19.09.2018 Drucksache 6/6200Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 2. Oktober 2018 Schuldenentwicklung und Investitionen der Stadt Jena Die Kleine Anfrage 3211 vom 16. Juli 2018 hat folgenden Wortlaut: In dem von der Ostthüringer Zeitung Jena am 10. Juli 2018 betitelten Artikel "So eine Art Zukunftspakt" führt der neue Oberbürgermeister der Stadt Jena Dr. Thomas Nitzsche aus, dass auf Grund eines erstellten Gutachtens die Stadt Jena ohne entsprechende Wachstumsszenarien Entwicklungsziele nicht wird erreichen können. Dazu benötige es einen "Absichtsbeschluss" des Stadtrates, welcher die Stadtverwaltung zukünftig auf entsprechende Vorlagen orientieren soll. Ich frage die Landesregierung: 1. Was ist kommunalrechtlich ein "Absichtsbeschluss" und welche Binnenwirkung kann dieser bezüglich zukünftiger Vorlagen seitens der Verwaltung entfalten beziehungsweise wie und in welcher Weise bindet ein solcher "Absichtsbeschluss" einen zukünftigen Stadtrat in seinen Beschlüssen (bitte einzeln mit Begründung)? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklungspotentiale der Stadt Jena, wie sie dem Stadtrat Jena in seiner Märzsitzung im Jahr 2018 als "Szenario 2030 - Konzept für die nachhaltige Finanzierung der Stadt Jena" zur Kenntnis gegeben wurden, auch und insbesondere hinsichtlich der den Szenarien zu Grunde gelegten Kennzahlen? 3. Wie hat sich der Schuldenstand der Stadt Jena insgesamt, die Pro-Kopf-Verschuldung und die Verschuldungsquote in Bezug auf die Investitionen in der Stadt Jena vom Jahr 2009 bis zum Jahr 2018 entwickelt und welche Auswirkung hat diese Entwicklung hinsichtlich der Möglichkeiten der Stadt, Landesund /oder Bundesfördermittel zu erhalten (bitte einzeln auflisten nach Jahren und Förderprogrammen)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 18. September 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) kennt den Begriff "Absichtsbeschluss" nicht. Nach § 22 Abs. 3 ThürKO beschließt der Gemeinderat über die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde, soweit er nicht die Beschlussfassung einem beschließenden Ausschuss übertragen hat (§ 26 Abs. 1) oder der Bürgermeister zuständig ist. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Wolf (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6200 Welche Binnenwirkung ein Beschluss des Stadtrates bezüglich zukünftiger Vorlagen seitens der Verwaltung entfaltet beziehungsweise ob, wie und in welcher Weise ein solcher Beschluss einen zukünftigen Stadtrat in seinen Beschlüssen bindet, ist durch eine wertende Betrachtung des konkreten Einzelfalls zu ermitteln. Zu 2.: Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Landesregierung, Ausarbeitungen zu bewerten, die im Rahmen eines kommunalen Meinungsbildungsprozesses erstellt wurden. Die Landesregierung begrüßt selbstverständlich , dass die Stadt Jena im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung Strategien für ihre künftige Entwicklung entwickelt und deren Umsetzbarkeit prüft. Die Stadt Jena ist ein erfolgreicher Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, dessen weitere Entwicklungsperspektiven die Landesregierung grundsätzlich sehr positiv beurteilt. Die in dem konkreten "Szenario Jena 2030 - Konzept für eine nachhaltige Finanzierung der Stadt Jena" dargestellten Kennzahlen bewertet die Landesregierung wie folgt: • Verfahren Für die Erarbeitung der Szenarien wurden zunächst acht Schlüsselfaktoren definiert, die für die Entwicklung der Stadt wesentlich sind, die sich aber in unterschiedlichem Ausmaß auch gegenseitig beeinflussen. Dabei spielt der Faktor Bevölkerungsentwicklung eine wesentliche Rolle, da er auf die übrigen Faktoren (Anzahl Schulkinder, Kinder in KiTa, Beschäftigte am Arbeitsort, Arbeitslose, Einpendler, verfügbares Einkommen , Steuereinnahmen) den größten Einfluss hat. Für jeden dieser Schlüsselfaktoren wurden für die zukünftige Entwicklung jeweils drei Varianten erstellt (Maximal, Mittel und Minimal). Anschließend erfolgte die Einschätzung der damit einhergehenden Folgen für die Entwicklung der Infrastruktur beziehungsweise der Notwendigkeit der Entwicklung der Infrastruktur. Daraus wurden die folgenden vier Szenarien als realistisch abgeleitet: • Szenario a: maximale Entwicklung der Bevölkerung und der Wirtschaftskraft; • Szenario b: die Bevölkerung der Stadt Jena entwickelt sich im derzeitigen Trend, die Wirtschaftskraft entwickelt sich besser als der Trend; • Szenario c: die Stadt Jena entwickelt sich im derzeitigen Trend; • Szenario d: die Entwicklung der Stadt Jena stagniert auf dem derzeitigen Bevölkerungsniveau. Der Bewertungsprozess der zukünftigen Entwicklung der einzelnen Faktoren und der Erarbeitung von Szenarien basiert auf plausiblen mathematischen Methoden. Die Auswirkungen der einzelnen Szenarien auf die Investitionen, die Entwicklung des Vermögens, die Abschreibungen und das Jahresergebnis der umsetzenden Gesellschaften sowie im Endergebnis auf den Haushaltsausgleich der Stadt Jena werden berechnet und beschrieben. Anschließend werden die Folgen der Entwicklung auf der Ebene der städtischen Gesellschaften Eigenbetrieb Kommunale Immobilien Jena (KIJ), Eigenbetrieb Kommunalservice Jena (KSJ), jenawohnen GmbH, Jenaer Nahverkehr GmbH und der Stadtwerke Energie Jena Pößneck GmbH beleuchtet, sowie Auswirkungen auf den städtischen Haushalt abgeleitet. • Auswirkungen der einzelnen Szenarien auf den Haushalt (Einschätzung entsprechend dem Konzept) Einzig im Szenario a würde es kurzfristig zur Überschreitung der bestehenden Kapazitätsgrenzen im Bereich Wohninfrastruktur sowie bei den Schulen und Kindertageseinrichtungen kommen, was zur Notwendigkeit von Erweiterungsinvestitionen führt. Die darüber hinaus intensivere Nutzung durch den Bevölkerungsanstieg führt gegebenenfalls zu früheren Ersatzinvestitionen. In der Entwicklung gemäß Szenario c und d hingegen muss die Stadt Jena spätestens mittelfristig Einsparungen bei den Infrastrukturinvestitionen im Vergleich zu den derzeitigen Ausgaben umsetzen oder sogar über die Reduzierung der Kapazitäten nachdenken. Für die Finanzierung und Einhaltung der Entschuldungsstrategie besteht im Szenario a und b kein Risiko. Für die Entwicklung gemäß der Szenarien c und d hingegen ist, nach Einschätzung der Verfasser der Stu- 3 Drucksache 6/6200Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode die, die dauerhafte Einsparung beziehungsweise das Zurückfahren von Investitionsausgaben geboten, da die Entwicklung der Haushaltslage gegen eine Finanzierung der Investitionen spricht. • Bewertung Die Analyse der Entwicklung der Stadt Jena stützt sich auf einschlägige, fundierte Datengrundlagen (vor allem Stadtverwaltung Jena und Thüringer Landesamt für Statistik). Sowohl die vorhandene kommunale Infrastruktur als auch das Investitionsniveau sind gemessen an der Bevölkerung überdurchschnittlich hoch einzustufen. Jena weist, gemessen an den Schlüsselindikatoren, über die letzten Jahre eine kontinuierliche positive Entwicklung auf. Die Einwohnerzahl stieg in den letzten Jahren von cirka 100.000 auf mehr als 110.000. Nach der 1. regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung wird bis 2035 ein weiterer Anstieg auf 112.000 erwartet . Inklusive der Nebenwohnsitze kann auch die in den Szenarien verwendete Maximalzahl von 120.000 erreicht werden. Das Entwicklungspotential der Stadt ist unter anderem durch die weiterhin positive Entwicklung von Einwohnerzahl und -struktur als sehr gut einzuschätzen. Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, gemessen an der Beschäftigtenzahl, verzeichnete in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Zuwachs von circa 45.000 im Jahr 2000 auf circa 55.000 im Jahr 2017. Entsprechend stieg auch die Zahl der Einpendler von circa 17.000 auf aktuell mehr als 25.000 in diesem Zeitraum an. Eine weitere Zunahme der Beschäftigtenzahlen erscheint insbesondere vor dem Hintergrund des überregionalen Einzugsgebiets der Stadt aufgrund der Universität möglich. Begrenzend für die weitere Entwicklung der Stadt sowohl hinsichtlich der Einwohner- als auch der Beschäftigtenzahlen ist (wie auch im Szenario beschrieben) die Flächenverfügbarkeit sowohl für Wohnen als auch Gewerbe, begründet mit den topografischen Gegebenheiten (Tallage). Die Stadtverwaltung hat daher schon vor der Erarbeitung des Konzepts bestimmt, dass die maximale Einwohnerzahl (Haupt- und Nebenwohnsitz ) bei circa 120.000 Einwohnern liegt. Das ist durchaus realistisch. Grundsätzlich erscheinen die Szenarien b und c am wahrscheinlichsten, da sie den Vorausberechnungen bezüglich der Einwohnerentwicklung des Thüringer Landesamts für Statistik in der 1. regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung sehr nahe kommen. Zu 3.: Die Angaben können den als Anlage beigefügten Tabellen des Thüringer Landesamts für Statistik entnommen werden. Für das Jahr 2018 liegen dem Thüringer Landesamt für Statistik noch keine Daten vor. Belastbare Aussagen hinsichtlich der Möglichkeiten der Stadt Jena, Landes- und/oder Bundesfördermittel zu erhalten, sind anhand der abgefragten Kriterien nicht möglich. Maier Minister 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6200 Anlage 5 Drucksache 6/6200Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6200 Schuldenentwicklung und Investitionen der Stadt Jena Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Anlage