18.09.2018 Drucksache 6/6190Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. September 2018 Der Wohnungsmarkt in Thüringen Die Kleine Anfrage 3239 vom 31. Juli 2018 hat folgenden Wortlaut: Gemäß eines Artikels des Nachrichtenportals "Thueringen24.de" und einer Meldung der Deutschen Presse agentur vom 17. Juli 2018 verzeichnen die größeren Thüringer Städte wieder zunehmende Einwohnerzahlen. Gleichzeitig steigt dadurch die Nachfrage nach Mietwohnungen und Wohneigentum im städtischen Raum. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Mietwohnungen und selbstgenutzte Eigentumswohnungen sind nach Kenntnis der Landes regierung derzeit in Thüringen vorhanden (aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten)? 2. Wie viele dieser Mietwohnungen und selbstgenutzten Eigentumswohnungen sind nach Kenntnis der Landesregierung seit dem 1. Januar 2014 entstanden? 3. Wie viel Prozent des derzeit in Thüringen vorhandenen Wohnungsbestands befindet sich nach Kennt nis der Landesregierung gegenwärtig im Eigentum von a) kommunalen Wohnungsgesellschaften, b) Wohnungsbaugenossenschaften, c) öffentlichen Wohnungsunternehmen unter Beteiligung des Landes oder des Bundes, d) natürlichen Personen oder e) privaten Unternehmen? 4. Wie hoch ist nach Kenntnis der Landesregierung die Fehlbelegungsquote bei den derzeit in Thüringen vorhandenen Sozialwohnungen (bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln)? 5. Wie viele Wohnungsbaugenossenschaften gibt es nach Kenntnis der Landesregierung derzeit in Thü ringen? 6. Mit welchen Mitteln und Maßnahmen werden Wohnungsbaugenossenschaften in Thüringen durch die Landesregierung und nach Kenntnis der Landesregierung durch Mittel und Maßnahmen des Bundes ge fördert (bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln)? 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Bedeutung der Wohnungsbaugenossenschaften und der kommu nalen Wohnungsgesellschaften in Thüringen für den Thüringer Wohnungsmarkt und dessen Entwick lung seit dem Jahr 2014? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Rudy (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6190 8. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um den Wohnungsbau durch Wohnungsbau genossenschaften sowie die Neugründung von Wohnungsbaugenossenschaften zu fördern und welche finanziellen Mittel stellt die Landesregierung dazu zur Verfügung (bitte mit Angabe der Haushaltsstellen)? 9. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um den Bau von Wohneigentum zu fördern und welche finanziellen Mittel stellt die Landesregierung dazu zur Verfügung (bitte mit Angabe der Haus haltsstellen)? 10. Welchen Einfluss hatten nach Kenntnis der Landesregierung die Grundsteuer B und die Grunderwerbs steuer auf die Entwicklung des Thüringer Wohnungsmarktes seit dem Jahr 2013? 11. Beabsichtigt die Landesregierung, sich für eine Abschaffung der Grundsteuer B einzusetzen? Falls nicht, warum nicht? 12. Beabsichtigt die Landesregierung die Grunderwerbssteuer in Höhe von derzeit 6,5 Prozent bis zum Jahr 2020 zu senken? Falls ja, um wie viele Prozentpunkte? Falls nicht, warum nicht? 13. Welche Auswirkungen hätte nach Ansicht der Landesregierung die Einführung einer Baulandsteuer (Grundsteuer C), wie sie bereits in den Jahren 1961 und 1962 in der Bundesrepublik Deutschland vor handen war, auf die Entwicklung des Thüringer Wohnungsmarktes in den nächsten fünf Jahren? 14. Befürwortet die Landesregierung die Einführung einer solchen Baulandsteuer (Grundsteuer C) in Thü ringen? Falls ja, warum und in welcher Höhe? Falls nein, warum nicht? Das Thüringer Ministerium für Infrastrutur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 17. September 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Im Rahmen der statistischen Erfassung der Wohnungen in Thüringen werden vom Landesamt für Statistik bei Wohnungen Wohn und Nichtwohngebäude erfasst. Eine Unterscheidung in Mietwohnungen und selbst genutzten Eigentumswohnungen wird nicht vorgenommen. Der Bestand an Wohnungen in den kreisfreien Städten und den Landkreisen zum 31. Dezember 2017 kann der als Anlage beigefügten Tabelle entnom men werden. Zu 2.: Im Zeitraum 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 sind in Thüringen nach Information des Landes amts für Statistik 12.614 Wohnungen gebaut und fertiggestellt worden. Davon wurden 7.415 Wohnungen in Ein beziehungsweise Zweifamilienhäusern errichtet. Die Nutzungsart dieser Wohnungen wird vom Lan desamt für Statistik nicht erfasst. Zu 3.: Die Ermittlung der Eigentumsformen des Thüringer Wohnungsbestandes wurde letztmalig im Rahmen der Gebäude und Wohnraumzählung des Zensus 2011 vorgenommen. Zum Stichtag 9. Mai 2011 befanden sich 55,4 Prozent im Eigentum von Privatpersonen, 15,7 Prozent im Eigentum von Gemeinschaften von Wohnungseigentümern/Wohnungseigentümerin nen, 11,4 Prozent im Eigentum von Wohnungsgenossenschaften, 9,8 Prozent im Eigentum von Kommunen beziehungsweise kommunalen Wohnungsunternehmen, 5,9 Prozent im Eigentum von privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen und 1,9 Prozent im Eigentum sonstiger Eigentümer. Daten zur Beantwortung der Frage 3 c) liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 4.: Zum Stichtag 15. Juni 2018 waren nach Information des Thüringer Landesverwaltungsamtes von insge samt 16.157 mietpreis und belegungsgebundenen Wohnungen neun Wohnungen fehlbelegt. Die Fehlbe legungsquote für Thüringen betrug danach 0,05 Prozent. Die betroffenen Wohnungen befinden sich aus 3 Drucksache 6/6190Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode schließlich im IlmKreis. Dort betrug damit die Fehlbelegungsquote bei einem Bestand von insgesamt 734 mietpreis und belegungsgebunden Wohnungen 1,23 Prozent. Zu 5.: Nach Kenntnis der Landesregierung existieren 108 Wohnungsbaugenossenschaften. Zu 6.: Eine unmittelbare Förderung ausschließlich für Wohnungsbaugenossenschaften in Thüringen gibt es we der durch das Land noch durch den Bund. Von Seiten des Bundes gibt es eine (mittelbare) Förderung im Rahmen des KfWWohneigentumsprogramms für Privatpersonen. Im besagten Förderprogramm werden für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zinsverbilligte KfWDarlehen gewährt. Die Wohnungsbaugenossenschaften profitieren, wie andere mögliche Investoren (zum Beispiel kommuna le Wohnungsbaugesellschaften, private Investoren und so weiter) von den bestehenden Wohnungsbauför derprogrammen des Landes und des Bundes. Zu 7.: Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen sind die kommunalen und genossenschaftlich organisierten Wohnungsunternehmen mit circa 250.400 Wohnungen die bedeutendsten und größten Be standshalter am Thüringer Wohnungsmarkt. Jeder zweite Mieter wohnt bei einem Unternehmen der organi sierten Wohnungswirtschaft. In den letzten 25 Jahren investierten die Unternehmen zudem mehr als zwölf Milliarden Euro in den Wohnungsbestand, die vorwiegend in die regionale Wertschöpfungskette flossen. Die Landesregierung misst daher den genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungsunternehmen in Thüringen eine wesentliche soziale und wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Entwicklung der Thüringer Wohnungswirtschaft seit dem Jahr 2014 kann als positiv eingeschätzt wer den. Nach Jahren des abwanderungsbedingten "Aderlasses" und damit verbundenen Anpassungszwän gen haben sich die Unternehmen weitestgehend stabilisiert, so dass die Investitionstätigkeit an vielen Or ten insbesondere den Städten des Landes wieder zunimmt und zum Beispiel neue Wohnungen von den Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen errichtet werden. Zu 8.: Wie bereits in der Antwort zu Frage 6 dargestellt, profitieren die Wohnungsbaugenossenschaften von den bestehenden Wohnungsbauförderprogrammen des Landes. Zu nennen sind hier das Innenstadtstabilisie rungsprogramm (ISSP) (Neubau von Mietwohnungen), das Modernisierungsprogramm für Mietwohnungen (ThürModRMietwohnungen) und das Thüringer Barrierereduzierungsprogramm (ThürBarR). Die Finan zierung der genannten Wohnungsbauförderprogramme erfolgt im Wesentlichen mit Mitteln des Thüringer Wohnungsbauvermögens. Im Wirtschaftsplan des Sondervermögens stehen im Jahr 2018 für den sozia len Wohnungsbau insgesamt 45,6 Millionen Euro und im Jahr 2019 47,4 Millionen Euro zur Verfügung. Im Übrigen sind für den Baukostenzuschuss im Innenstadtstabilisierungsprogramm und bei der Förderung der Modernisierung und Instantsetzung von Mietwohnungen im Landeshaushalt 2018 und 2019 Mittel in Höhe von jeweils fünf Millionen Euro eingestellt worden (Kapitel 10 03 Titel 891 73). Zu 9.: Der Erwerb und die Schaffung von selbstgenutztem Wohneigentum werden zum einen mit dem "Thüringer Familienbaudarlehen" und zum anderen im Rahmen des Förderprogramms "Thüringer Sanierungsbonus" durch die Landesregierung gefördert. Beim "Thüringer Familienbaudarlehen" werden durch die Thüringer Aufbaubank zinsgünstige Darlehen des KfWWohneigentumprogramms ausgereicht, deren Zinssatz durch die Bereitstellung einer Landesbürgschaft weiter vergünstigt wird. Die Höhe des Bürgschaftsrahmens be trägt für das Jahr 2018 sieben Millionen Euro. Die Finanzierung der Zuschüsse des "Thüringer Sanierungs bonus" erfolgt mit Mitteln des "Thüringer Wohnungsbauvermögens". Im Wirtschaftsplan des Sondervermö gens stehen im Jahr 2018 für dieses Förderprogramm 3,9 Millionen Euro zur Verfügung. Zu 10.: Zur Entwicklung des Thüringer Wohnungsmarktes in Abhängigkeit der Erhebung von Grunderwerbsteu er beim Grundstückserwerb und von Grundsteuer in der Folgezeit liegen der Landesregierung keine Stu dien oder wissenschaftlichen Untersuchungen vor. Aufgrund der anhaltenden guten wirtschaftlichen Lage 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6190 sowie der günstigen Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt gibt es eine konstante Anzahl an Eigen tumsübergängen in Thüringen. Zu 11.: Nein; die Grundsteuer, insbesondere die Grundsteuer B, stellt für die Kommunen eine der wichtigsten Ein nahmequellen dar. Die ihnen zustehende Ertragshoheit beziehungsweise ihre Kompetenz zur eigenständi gen Festsetzung der Hebesätze für die Grundsteuer A und B sind verfassungsrechtlich garantiert (verglei che Artikel 106 Abs. 6 Grundgesetz) und werden von der Landesregierung nicht in Frage gestellt. Zu 12.: Die Landesregierung hat zuletzt die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes ab dem Jahr 2017 beschlos sen, da zur langfristigen Konsolidierung des Landeshaushaltes alle Einnahmemöglichkeiten des Landes ge nutzt werden müssen. Die Grunderwerbsteuer ist dabei die einzige Steuerart, für die die Länder den Steuer satz selbst festlegen können. Insofern überwiegen aus Sicht der Landesregierung die fiskalischen Interessen gegenüber einer Verringerung der Anschaffungskosten für Wohngrundstücke. Zu 13.: Hierzu kann von Seiten der Landesregierung keine entsprechende Prognose abgegeben werden. Im Übri gen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. Zu 14.: Die Einführung einer sogenannten Baulandsteuer (Grundsteuer C) wird derzeit durch die Landeregierung nicht befürwortet, da sie steuerfachlich nicht geboten ist und positive fiskalische Auswirkungen fraglich er scheinen. Auch wenn die sogenannte Große Koalition auf Bundesebene in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen hat, den Kommunen eine Befugnis zur Erhebung einer sogenannten Baulandsteuer (Grundsteuer C) einzuräu men, wird deren Einführung im Hinblick auf die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen skeptisch betrachtet. Die im Jahr 1960 in der damaligen Bundesrepublik Deutschland eingeführte Grundsteuer C für unbebaute, aber baureife Grundstücke wurde lediglich in den Jahren 1961 und 1962 erhoben und im Jahr 1964 wieder abgeschafft. Die erhofften Wirkungen hin zur Bebauung bisher unbebauter Grundstücke und damit zur Vermeidung unerwünschter Immobilienspekulation blieben aus. Es kam gerade nicht zu einer Erhöhung des Grundstücksangebots für Zwecke der Bebauung und im Gegenteil führte sogar ein Anstieg von Grundstückskäufen durch Spekulanten zu einer mehr als unerwünschten Konsequenz. Auf die Ana lyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 3. März 2017 (Az. WD 4 3000 022/17) zum Werdegang der Grundsteuer C in den Jahren 1961 und 1962 und zu den Gründen für ihre Ab schaffung weise ich hin. Das Gutachten führt aus, dass die Grundsteuer C von einer Vielzahl von Bürgern als unsozial und ungerecht empfunden wurde, weil sie vor allem die finanzschwachen Bürger traf und bei den finanzstarken Bevölkerungsteilen nicht ins Gewicht gefallen ist. Keller Ministerin 5 Drucksache 6/6190Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Anlage Bestand an Wohnungen in Wohn und Nichtwohngebäuden zum 31. Dezember 2017 nach Kreisen Kreisfreie Stadt Landkreis Wohnungen insgesamt Stadt Erfurt 116.476 Stadt Gera 61.532 Stadt Jena 62.601 Stadt Suhl 21.334 Stadt Weimar 35.350 Stadt Eisenach 24.421 Eichsfeld 47.110 Nordhausen 46.286 Wartburgkreis 63.289 Unstrut-Hainich-Kreis 54.547 Kyffhäuserkreis 42.233 SchmalkaldenMeiningen 65.123 Gotha 72.116 Sömmerda 35.549 Hildburghausen 32.298 IlmKreis 61.427 Weimarer Land 42.846 Sonneberg 31.823 SaalfeldRudolstadt 61.678 Saale-Holzland-Kreis 43.490 SaaleOrlaKreis 45.063 Greiz 58.033 Altenburger Land 56.679 Thüringen 1.181.304 kreisfreie Städte 321.714 Landkreise 859.590 Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik Der Wohnungsmarkt in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: Zu 13.: Zu 14.: Anlage