12.09.2018 Drucksache 6/6149Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. September 2018 Stundenlöhne und Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege Die Kleine Anfrage 3205 vom 17. Juli 2018 hat folgenden Wortlaut: Die Kritik an den Löhnen und den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in der Pflege, insbesondere der Altenpflege, sind seit langem Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Dies gilt auch für Thüringen. Akuten Handlungsbedarf haben unter anderem die Ergebnisse des bereits im Jahr 2014 durch Prognos erarbeiteten und vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie gemeinsam mit dem Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit in Auftrag gegebenen Berichts "Fachkräftesicherung durch Gute Arbeit" als auch Untersuchungen unter anderem des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und der Bertelsmann-Stiftung aufgezeigt. Die in Thüringen gezahlten Durchschnittslöhne in der Altenpflege befinden sich demnach im Vergleich der Bundesländer im unteren Bereich. Ich frage die Landesregierung: 1. In welcher Bandbreite (von - bis) bewegen sich die aktuell bekannten Bruttostundenlöhne für in der Pflege beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (bitte differenzieren nach Fachkräften und Hilfskräften)? 2. In welcher Bandbreite (von - bis) bewegen sich die aktuell bekannten Ausbildungsvergütungen für Auszubildende in der Altenpflege (bitte differenzieren nach Ausbildungsjahren)? 3. In welchem Umfang wenden nach Kenntnis der Landesregierung Träger von stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten in Thüringen über Haustarifverträge hinausgehende Tarifverträge beziehungsweise Arbeitsvertragsrichtlinien (im Falle der kirchlichen Träger) an und um welche Tarifverträge mit welchen Gewerkschaften handelt es sich dabei? 4. Inwieweit unterscheiden sich nach Kenntnis der Landesregierung die unter Frage 3 erfragten Tarifverträge beziehungsweise Arbeitsvertragsrichtlinien bei den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen (bitte differenzieren nach Fachkräften und Hilfskräften)? 5. Inwieweit, auf welcher Berechnungsgrundlage und durch wen wird die gesetzlich geregelte "Angemessenheit " der Ausbildungsvergütung bei der Zulassung von Ausbildungsplätzen geprüft und wurden in diesem Zusammenhang Ausbildungsplätze/Ausbildungskapazitäten jemals verweigert? Wenn ja, in welchem Umfang? 6. Was sind die Grundlagen für die Zulassung von Ausbildungsplätzen bei Trägern von stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten, von wem sind sie wann erlassen worden und wer ist für die Zulassung und laufende Prüfung zuständig? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6149 7. Welche Steigerungen wurden bei den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen seit Unterzeichnung des Pflegepaktes erzielt und inwieweit hat sich seitdem das Ranking der gezahlten Durchschnittslöhne im Vergleich der Bundesländer verändert? 8. Welche Steigerungen wurden bei den durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen seit Unterzeichnung des Pflegepaktes erzielt und inwieweit hat sich seitdem das Ranking der gezahlten durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen im Vergleich der Bundesländer verändert? 9. Ergeben sich Probleme bei der Anerkennung von Lohnsteigerungen durch die Pflegekassen und wenn ja, welche? 10. Welche Erkenntnisse gibt es über die Abwanderung von in Thüringen ausgebildeten Altenpflegefachkräften a) in andere Bundesländer und b) in andere Berufe? 11. Welche Erkenntnisse gibt es über den durchschnittlichen Verbleib von in Thüringen ausgebildeten Altenpflegefachkräften in der Altenpflege? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 11. August 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Mit Einführung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes zum 1. Januar 2017 erfolgte eine Umstellung der Pflegesystematik von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade. Im Zuge dessen wurde in Thüringen im Rahmen der Pflegesatzkommission ein vereinfachtes Verfahren für 2017 inklusive einer Pauschalsteigerung mit den Leistungserbringern vereinbart. Auch im Jahr 2018 wurde sich auf ein Pauschalverfahren geeinigt. In diesem Verfahren werden keine Bruttolöhne erfragt, sondern es erfolgt nur eine pauschale Erhöhung der Entgelte . Dies betrifft die stationären als auch die ambulanten Pflegeeinrichtungen. Diese Pauschalverfahren wurden laut Aussage der AOK PLUS - Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen (AOK PLUS) von den Leistungserbringern in Thüringen überwiegend angenommen. Nur wenige Einrichtungen nahmen Einzelverhandlungen wahr. Laut einer Aufstellung der AOK PLUS mit Stand vom 13. Juli 2016 stellen sich die Tarife und durchschnittlichen Personalkosten in Thüringen - auszugsweise für einen Teil der Pflegeeinrichtungen - wie folgt dar: ambulante Pflegedienste - Tarife und durchschnittliche Personalkosten Tarif Anzahl PE Ø Personalkosten Pflegefachkraft in Euro Ø Personalkosten Pflegekraft in Euro AVR Caritas Ost 11 36.673,85 28.602,93 AVR DW EKM 38 41.262,66 31.861,16 AWO DHV 20 37.102,16 26.743,15 BAT/TVÖD - - - DRK Thüringen/DHV 29 31.901,34 25.521,77 Paritätischer 21 28.893,87 22.600,94 ohne Tarif 261 27.598,17 22.307,31 380 stationäre Pflegeeinrichtungen - Tarife und durchschnittliche Personalkosten Tarif Anzahl PE Ø Personalkosten Pflegefachkraft in Euro Ø Personalkosten Pflegekraft in Euro AVR Caritas Ost 24 45.278,35 36.106,01 AVR DW EKM 37 45.285,05 36.447,56 3 Drucksache 6/6149Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Tarif Anzahl PE Ø Personalkosten Pflegefachkraft in Euro Ø Personalkosten Pflegekraft in Euro AWO DHV 49 38.338,88 30.667,60 BAT/TVÖD 17 41.235,71 32.881,18 DRK Thüringen/DHV 28 37.595,36 30.124,51 Paritätischer/PATT 9 34.906,63 26.498,59 ohne Tarif 182 35.842,10 28.577,76 346 Zu 2.: Nach Angaben der AOK PLUS stellt sich die Bandbreite der Auszubildendenvergütungen für 2017 wie folgt dar: Kosten AZUBIS 1. Lehrjahr Beginn 01.09.2017 Kosten AZUBIS 2. Lehrjahr Beginn 01.09.2016 Kosten AZUBIS 3. Lehrjahr Beginn 01.09.2015 Minimal in Euro 6.807,00 7.543,00 8.279,00 Maximal in Euro 18.108,00 18.338,29 19.727,10 Quelle: AOK PLUS aus AVG-Bearbeitung, Stand: 31. Juli 2018 Zu 3.: Hierzu kann mitgeteilt werden, dass die Einrichtungen der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege ihre seit Jahren bestehenden Tarifverträge anwenden. Weiterhin wenden 34 Pflegedienste des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des bpa Arbeitgeberverbandes (bpa AGV) an. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die angewandten Tarifverträge, die der Landesregierung im Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen und den ambulanten Pflegediensten in Thüringen bekannt sind. Tarifvertrag Gewerkschaft Geltungsbereich AWO DHV DHV Hamburg - Die Berufsgewerkschaft , Deutscher Handels- und Industrieangestellten Verband alle Arbeitnehmer, die bei Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes und Mitglied der DHV Hamburg (tarifvertragsschließende Gewerkschaft - derzeit Tariffähigkeit in gerichtlicher Prüfung) sind AVR Caritas Ost Bistum Erfurt - Tarifgebiet Ost AVR Diakonie - DW EKM alle Einrichtungen der Diakonie Deutschland DRK Thüringen DHV Leipzig Alle Arbeitnehmer des Landesverbandes Thüringen mit DHV Leipzig (andere Bundesländer mit ver.di) PARITÄTischer Arbeitgeberverband PATT e.V. - PATT GÖD - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen Rahmentarifvertrag für alle Arbeitnehmer im Freistaat Thüringen Nähere Angaben liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 5.: Die gesetzlichen Regelungen zur angemessenen Ausbildungsvergütung sind in - § 82a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6149 - § 17 Gesetz über die Berufe der Altenpflege (Altenpflegegesetz - AltPflG), - § 19 Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz - PflBG) normiert. Für die Zulassung und entsprechende Festlegung der Anzahl von Ausbildungsplätzen in einer Pflegeeinrichtung ist das Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA) zuständig. Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass aufgrund einer nicht angemessenen Ausbildungsvergütung Ausbildungsplätze verweigert wurden. Die Berechnungsgrundlage für die Ausbildungsvergütung wird jährlich im Rahmen der Pflegesatzkommission vereinbart und ist über das AOK Gesundheitspartnerportal abrufbar.* Die Ausbildungsvergütung ist auf Basis und in der Höhe von Tarifverträgen/AVR grundsätzlich als angemessen anzuerkennen. Dementsprechend werden die in den vorzulegenden Ausbildungsverträgen ausgewiesenen Ausbildungsvergütungen anhand der Tarifverträge geprüft. Bei nicht tarifgebundenen Trägern wird die Ausbildungsvergütung bis zur Höhe von Tarifverträgen anerkannt. Zu 6.: Mit Inkrafttreten des Altenpflegegesetzes am 1. August 2003 wurden unter Federführung des zuständigen Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einer Arbeitsgruppe Mindestanforderungen an die Geeignetheit von stationären und ambulanten Pflegeinrichtungen festgelegt. Auf Antrag der Ausbildungsträger wird beim TLVwA die Geeignetheit geprüft und die Anzahl der Ausbildungsplätze pro Ausbildungsjahr festgelegt. Die Bemessungsgrundlage für die stationären Einrichtungen ist die Anzahl der Heimbewohner. Je 30 Heimplätze wird ein Ausbildungsplatz genehmigt, des Weiteren wird über die Heimaufsicht eine Stellungnahme angefordert. Bei den ambulanten Einrichtungen erfolgt die Festlegung an Hand der Pflegefachkräfte. Auf vier Vollzeitstellen wird ein Ausbildungsplatz vergeben. Zusätzlich müssen die Weiterbildungszertifikate der Praxisanleiter vorgelegt werden. Zu 7.: Aus vorliegenden Tarifverträgen werden zum Vergleich nachfolgend die vereinbarten Stundenentgelte der niedrigsten Stufe, der Mittelstufe und der Mittelstufe mit mittlerer Erfahrung aufgeführt: AWO DHV Gruppe 1 Stufe 1 in Euro/Stunde Gruppe 1 Stufe 4 Euro/Stunde Gruppe 6 Stufe 4 Euro/Stunde 2006 6,10 6,98 11,56 2014 7,11 8,14 13,48 2015 7,31 8,37 13,85 2016 8,75 8,75 14,18 2017 8,97 8,97 14,54 BAT/TVÖD/VKA Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst Gruppe 2 Stufe 1 Euro/Stunde Gruppe 2 Stufe 4 Euro/Stunde Gruppe 10 Stufe 4 Euro/Stunde 2012 10,25 11,75 18,05 2013 10,39 11,91 18,31 2014 11,06 12,60 19,12 2015 11,61 13,19 19,58 2016 11,89 13,51 20,05 2017 12,17 13,83 20,52 5 Drucksache 6/6149Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode DRK Thüringen/DHV Jahr Gruppe 1 Stufe 1 Euro/Stunde Gruppe 2 Stufe 4 Euro/Stunde Gruppe 6 Stufe 4 Euro/Stunde 2012 7,33 8,13 13,33 2013 7,55 8,38 14,97 2014 7,68 8,52 15,23 2015 bis 2017 8,54 8,82 15,77 2017 8,88 9,09 15,32 Paritätischer/PATT Jahr Einstiegsstufe Gruppe I Euro/Stunde Gruppe VI Euro/Stunde Aufbaustufe Gruppe VI Euro/Stunde Ab 01.01. 2004 6,46 12,31 13,57 2013 7,32 13,95 15,38 2014 8,64 14,37 15,84 2015 8,64 14,69 16,19 2016 8,94 15,33 16,90 Zum Ranking der gezahlten Durchschnittslöhne im Vergleich der Bundesländer liegen folgende Angaben vor.: Abbildung 1: Monatliche Bruttoentgelte1 von Fachkräften nach Bundesländern, 2016 in Euro 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6149 Abbildung 2: Monatliche Bruttoentgelte1 von Helfern nach Bundesländern, 2016 in Euro Zu 8.: Die Ausbildungsvergütungen im Bereich des TVöD-BT-Pflege (VKA) und TV-L-BT-Pflege (Länder) werden für das gesamte Bundesgebiet abgeschlossen. Da diese Tarifverträge nicht allgemeinverbindlich sind, gelten sie zwingend nur für die Tarifvertragspartner. Alle nicht tarifgebundenen Unternehmen können sich daran orientieren. Auszubildende haben Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Da es in der Altenpflege keinen allgemein verbindlichen Tarifvertrag (Branchentarifvertrag) gibt, kann diese zwischen den einzelnen Trägern der praktischen Ausbildung sehr unterschiedlich ausfallen. Meist staffelt sie sich nach dem Ausbildungsjahr . Erfolgt die Ausbildung in Einrichtungen des öffentlichen Dienstes oder Einrichtungen von Ausbildungsträgern, die sich an die Regelungen des öffentlichen Dienstes anlehnen, gelten folgende Ausbildungsvergütungen: 1. Ausbildungsjahr in Euro 2. Ausbildungsjahr in Euro 3. Ausbildungsjahr in Euro 2013 TVöD 915,69 977,07 1.078,38 TV-L 904,03 968,14 1.071,39 2014 TVöD 955,69 1.017,07 1.103,00 TV-L 930,70 996,70 1.198,00 2015 TVöD 975,69 1.037,07 1.138,38 TV-L 960,70 1.026,70 1.133,00 2016 TVöD 1.010.69 1.072,07 1.173,38 TV-L 990,70 1.056,70 1.163,00 2017 TVöD 1.040.69 1.102.07 1.203,38 TV-L 1.025,70 1.091,70 1.198,00 Quelle: Eigene Darstellung, Referat 33 Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Stand: 10. August 2018 7 Drucksache 6/6149Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Bei den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden wie Caritas oder Diakonie gelten in der Regel die Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen (AVR-K). Private Träger haben entweder Haustarifverträge oder handeln ihre Vergütung frei aus. Daten aus anderen Bundesländern liegen hier nicht vor. Zu 9.: Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 5 Elftes Buch Sozialgesetzbuch kann die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht als unwirtschaftlich durch die Pflegekassen abgelehnt werden. Entsprechende Probleme sind hier nicht bekannt. Zu 10.: Hierzu liegen der Landesregierung seit dem Jahr 2015 keine Angaben beziehungsweise Erkenntnisse vor. Zu 11.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Werner Ministerin Endnote: * Siehe: http://www.aok-gesundheitspartner.de/thr/pflege/stationaer/teilstationaer/index.html, http://www.aok-gesundheitspartner.de/thr/pflege/stationaer/vollstationaer/index.html, http://www.aok-gesundheitspartner.de/thr/pflege/stationaer/kurzzeit/index.html, http://www.aok-gesundheitspartner.de/thr/pflege/ambulant_sgbxi/index.html. Stundenlöhne und Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Endnote: