19.05.2015 Drucksache 6/611Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 3. Juni 2015 Gedankenaustausch zu Erfahrungen und Erwartungen in der Thüringer Staatskanzlei Die Kleine Anfrage 274 vom 16. April 2015 hat folgenden Wortlaut: Ein Eintrag und Bild vom 14. April 2015 auf der Facebook-Seite von Bodo Ramelow präsentiert die Bundesvorsitzenden der Partei DIE LINKE Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) und den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Das eingestellte Bild zeigt die genannten Personen um 18:16 Uhr in einem Beratungsraum, der sich nach Kenntnis des Fragestellers in der Thüringer Staatskanzlei befindet, unter dem Titel: "Team Ramelow: Gedankenaustausch zu Erfahrungen und Erwartungen an #r2g in Thüringen mit Katja Kipping, Bernd Riexinger und Dagmar Enkelmann". Im Vorfeld der Landtagswahl vom 14. September 2014 wurden auf der Facebook-Seite Bodo Ramelows Wahlkampftermine, -ansprachen oder -werbung regelmäßig mit "Team Ramelow: ..." eingeleitet, wie beispielsweise ein älterer Eintrag auf der Facebook-Seite von Bodo Ramelow vom 13. September 2014 verdeutlicht. Ich frage die Landesregierung: 1. Aus welchem Grund wurde die Thüringer Staatskanzlei für den Gedankenaus tausch mit den Bundesvorsitzenden Kipping und Riexinger der Partei DIE LINKE und dem Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen als Bespre chungsort festgelegt? 2. Aus welchem Grundverständnis heraus wird die Überschrift "Team Ramelow: ...", welche häufig im Zusammenhang des Wahlkampfes genannt wurde, für einen Termin in der Thüringer Staatskanzlei, dem Regierungssitz des Minister präsidenten des Freistaats Thüringen, gewählt? 3. Waren weitere Parteimitglieder der Landes- oder Bundespartei DIE LINKE, welche kein Amt in der Staatskanzlei begleiten, bei diesem Gesprächstermin anwesend? 4. Sind die Koalitionspartner SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über das Treffen informiert gewesen? 5. Bei Bejahung von Frage 4: Aus welchem Grund waren keine Parteimitglieder aus dem Bundesvorstand der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an dem Gedankenaustausch beteiligt? 6. Ist ein gemeinsames Regieren "auf Augenhöhe" möglich, wenn nur einer von drei Koalitionspartnern mit Bundesvorstandsmitgliedern in dem Gesprächstermin vertreten ist? 7. Wurden bei dem Gedankenaustausch, bei welchem die hochrangigen Parteimitglieder der Bundespartei DIE LINKE teilnahmen, parteipolitische Themen angesprochen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Voigt (CDU) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/611 8. Bei Bejahung von Frage 7: Inwiefern wird die gesetzlich vorgeschriebene Trennung von Amt und Partei beachtet? 9. Bei Bejahung von Frage 7: Wurden die Erfrischungsgetränke, Kaffee und Speisen, welche auf dem Bild zu sehen sind, von der Thüringer Staatskanzlei organisiert und finanziert? 10. Bei Bejahung von Frage 9: Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden benannte Getränke und Speisen durch die Thüringer Staatskanzlei gereicht? 11. Auf welcher Verständnisgrundlage tragen zwei Bundesvorsitzende der Partei DIE LINKE, welche auf Bundesebene politisch aktiv sind, zu dem Gedanken austausch hinsichtlich der künftigen Erwartungen der Regierungskoalition im Freistaat Thüringen bei? 12. Stehen die Interessen der Bundespartei DIE LINKE in einem Zusammenhang mit der Regierungsarbeit des Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen? 13. Sind weitere Treffen mit hochrangigen Parteimitgliedern der Bundespartei DIE LINKE in den Räumlichkeiten der Thüringer Staatskanzlei geplant? Der Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 9. Mai 2015 (Eingang: 19. Mai 2015) wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Am 14. April 2015 fand in der Staatskanzlei ein Gespräch der Vorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Chef der Staatskanzlei, dem Beauftragten beim Bund sowie dem Ministerpräsidenten statt, an dem die beiden Vorsitzenden der Partei DIE LINKE teilnahmen. Das Gespräch fand auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt, die dafür um die Zurverfügungstellung eines Raumes in der Staatskanzlei gebeten hatte und die Kosten für die Durchführung der Veranstaltung einschließlich der Bewirtungskosten getragen hat. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hatte im Rahmen ihres Bildungsauftrags, für dessen Erfüllung sie, wie die anderen parteinahen Stiftungen auch, Zuschüsse des Bundes erhält, bereits in der Vergangenheit Studien zur Analyse der Tätigkeit von Regierungen unter Einschluss der Partei DIE LINKE bzw. der vormaligen PDS erstellt. Im Gespräch wurde u.a. die Frage erörtert, inwieweit die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Tätigkeit der ersten rot-rot-grünen Landesregierung wissenschaftlich untersuchen könnte. Darüber hinaus informierten sich die Vertreterinnen und Vertreter der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie die Parteivorsitzenden über die Arbeitsweise der Koalition aus den drei Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Zu 1., 3., 7. und 9.: Die Fragen 1, 3, 7 und 9 beantworte ich im Zusammenhang: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung führte ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten, dem Chef der Staatskanzlei und dem Bevollmächtigten beim Bund durch. Am Gespräch nahmen zeitweise die Landtagsabgeordneten Steffen Dittes und Susanne Hennig-Wellsow teil. Die Übernahme der Bewirtungskosten durch die Rosa -Luxemburg-Stiftung wurde vertraglich festgelegt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 2.: Unter der Bezeichnung "Team Ramelow" verfassen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministerpräsidenten auf den personengebundenen Accounts auf Twitter und Facebook Beiträge. Die Bezeichnung hat die Funktion, Beiträge, die der Ministerpräsident auf diesen Accounts persönlich verfasst, von denjenigen unterscheidbar zu machen, die nicht durch ihn selbst publiziert werden. Dies ist für die Nutzung von Accounts der Personen öffentlichen Lebens in sozialen Netzwerken ein gängiges Verfahren. Zu 4. und 5.: Die Fragen 4 und 5 beantworte ich im Zusammenhang: Die Landesregierung schätzt die Besorgnis des Fragestellers hinsichtlich einer stets reibungslosen und transparenten Kommunikation in der Koalition, betont jedoch, dass es dafür grundsätzlich und im konkreten 3 Drucksache 6/611Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Fall keinen Anlass gibt. Da den Koalitionsparteien mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Friedrich-EbertStiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung jeweils Stiftungen nahestehen, gab es kein Erfordernis, die Koalitionspartner über dieses Gespräch in Kenntnis zu setzen. Zu 6.: Koalitionen sind "Bündnisse von Parteien, welche den Zweck verfolgen, eine Regierungsmehrheit (…) herzustellen . Schon aus dieser Beschreibung geht hervor, dass Koalitionen Verhandlungs- und Kooperationsbeziehungen zwischen zwei oder mehr Partnern konstituieren. Koalitionen gehören damit zu den Arenen, in denen koalitionsinterne Entscheidungen, die nach dem Konsensprinzip erfolgen, und Regierungsentscheidungen , die nach dem Majoritätsprinzip gefällt werden, unauflöslich miteinander verbunden sind. (Die) Kooperations - und Entscheidungsregeln, die Beziehungen der Parteien untereinander sowohl in der parlamentarischen als auch der föderativen Arena regeln, sind in das Wechselspiel beider Entscheidungsprinzipien einzuordnen. Koalitionsprinzipien veranschaulichen gleichsam paradigmatisch die institutionelle Komplexität der bundesdeutschen Politik - zumal auf Landesebene, wo die Schnittstellen von Koalitionspolitik, föderativer Politik und Parteipolitik besonders weit gefasst sind und Exekutiv- und Legislativfunktionen mit der Rolle von Länderregierungen im Bundesrat ineinsfallen." (Kropp/Sturm 1998: 154). Dieser Komplexität wird die Fragestellung ersichtlich nicht gerecht, denn ob die Koalitionspartner sich in der Landesregierung, im Landtag zwischen den Koalitionsfraktionen oder beispielsweise im Koalitionsausschuss auf der Ebene der Parteivorsitzenden der Koalition "auf Augenhöhe" begegnen, entscheidet sich nicht daran, ob sich Vertreter/-innen der Partei DIE LINKE in der Koalition mit der parteinahen Bundesstiftung oder den Parteivorsitzenden der Linkspartei treffen. Zu 8.: Die gesetzlich vorgeschriebene Trennung von Amt und Partei wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Vertreter/-innen der Landesregierung zu ihrer Tätigkeit in der Landesregierung befragt werden und Auskunft erteilen. Im Übrigen haben weder der Ministerpräsident, noch der Chef der Staatskanzlei oder der Bevollmächtigte beim Bund eine Funktion innerhalb eines Vorstandes auf Landes- oder Bundesebene der Partei DIE LINKE inne, während in der vergangenen Wahlperiode die Ministerpräsidentin des Freistaats zugleich den Vorsitz der Landespartei innehatte und dem Bundesvorstand der CDU angehörte, während der Vorsitzende der Jungen Union in Thüringen als persönlicher Referent der Ministerpräsidentin tätig war. Zu 10.: Siehe Antwort zu Frage 1. Zu 11. bis 13.: Die Fragen 11 bis 13 beantworte ich im Zusammenhang: Die Vorsitzenden der Partei DIE LINKE haben das Angebot der Rosa-Luxemburg-Stiftung angenommen, sich aus erster Hand über die Tätigkeit der Landesregierung Thüringen und die Arbeitsweise innerhalb der Koalition informieren zu lassen. Wie bereits in der Antwort zu Frage 6 dargelegt wurde, sind im föderalen System Deutschlands sowohl die Parteien als auch die Gebietskörperschaften jeweils vertikal miteinander verflochten. Erkenntnisse über die Tätigkeit der Landesregierung in Thüringen können insoweit auch für die Vorsitzenden einer Bundespartei von Interesse sein. Weitere Treffen sind zunächst nicht geplant. Prof. Dr. Hoff Minister