt im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen. Zu 6.: Die Stadt Erfurt entscheidet im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich geschützten Planungshoheit über die für ihre städtebauliche Entwicklung sinnvolle und erforderliche Flächennutzung. Das gilt auch für die Frage , ob für eine bestimmte Nutzung Brachflächen verwendet werden können. Eine Bewertung der bauleitplanerischen Entscheidungen steht der Landesregierung nicht zu. Zu 7.: Die Stadt Erfurt ist für die Prüfung des Vorhabens als Eingriff in Natur und Landschaft und die Einhaltung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände zuständig. Zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan "Caravan- und Campingplatz Erfurt-Dittelstedt" wurden ein Grünordnungsplan und eine Artenschutzrechtliche Beurteilung (Gutachten) erstellt. Die damit verbundene Analyse des vorhandenen Pflanzen- und Tierbestandes erfolgte im Jahr 2016. Im Grünordnungsplan ist aufgeführt , dass sechs Brutvogelarten (Amsel, Feldsperling, Hausrotschwanz, Haussperling, Zaungrasmücke und Sumpfrohrsänger) und weitere 16 Vogelarten (Nahrungsgäste, benachbarte Brutplätze oder überfliegend ) gesichtet wurden. Alle Vogelarten sind gesetzlich besonders geschützt. Die Vorhabenfläche wurde im Rahmen der faunistischen Begutachtung auf Vorkommen der streng geschützten Zauneidechse kontrolliert, dabei wurden keine Individuen kartiert. Ein Vorkommen kann allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Für den vorhandenen Gebäudebestand besteht der Verdacht auf Eignung als Sommer- oder Männchenquartier für Fledermäuse. Mit Hilfe eines Detektors wurden die Arten Breitflügelfledermaus , Wasserfledermaus, Fransenfledermaus und Zwergfledermaus jagend oder durchziehend im Vorhabengebiet festgestellt. Alle vier Arten sind streng geschützt. Ein Quartiernachweis, zum Beispiel im oder am vorhandenen Gebäudebestand, wurde im Plangebiet nicht geführt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen , dass Quartiere vorhanden sind. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6080 Das Vorhaben kann realisiert werden, wenn zum einen sichergestellt ist, dass keine Individuen der besonders oder streng geschützten Arten baubedingt verletzt oder getötet werden. Es bestehen keine Bedenken, dass dieses Gebot mit den vorgesehenen Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen, zum Beispiel Baufeldfreimachung außerhalb der Brutzeit der genannten Vogelarten, erreicht werden kann. Zum anderen ist ein mit der Realisierung des Vorhabens verbundener Verlust der Brutplätze und Quartiere zulässig, wenn die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Auf der Ebene des Bebauungsplans sind Maßnahmen zur Einhaltung dieser Bedingung als Handlungsoptionen vorgesehen. Die Maßnahmen für die Artengruppe der Fledermäuse und für die Zauneidechse müssen im Baugenehmigungsverfahren nur aufgegriffen werden, wenn sich im Zuge der Bauvorbereitung herausstellt, dass tatsächlich vorhandene Quartiere betroffen sind und ganz oder teilweise zerstört werden. Für die vom Vorhaben betroffenen Brutvögel sind in jedem Fall Ausgleichsmaßnahmen erforderlich. Im Landesdatenbestand liegen für das Gebiet des geplanten Campingplatzes keine zusätzlichen Informationen zum Vorkommen geschützter, wildlebender Tier- und Pflanzenarten vor. Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben an artenschutzrechtlichen Hindernissen scheitern könnte, sind derzeit nicht ersichtlich. Zu 8. und 9.: Die Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im seit Mai 2006 wirksamen Flächennutzungsplan ist das Gelände teilweise als gemischte Baufläche und teilweise als Fläche für den Gartenbau dargestellt. Mit Stadtratsbeschluss vom 16. November 2016 wurde die Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich Dittelstedt, "Rudolstädter Straße - Caravan- und Campingplatz" eingeleitet und eine Festlegung als Sondergebiet, das der Erholung dient, Zweckbestimmung "Camping und Ferienhäuser" verfolgt. Gegenwärtig wird der Abwägungs- und Feststellungsbeschluss vorbereitet. Im Dezember 2016 wurde ein Grundstückskaufvertrag der zukünftigen Betreiberin des Campingplatzes zur Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz beim Landwirtschaftsamt Sömmerda als der Genehmigungsbehörde eingereicht. Die Vertragsgrundstücke sind nicht nur landwirtschaftlich genutzt, sondern teilweise auch außerlandwirtschaftlich . Außerdem wies der vorhabenbezogene Bebauungsplan für die Vertragsgrundstücke eine Nutzung als Caravan- und Campingstellfläche aus. Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht schied schon allein deshalb aus, weil die Fläche teilweise nicht landwirtschaftlich genutzt wurde. Da zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung kein gesichertes Baurecht für den Caravan- und Campingplatz nachgewiesen wurde, erteilte die Behörde die Genehmigung mit der Auflage, innerhalb von drei Jahren Baurecht nachzuweisen. Ansonsten ist die Fläche an Landwirte/Gärtner weiter zu veräußern. Zu 10.: Diese Flächen haben eine hohe Nutzungseignung für Landwirtschaft und Gartenbau. Dabei handelt es sich zum größten Teil um Grundstücke mit der Bodenwertzahl 97 beziehungsweise Ackerzahl 93. Die Grundstücke grenzen lediglich an das Vorranggebiet Landwirtschaft (LB 21) gemäß Regionalplan Mittelthüringen 2011 an. Zu 11.: Der Abwägungsprozess zu der angefragten Thematik ist bereits in der Phase der Bauleitplanung erfolgt (siehe Antwort zu Frage 10). Keller Ministerin Sinnvolle Flächenversiegelung von Ackerland in Erfurt? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8. und 9.: Zu 10.: Zu 11.: