12.11.2018 Drucksache 6/6429Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. November 2018 Dörfer in Thüringen Die Kleine Anfrage 3384 vom 2. Oktober 2018 hat folgenden Wortlaut: Auch im Zeitalter der Städte zieht es die Menschen nicht nur in Großstädte; viele bleiben bewusst auch in ländlichen Räumen verwurzelt, ob dauerhaft oder als Pendler. Das Dorf als Siedlungsform steht dabei nach wie vor in besonderer Weise für das Leben auf dem Land. Trotz eines steten Wandels der Lebenssituationen und Siedlungsstrukturen lebt mehr als die Hälfte der Einwohner Deutschlands in Dörfern in ländlichen Räumen. Auch Thüringens Siedlungsstruktur ist geprägt von Dörfern. Sie sind entscheidender Bestandteil der in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaft sowie wichtige Siedlungs- und Lebensräume. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff "Dorf" in Thüringen? 2. Wie viele Dörfer gibt es nach der Definition der Landesregierung in Thüringen? 3. Wie viele Einwohnerinnen und Einwohner in Thüringen wohnen in Dörfern? 4. Welche Dörfer verzeichneten in den vergangenen zehn Jahren einen Einwohnerzuwachs? 5. In welchen Altersgruppen sind diese Einwohnerzuwächse zu verzeichnen und was sind aus Sicht der Landesregierung die Gründe für diese Entwicklungen? 6. Welchen Stellenwert hat die Entwicklung der Dörfer in den ländlichen Räumen in der Landespolitik insgesamt und wie schlägt sich dies konkret nieder (zum Beispiel in Konzepten, Kabinettsthemen, interministeriellen Arbeitsgruppen, innerhalb der Raumordnung et cetera)? 7. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu dem in anderen Bundesländern verfolgten Ansatz, Dorfmoderatoren zu etablieren, um die Bürgerschaft in Dörfern stärker in die Gestaltung des demografischen Wandels und die lokalen Prozesse der Daseinsvorsorge einzubeziehen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gentele (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6429 Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 8. November 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eine Definition des Begriffs "Dorf" ist in Thüringen nicht bekannt. Die Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung - ThürKO -) bezieht sich auf der untersten Ebene auf den Begriff Gemeinde (wozu auch die Städte gehören) beziehungsweise auf Ortsteile von diesen. Das heißt, dass ein im umgangssprachlichen Sinne als "Dorf" zu verstehendes zusammenhängendes Siedlungsgebiet - mit früher zumeist überwiegend agrarstruktureller Prägung - heute in der Regel Bestandteil einer Gemeinde ist. In Thüringen gibt es keine amtliche Statistik zu Orten beziehungsweise "Dörfern". Das Landesamt für Statistik führt beziehungsweise zählt als kleinste Einheit die Gemeinden. Zu 2. bis 5.: Zu den Fragen 2, 3, 4 und 5 ist der Landesregierung wegen der in der Antwort zu Frage 1 getroffenen Feststellung keine Antwort möglich. Zu 6.: Im Zuständigkeitsbereich der Raumordnung wird der Entwicklung des ländlich geprägten Raums und damit insbesondere der Perspektive der "Dörfer" im Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025 (LEP 2025) und in den darauf basierenden Regionalplänen der vier Planungsregionen ein hoher Stellenwert zuerkannt. Bei der Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse, der Sicherung der Daseinsvorsorge in allen Landesteilen sowie in Bezug auf den dauerhaften territorialen Zusammenhalt Thüringens übernehmen die umgangssprachlich genannten "Dörfer" wichtige Aufgaben. Sie tragen als attraktive Wohn- und Arbeitsorte neben den Städten erheblich dazu bei, ländlich geprägte Räume als eigenständige Lebens- und Wirtschaftsräume zu erhalten und zu stärken. Der Erhalt der Thüringer Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt und Maßstäblichkeit von Siedlung und Freiraum sowie die Weiterentwicklung der regionalen Identität und Wirtschaftskraft wird in engem Zusammenhang mit der künftigen Entwicklung unserer "Dörfer" gesehen. Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Erfordernisse aus der Raumordnung aus dem Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025 und den Regionalplänen obliegt der Regionalentwicklung. Dafür wird seit dem Jahr 1994 die Erarbeitung, Aktualisierung beziehungsweise Fortschreibung und die Umsetzung sogenannter Regionaler Entwicklungskonzepte (REK) durch den Freistaat Thüringen unterstützt . Für die Erarbeitung und Umsetzung schließen sich die beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften , worunter sich häufig auch kleinere Gemeinden und umgangssprachlich genannte Dörfer befinden, zu einem Verbund zusammen. Ziel der Regionalen Entwicklungskonzepte ist es, analysierte Entwicklungspotenziale auszuschöpfen und somit die Region hinsichtlich ihrer Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Des Weiteren sollen strukturelle Probleme, welche in den in der Region angesiedelten Gemeinden auftreten, weitestgehend gemindert werden. Die Maßnahmen, welche aus den festgelegten Entwicklungszielen und Handlungsfeldern abgeleitet und anschließend umgesetzt werden, haben Einfluss auf die gesamte Region, sodass auch kleinere Gemeinden und "Dörfer", welche durch das Regionale Entwicklungskonzept mit einbezogen werden, profitieren können . Oftmals sind REK´s auch konkret darauf ausgerichtet, zur Minderung der Probleme in kleineren Gemeinden und "Dörfern" beizutragen. Beispielsweise soll dem demografischen Wandel entgegengewirkt und eine Steigerung der Attraktivität der "Dörfer" für Jugendliche herbeigeführt werden, sodass diese in ihrer jeweiligen Gemeinde verbleiben und die Abwanderung in die Großstädte abnimmt. Die Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es, für gute und verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Dazu gehören unter anderem die Fördermöglichkeiten der "Integrierten ländlichen Entwicklung" (ILE). Die Landesregierung folgt dabei dem Ansatz, das Land vom "Dorf" aus zu denken. Im Mittelpunkt steht dabei eine stabile und zukunftsfähige öffentliche Daseinsvorsorge in vielen Bereichen. Dazu gehört Mobilität genauso wie Pflege, Bildung und Kommunikation. Gemeinsam mit den Akteuren vor Ort schaffen Förderprogramme der Integrierten ländlichen Entwicklung nachhaltige Veränderungen. Thüringen setzt dabei die Gestaltungsräume in dem Rahmen, den die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes vorgibt, sehr weitgehend um. So werden seit 2018 die neuen Fördermaßnahmen Kleinstunternehmen der Grundversorgung und Einrichtungen für lokale Basisdienstleistungen angeboten. Die konzeptionellen Grundlagen für den integrierten Entwicklungsansatz werden auf kommunaler Ebene in Form von Plänen zur Entwicklung ländlicher Gemeinden gelegt. Bei der LEADER-Methode erstellen die Regionalen Aktionsgruppen Entwicklungsstrategien. Die Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) 3 Drucksache 6/6429Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode entsprechen per Gesetz dem Anspruch des integrativen und sektorenübergreifenden Entwicklungsansatzes für die ländlichen Räume. Sie schaffen oftmals erst die Voraussetzungen für Investitionen im Rahmen der Dorfentwicklung und der Förderung ländlicher Infrastrukturmaßnahmen. Im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) hat die Entwicklung der "Dörfer" einen hohen Stellenwert. Neben den regulären Förderprogrammen im Bereich der Landentwicklung schafft das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft zusätzliche Anreize, damit die "Dörfer" und damit der ländliche Raum insgesamt gestärkt werden. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft", in welchem das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft das Engagement und die Ideen der teilnehmenden Dörfer bereits seit 2014 aktiviert, unterstützt und honoriert. Die Durchführung des Wettbewerbs in Thüringen ist ein bundesweit beachtetes Bekenntnis zum ländlichen Raum Thüringens, da der Wettbewerb vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausgeschrieben wird und der Schirmherr der Bundespräsident ist. Im Übrigen wird der hohe Stellenwert, den die Landesregierung den Gemeinden und damit auch den Dörfern beimisst, auch an den Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Strukturen deutlich. Kommunale Neugliederungen, die derzeit auf freiwilliger Grundlage durchgeführt werden, dienen insbesondere der Steigerung der Leistungs- und Verwaltungskraft der Gemeinden des Landes Thüringen. Die Gemeinden sollen dauerhaft in der Lage sein, ihre Aufgaben sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen sowie ein tragfähiges Fundament für die demokratische Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger bilden. Zu 7.: Die Dorfmoderation zur Begleitung von Veränderungsprozessen auf örtlicher Ebene ist in Thüringen bereits erfolgreich etabliert. Die Begleitung und Umsetzung erfolgt über die fortgeschriebene Richtlinie zur Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung und der Revitalisierung von Brachflächen (veröffentlicht im Thür- StAnz Nr. 20/2018, S. 571- 582). Vorhaben zur Dorfmoderation können dabei über einen separaten Fördergegenstand unter der Teilmaßnahme "Dorferneuerung und -entwicklung" gefördert werden. Neben einer umfassenden Beteiligung und Aktivierung der Bürgerinnen und Bürger kommt der Entwicklung der sozialen Infrastrukturen und der Daseinsvorsorge im Zusammenhang mit der Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen eine entscheidende Bedeutung zu. Dazu ist die Dorfmoderation als Baustein der sozialen Dorfentwicklung initiiert worden. Ein Hauptmerkmal der Sozialen Dorfentwicklung ist die achtsame Neu- und Umgestaltung räumlicher und gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse . Ziel ist es dabei, Veränderungen anzunehmen, Ressourcen zu erkennen und Aktivitäten zielorientiert und effizient zu organisieren. Keller Ministerin Dörfer in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2. bis 5.: Zu 6.: Zu 7.: