18.09.2018 Drucksache 6/6192Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. September 2018 Antisemitische Überfälle, Leugnung des Holocaust und andere Straftaten im Jahr 2017 in Thüringen Die Kleine Anfrage 3223 vom 1. August 2018 hat folgenden Wortlaut: Jährlich ereignen sich auch in Thüringen antisemitische Straftaten, werden jüdische Friedhöfe verschandelt, antisemitische Parolen geschmiert, Bürgerinnen und Bürger sowie jüdische Einrichtungen bedroht. Flankiert wird dies durch eine teilweise oder gänzliche Leugnung des Holocaust. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche antisemitischen Aktivitäten und Straftaten (Zusammenrottungen, Überfälle, Schmierereien, Pressedelikte , Leugnung des Holocaust und so weiter) sind der Landesregierung im Jahr 2017 insgesamt in Thüringen bekannt geworden (bitte genaue Auflistung nach laufender Nummer: Tatzeit, [Tat-]Ort, gegebenenfalls Bereich der Landespolizeiinspektion, gegebenenfalls Kontext der Aktivitäten und Straftaten)? 2. In welchen der unter Frage 1 genannten Fällen wurde eine Einstufung "Politisch motivierte Kriminalität " vorgenommen, wenn ja, in welcher Kategorie (bitte Zuordnung mittels separater Spalte in der Antwort zu Frage 1)? 3. In welchen der unter Frage 1 genannten Fällen wurden Menschen leicht verletzt, schwer verletzt oder getötet und welche Angaben kann die Landesregierung zur Art der Verletzungen machen (bitte Zuordnung mittels separater Spalte in der Antwort zu Frage 1)? 4. In welchen der unter Frage 1 genannten Fällen wurden Tatverdächtige ermittelt, welches Geschlecht und Alter hatten diese (bitte Zuordnung mittels separater Spalte in der Antwort zu Frage 1)? 5. Fanden nach Kenntnis der Landesregierung über die in Frage 1 genannten Fälle hinaus auch Ordnungswidrigkeiten statt, bei denen eine antisemitische Motivation angenommen wurde, falls ja, um welche handelt es sich (bitte genaue Auflistung nach laufender Nummer: Tatzeit, [Tat-]Ort und Delikt)? 6. Wie viele Ermittlungsverfahren beziehungsweise Gerichtsverfahren liefen wegen mutmaßlich antisemitischer Delikte im Jahr 2017 (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf beziehungsweise Tat, Datum, Ort, gegebenenfalls Bereich der Landespolizeiinspektion und gegebenenfalls Strafmaß)? 7. In wie vielen Fällen wurden Ermittlungen, die im Jahr 2017 wegen mutmaßlich antisemitischer Delikte aufgenommen wurden, aufgrund welcher Vorschrift zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung wieder eingestellt (bitte mit Zuordnung zur laufenden Nummer)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6192 8. Wie viele Personen wurden wegen antisemitischer Straftaten in diesem Zeitraum zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Datum, Straftat und Strafmaß aufschlüsseln)? 9. Welcher materielle Schaden entstand im Jahr 2017 bei antisemitischen Straftaten? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 17. September 2018 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Vorfälle sind Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Unter Hinweis auf Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen und § 477 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozessordnung wird insbesondere aus Datenschutzgründen (Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz, Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen, § 2 Abs. 7 ThürDSG) und vor dem Hintergrund der im Strafverfahren zu beachtenden Unschuldsvermutung (Artikel 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) von weiteren als nachstehenden Angaben abgesehen (vergleiche auch Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 5. März 2014, Az.: 2 EO 386/13). Zu 1.: Im Jahr 2017 sind der Thüringer Polizei folgende als antisemitisch bewertete Straftaten bekannt geworden: Delikt Paragraf Tatzeit LPI-Bereich Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a Strafgesetzbuch (StGB) 13.01.2017 Gotha 27.04.2017 Gotha 07.06.2017 Gotha 08.06.2017 Suhl 29.06.2017 Gotha 12.07.2017 Gera 18.08.2017 Suhl 25.08.2017 Erfurt 25.10.2017 Gotha 09.11.2017 Jena Volksverhetzung § 130 StGB 08.01.2017 Jena 21.01.2017 Gera 23.01.2017 Gera 25.01.2017 Suhl 30.01.2017 Saalfeld 04.02.2017 Erfurt 20.02.2017 Erfurt 24.02.2017 Saalfeld 26.02.2017 Erfurt 06.03.2017 Jena 11.03.2017 Gotha 14.03.2017 Erfurt 29.03.2017 Gotha 30.03.2017 Erfurt 16.04.2017 Gera 26.04.2017 Gotha 04.05.2017 Gera 10.05.2017 Gera 12.05.2017 Erfurt 22.05.2017 Suhl 25.05.2017 Gotha 25.05.2017 Jena 29.05.2017 Nordhausen 3 Drucksache 6/6192Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Delikt Paragraf Tatzeit LPI-Bereich 27.06.2017 Jena 31.07.2017 Jena 19.08.2017 Gera 02.09.2017 Nordhausen 11.09.2017 Saalfeld 12.09.2017 Jena 17.09.2017 Saalfeld 24.09.2017 Erfurt 08.10.2017 Suhl 31.10.2017 Erfurt 07.11.2017 Jena 10.12.2017 Gera Beleidigung § 185 StGB 03.05.2017 Nordhausen 10.05.2017 Jena 14.12.2017 Gotha Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener § 189 StGB 21.10.2017 Nordhausen Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 22.03.2017* Jena 09.04.2017* Suhl Bedrohung § 241 StGB 13.04.2017 Erfurt Sachbeschädigung § 303 StGB 06.01.2017 Gera 11.03.2017 Mühlhausen 12.03.2017 Mühlhausen 20.08.2017 Gera 17.09.2017 Jena 04.11.2017 Suhl * Versuch Zu 2.: Alle Delikte wurden dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität -Rechts-" zugeordnet. Zu 3.: Im Jahr 2017 wurden in Thüringen keine Personen bei antisemitischen Straftaten verletzt oder getötet. Zu 4.: Es wird auf die Vorbemerkung und auf die in der Antwort zu den Fragen 7 und 8 genannte Anzahl der Verfahren verwiesen, die im angefragten Zeitraum gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurden, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Zu 5.: Statistiken zu Ordnungswidrigkeiten im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Zu 6.: Antisemitische Straftaten werden als Teil rechtsextremistischer Straftaten bei den Staatsanwaltschaften des Freistaats - quartalsweise - zahlenmäßig erfasst und statistisch ausgewertet. Bei den Staatsanwaltschaften Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen wurden im Jahr 2017 insgesamt 90 Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer Taten eingeleitet, die einen antisemitischen Bezug aufwiesen, und zwar: Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen §§ … StGB § 86 § 86a § 125, § 125a § 130, § 131 § 211, § 212 § 223 ff., § 340 § 306 ff. sonstige Delikte Erfurt 0 4 0 29 0 0 0 8 Gera 1 1 0 25 0 0 0 1 Meiningen 0 3 0 12 0 0 0 1 Mühlhausen 0 0 0 3 0 0 0 2 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6192 Die Einstufung einer Tat als antisemitisch durch die Staatsanwaltschaft muss wegen unterschiedlicher Erfassungskriterien oder des fortgeschrittenen Ermittlungsstandes nicht unbedingt mit der Bewertung durch die Polizei übereinstimmen. Zu 7. und 8.: Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 7 und 8 gemeinsam beantwortet. Die in der Antwort zu Frage 6 genannte Quartalsstatistik umfasst auch die Erledigung der Verfahren und die verhängten Sanktionen. Die Statistik enthält insoweit allerdings nur Aussagen zu den im jeweiligen Zeitraum abgeschlossenen Verfahren. Bei den Staatsanwaltschaften Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen anhängige Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer Taten, die einen antisemitischen Bezug aufwiesen, wurden im Jahr 2017 wie folgt beendet: Staatsanwaltschaft Verfahren Beschuldigte § 170 Abs. 2 StPO* § 170 Abs. 2 StPO** §§ 153ff. StPO*** §§ 45, 47 Jugendgerichtsge - setz*** Verurteilte Freigesprochene sonstige gerichtliche Entscheidung Erfurt 10 14 2 2 2 1 0 Gera 6 5 16 0 0 0 0 Meiningen 1 9 5 0 2 0 1 Mühlhausen 1 3 0 0 2 0 0 * Einstellung durch die Staatsanwaltschaft, da Täter nicht ermittelt ** Einstellung durch die Staatsanwaltschaft (außer Täter nicht ermittelt) *** Einstellung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht Staatsanwaltschaft Verurteilte zu Erziehungsmaß - regeln/Zuchtmitteln zu Geldstrafe zu Jugend- oder Freiheitsstrafe bis 6 Monate mehr als 6 Monate bis 1 Jahr mehr als 1 Jahr bis 2 Jahre mehr als 2 Jahre Erfurt 1 0 0 1 0 0 Gera 0 0 0 0 0 0 Meiningen 0 2 0 0 0 0 Mühlhausen 0 2 0 0 0 0 Weiteres Zahlenmaterial im Sinne der Fragestellungen steht nicht zur Verfügung. Zu 9.: Im Zusammenhang mit den von der Polizei als antisemitisch eingestuften Straftaten wurde im angefragten Zeitraum ein materieller Schaden in Höhe von cirka 7.700 Euro bekannt. Lauinger Minister Antisemitische Überfälle, Leugnung des Holocaust und andere Straftaten im Jahr 2017 in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7. und 8.: Zu 9.: