21.09.2018 Drucksache 6/6223Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 9. Oktober 2018 Ermittlungen gegen Fußballfanszene und Betreuer? - nachgefragt Die Kleine Anfrage 3222 vom 1. August 2018 hat folgenden Wortlaut: Auf meine Kleine Anfrage 2367 "Ermittlungen gegen Fussballfanszene und Betreuer?" teilte die Landesregierung in der Drucksache 6/4421 vom 25. August 2017 mit, dass mit Stand 25. Juli 2017 in der Datei "Gewalttäter Sport" insgesamt 279 Personen in Thüringen eingetragen seien und neben der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" keine weiteren Personendatenbanken im Zusammenhang mit der Fußballfanszene geführt würden. Die Bundesregierung teilte auf eine Kleine Anfrage im Bundestag am 15. März 2018 in der Drucksache 19/1223 mit, dass für das Bundesland Thüringen 362 Personen in der Datei "Gewalttäter Sport" erfasst seien. Auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Walk teilte die Landesregierung am 21. März 2018 in der Drucksache 6/5479 mit, dass in Thüringen das sogenannte Problemfanpotenzial auf circa 500 B-Fans (gelegentlich und anlassbezogen zu Gewalttätigkeiten neigend) und etwa 150 C-Fans (gewaltbereit und gezielt Auseinandersetzungen suchend) geschätzt werde. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Personen aus Thüringen sind in der Datei "Gewalttäter Sport" aktuell erfasst? 2. Wie begründet die Landesregierung die voneinander abweichenden Zahlen der in der Datei "Gewalttäter Sport" erfassten Personen in Thüringen von 279 (25. Juli 2017, Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales) zu 362 (15. März 2018, Bundesregierung) beziehungsweise handelt es sich um eine reale Zunahme der erfassten Datensätze? Wenn ja, wie wird diese erklärt, wenn nein, was sind die Gründe für die Differenz? 3. Welche Daten und Merkmale werden in der Datei "Gewalttäter Sport" wie lange von betroffenen Personen aus Thüringen erfasst und bei welchen Voraussetzungen erfolgt durch wen eine derartige Eintragung in die Datei? 4. Inwiefern werden Betroffene derartiger Speicherungen in Thüringen bislang über die Eintragung ihrer personenbezogenen Daten in die Datei "Gewalttäter Sport" benachrichtigt? 5. Inwiefern werden sogenannte Problemfans jeweils in den Kategorien B und C aus Thüringen in Datenbanken erfasst und welche Daten werden dazu durch wen wo erhoben (bitte getrennt nach beiden Kategorien darstellen)? 6. Bei Vorliegen welcher Voraussetzungen werden Personen in Thüringen als sogenannte Problemfans jeweils in der Kategorie B und Kategorie C gezählt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dittes (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6223 7. Wie viele der sogenannten Problemfans aus Thüringen (Kategorie B, Kategorie C) befinden sich auch in der Datei "Gewalttäter Sport" (bitte getrennt nach beiden Kategorien darstellen)? 8. Wenn außer der Datei "Gewalttäter Sport" keine weiteren Datenbanken mit personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der Fußballfanszene geführt werden, wie wird dann durch die Sicherheitsbehörden das Personenpotential der sogenannten Problemfans aus Thüringen (Kategorie B, Kategorie C) ermittelt? 9. Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen Betroffenen zur Verfügung, festzustellen, ob sie in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert sind und die dort gespeicherten Daten auf ihre Richtigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit hin überprüfen und gegebenenfalls löschen zu lassen? 10. In wie vielen Fällen zwischen den Jahren 2013 und 2018 wurden von betroffenen Personen in Thüringen, die in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert waren, Beschwerden eingelegt und wie viele davon waren erfolgreich beziehungsweise endeten mit einer Löschung der Daten (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 19. September 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Erfassung in der Datei "Gewalttäter Sport" erfolgt vereinsbezogen und nicht nach dem Wohnsitz der jeweiligen Person. Insofern können sich unter den erfassten Personen auch Fans aus anderen Bundesländern befinden, die einem Thüringer Fußballverein zugerechnet werden. Eine Nichtberücksichtigung der Personen aus anderen Bundesländern wäre nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung möglich. Von dieser wurde aufgrund der umfangreichen Rechercheerfordernisse abgesehen. Zugleich können aufgrund der vereinsbezogenen Erfassung und fehlender weiterer Recherchemöglichkeiten in der Datei "Gewalttäter Sport" Personen aus Thüringen, die Fans eines Fußballvereins aus einem anderen Bundesland sind, nicht berücksichtigt werden. Unter Beachtung des oben Genannten sind mit Stand vom 13. August 2018 290 Personen, welche als Fans den Thüringer Fußballvereinen zugeordnet werden können, in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert. Zu 2.: Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen wurden in der Antwort an die Bundesregierung alle Personen berücksichtigt, welche im Freistaat Thüringen erfasst und im Weiteren in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert wurden. Vor diesem Hintergrund befinden sich unter den in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeicherten Personen auch Fans der jeweiligen Gastmannschaften, die im Rahmen von Fußballspielen in Thüringen auffällig wurden. Die Antwort an den Thüringer Landtag (Drucksache 6/4421) bezog sich dagegen auf die Fans, welche Thüringer Vereinen zugeordnet werden konnten. Auf die Antwort zu Frage 1 wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Im Übrigen unterliegt die in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeicherte Anzahl von Personen aufgrund laufender Erfassungen und Löschungen einer ständigen Veränderung. Zu 3.: Von den Betroffenen werden folgende Daten und Merkmale erfasst: 1. Personendaten a) rechtmäßige Personalien/Führungspersonalien: • Familienname/Ehename • Geburtsnamen • Vorname(n) • Sonstige Namen (zum Beispiel Geschiedenen-Verwitweten-/Alias-/Deck-/Spitz-/Künstler-/Genanntoder früherer Name) • akademischer Grad • Geburtsdatum 3 Drucksache 6/6223Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode • Geburtsort/-kreis • Geburtsland • Geschlecht • Staatsangehörigkeit • Ergänzung zu Staatsangehörigkeit/Geburtsland/Volkszugehörigkeit • Sterbedatum • Sondervermerk (die Personalien betreffende Besonderheiten in freier Form) b) andere Personalien: • Familienname/Ehename • Geburtsname • Vorname(n) • Sonstiger Name • Spitzname • akademischer Grad • Geburtsdatum • Geburtsort/-kreis • Geburtsland • Geschlecht • Staatsangehörigkeit • Ergänzung zu Staatsangehörigkeit/Geburtsland/Volkszugehörigkeit • Sondervermerk (ergänzende Angaben in freier Form zu den anderen Personalien) 2. Personengebundene Hinweise: • bewaffnet • gewalttätig • Ausbrecher • Ansteckungsgefahr • Psychische- und Verhaltensstörungen • BTM-Konsument • Freitodgefahr • Explosionsgefahr • Rocker • Intensivtäter Sport • Reichsbürger • Sondervermerk (ergänzende Angaben in freier Form zu den oben angegebenen personengebundenen Hinweisen) 3. Personenbeschreibung: • Gestalt • Größe/Art der Feststellung • Gewicht • scheinbares Alter • äußere Erscheinung • körperliche Merkmale • Tätowierungen • Schuhgröße • Stimme/Sprachmerkmale • Mundart • Fremdsprachen • andere personenbezogene Merkmale • Lichtbild • Aktenführende Dienststelle • Sondervermerk (ergänzende Angaben in freier Form zur Personenbeschreibung) 4. Zusätzliche Personeninformationen: • erlernter Beruf • ausgeübte Tätigkeit • spezielle Kenntnisse/Fertigkeiten 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6223 • kriminologische Kurzbezeichnung • letzte(r) Aufenthaltsort(e) • Extrapol-Ausschreibung • Angaben zur Gruppenzugehörigkeit (Name der Gruppe, Funktion in der Gruppe, Sitz der Gruppe) • Vereinszugehörigkeit • Angaben zu bestehenden Auflagen, Verboten, Hinweisen, • Sondervermerk (ergänzende Angaben in freier Form und zur Gruppe) Die Aussonderungsfrist der Daten beträgt für Erwachsene und Jugendliche grundsätzlich fünf Jahre (je nach Zweck, Art und Schwere des Delikts). Bei Kindern darf die Aussonderungsprüffrist zwei Jahre nicht überschreiten. Voraussetzungen zur Erfassung von Personen in der Datei "Gewalttäter Sport" sind folgende Anlässe, welche im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen stehen müssen: a) eingeleitete und abgeschlossene Ermittlungsverfahren sowie rechtskräftige Verurteilungen in den Fällen: • Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen Leib und Leben oder fremde Sache mit der Folge eines nicht erheblichen Schadens • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) • gefährliche Eingriffe in den Verkehr (§§ 315 ff. StGB) • Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB) • Nötigung (§ 240 StGB) • Verstöße gegen das Waffengesetz • Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz • Landfriedensbruch (§§ 125, 125a, 126 Abs. 1 Nr. 1 StGB) • Hausfriedensbruch (§§ 123, 124 StGB) • Gefangenbefreiung (§ 120 StGB) • Diebstahl- und Raubdelikte (§§ 242 ff. 249 ff. StGB) • Missbrauch von Notrufeinrichtungen (§ 145 StGB) • Handlungen nach § 27 Abs. 2 Versammlungsgesetz (oder einer vergleichbaren Rechtsnorm der Länder) • Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) • Volksverhetzung (§ 130 StGB) • Beleidigung (§ 185 StGB) • Bedrohung (§ 241 StGB) b) Personalienfeststellungen, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen, die zur Verhinderung anlassbezogener Straftaten angeordnet wurden, weil bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Betroffene anlassbezogene Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden. c) Sicherstellungen beziehungsweise Beschlagnahmen von Waffen oder anderer gefährlicher Gegenstände (soweit die Erfassung in der Datei nicht schon wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz erfolgte), wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Betroffene sie bei der Begehung anlassbezogener Straftaten verwenden wollen. d) Anordnung von präventiv polizeilichen Maßnahmen (Meldeauflagen, Bereichsvertretungsverbote, Beförderungsausschlüsse sowie Maßnahmen nach dem Pass-/Personalausweisgesetz) für die Dauer der Maßnahme. Die Eingabe der zu speichernden Daten von Personen erfolgt durch: • die Polizeibehörde/-dienststelle, in deren Zuständigkeitsbereich der speicherungswürdige Sachverhalt festgestellt wurde (Tatortprinzip), • weitere Polizeibehörden nach Festlegung auf Landesebene, • die Landesinformationsstellen Sporteinsätze, • die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze, • Sachverhalte aus dem Aufgabenbereich der Bundespolizei durch die zuständigen Bundespolizeidienststellen oder • bei Übermittlung von Sachverhalten und Erkenntnissen von ausländischen Polizeibehörden durch die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze. 5 Drucksache 6/6223Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Es wurden bislang keine Personen über die Speicherung ihrer personenbezogenen Daten in der Datei "Gewalttäter Sport" benachrichtigt. Zu 5.: Die Kategorisierung von Personen nach B oder C stellt kein Erfassungskriterium in der Datei "Gewalttäter Sport" dar. Darüber hinaus gibt es keine Datenbanken, in den der genannte Personenkreis erfasst wird. Zu 6.: Eine Einteilung der Fußballfans in die Kategorien B und C erfolgt grundsätzlich durch die zuständigen Szenekundigen Beamten beziehungsweise die zuständigen Beamten der jeweiligen Polizeidienststelle. Die Fans der Kategorie B neigen gelegentlich und anlassbezogen zu Gewalttätigkeiten. Zur Kategorie C werden Personen gezählt, welche gewaltbereit sind und gezielt Auseinandersetzungen suchen. Die Einschätzung stützt sich im Wesentlichen auf: • die durch die Personen begangenen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten (Delikt, Art und Schwere, Wiederholungstäter, Einzeltäter oder aus dem Gruppenkontext handelnd), • das Verhalten der Personen bei Fußballspielen im Allgemeinen, • die Gruppenzugehörigkeit, • die Stellung innerhalb der Gruppe sowie dem Verhalten gegenüber • gegnerischen Fans, • anderen Fans, • Polizeibeamten, • Ordnerdiensten, • anderen in das Sportereignis involvierte Institutionen (Presse, Vertretern anderer Vereine, Verbände, Feuerwehr, Rettungsdienste, Caterer und so weiter). Die Einschätzungen beruhen einerseits auf jahrelange Erfahrung, anderseits auf einer ständigen Beobachtung und Analyse der Fußballfanszene. Zu 7.: Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Zu 8.: Vor jeder neuen Spielsaison werden sogenannte Informationspakete über relevante Fangruppierungen, deren bisheriges Verhalten sowie das Fanverhältnis zu Fangruppen anderer Vereine für den Informationsaustausch erstellt. Dabei werden auch die polizeilichen Erkenntnisse über die Anzahl der Mitglieder der relevanten Fangruppierungen sowie deren Kategorisierung benannt. Daraus ergeben sich die jeweiligen Zahlenangaben zu den Problemfans. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Zu 9.: Die Betroffenen können auf Antrag Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, den Zweck und die Rechtsgrundlage der Speicherung erhalten. Die Auskunftserteilung an den Betroffenen richtet sich nach § 57 Bundesdatenschutzgesetz. In der Errichtungsanordnung zur Datei "Gewalttäter Sport" ist unter anderem festgelegt, dass unrichtige Daten zu berichtigen sind. Darüber hinaus müssen Daten, welche nicht mehr erforderlich oder deren Erhebung oder Speicherung unzulässig ist, gelöscht werden. Gegen eine Speicherung der personenbezogenen Daten selbst steht den Betroffenen der Rechtsweg offen. 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6223 Zu 10.: Beschwerden durch Betroffene, welche in der Datei "Gewalttäter Sport" erfasst sind, liegen für den oben genannten Zeitraum nicht vor. Gleichwohl gingen im Kalenderjahr 2015 vier Anträge mit Fußballbezug auf Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten ein. Den Antragstellern wurde Auskunft entsprechend den rechtlichen Bestimmungen erteilt. Maier Minister Ermittlungen gegen Fußballfanszene und Betreuer? - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: