07.12.2018 Drucksache 6/6550Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. Dezember 2018 Kriminalität in der Stadt Gotha Die Kleine Anfrage 3406 vom 16. Oktober 2018 hat folgenden Wortlaut: Die Stadt Gotha machte in den letzten Monaten mit diversen Straftaten, darunter politisch motivierte Straftaten ("Rechtsextreme schänden jüdischen Gedenkstein", Spiegel Online vom 8. Oktober 2018), Schlägereien zwischen Deutschen und Asylbewerbern im Mai und August dieses Jahres ("Massenschlägerei in Gotha", MDR Online-Artikel vom 25. Mai 2018 und "Schlägerei zwischen Deutschen und Ausländern in Gotha ", Süddeutsche Zeitung, Online-Artikel vom 27. August 2018) und der bundesweiten Razzia gegen die Organisierte Kriminalität im April dieses Jahres, bei der unter anderem Gebäude in Nordhausen und Gotha durchsucht wurden, überregional Schlagzeilen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie entwickelte sich das Kriminalitätsgeschehen im Zeitraum von 2014 bis 2017 in der Stadt Gotha? 2. Welche diesbezüglichen Entwicklungen zeichnen sich für das Jahr 2018 ab? 3. Welche deliktischen Schwerpunkte - einschließlich der Staatsschutzdelikte - kennzeichnen die Entwicklung in den Jahren 2014 bis 2017? 4. Wie stellt sich die Entwicklung im Zeitraum von 2014 bis 2017 in der Stadt Gotha zu folgenden Kenngrößen dar: Häufigkeitszahl, Tatverdächtigenbelastungszahl sowie Aufklärungsquote? 5. Wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung? 6. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich der Durchsuchungen von Gebäuden in der Stadt Gotha im Rahmen der bundesweiten Razzia gegen die Organisierte Kriminalität im April dieses Jahres vor? 7. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich Nationalität, Alter und Verbleib der laut Medienberichten ("Bundesweiten Razzia gegen die Organisierte Kriminalität - Durchsuchungen in Gotha und Nordhausen" Thüringer Allgemeine, Online-Artikel vom 18. April 2018) vier illegal eingereisten Personen vor, die im Rahmen der bundesweiten Razzia in Gotha festgestellt worden sind? 8. Wie schätzt die Landesregierung die Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität für die Stadt Gotha im Speziellen und für Thüringen im Allgemeinen ein? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Rosin (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6550 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das Kriminalitätsgeschehen für die Jahre 2014 bis 2017 entwickelte sich in der Stadt Gotha, wie nachfolgend tabellarisch dargestellt. Jahr Fallzahlen gesamt Aufklärungsquote (AQ) Tatverdächtige Gesamtzahl nichtdeutsche Tatverdächtige in Prozent 2014 4.650 64,2 2.012 12,4 2015 4.804 65,2 2.268 20,7 2016 5.556 68,1 2.472 22,2 2017 4.904 65,3 2.212 23,7 Zu 2.: Im Vergleich zum Vorjahr ist nach dem Stand der derzeit erfassten Fälle in der Polizeilichen Kriminalstatistik eine leicht rückläufige Entwicklung der Fallzahlen zu erwarten. Der Anteil ausländischer Tatverdächtiger ist tendenziell mit dem Vorjahr vergleichbar. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Polizeilichen Kriminalstatistik um eine Jahresstatistik handelt, sind Verschiebungen, rein aus Gründen der Erfassungstätigkeit , nicht auszuschließen. Zu 3.: Deliktische Schwerpunkte in der Stadt Gotha - ohne Staatsschutzdelikte - liegen primär in den Bereichen Vermögens- und Eigentumskriminalität. Dominierend sind hierbei der einfache Diebstahl sowie der Betrug. Darüber hinaus sind auch die Fallzahlen im Bereich der sogenannten Rohheitsdelikte, insbesondere bei Körperverletzungsdelikten nicht unerheblich. Delikt 2014 Fälle 2015 Fälle 2016 Fälle 2017 Fälle Vermögens- und Fälschungsdelikte 999 965 1.106 884 davon Betrug 851 809 910 706 Diebstahl insgesamt 1.487 1.574 1.587 1.493 davon einfacher Diebstahl 904 990 1.057 1.022 davon BSD* 583 584 530 471 Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit 675 719 803 765 davon Körperverletzung 518 535 581 563 * BSD - besonders schwerer Fall des Diebstahls Schwerpunkte im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) sind die Delikte - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - gemäß § 86a Strafgesetzbuch (StGB), gefolgt von Sachbeschädigungsdelikten gemäß §§ 303 und 304 StGB sowie Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Delikt 2014 Fälle 2015 Fälle 2016 Fälle 2017 Fälle Gesamtzahl PMK 53 95 82 62 § 86a StGB 36 44 44 37 §§ 303, 304 StGB 7 19 10 15 § 130 StGB 6 8 8 3 3 Drucksache 6/6550Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Die gefragten Kenngrößen, bezogen auf die Gesamtkriminalität, wurden in der nachfolgenden Übersicht nach Jahren aufgeschlüsselt. 2014 2015 2016 2017 Einwohnerzahl 44.325 44.682 45.410 45.172 Aufklärungsquote in Prozent 64,2 65,2 68,1 65,3 Häufigkeitszahl 10.491 10.752 12.235 10.856 Tatverdächtigenbelastungszahl 4.854 5.414 5.845 5.270 Für den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität liegen keine statistischen Angaben im Sinne der Fragestellung vor. Zu 5.: Für die Stadt Gotha sind weder in der Gesamtsicht noch in einzelnen Straftatengruppen signifikante Steigerungen der Fallzahlen zu verzeichnen. Im Berichtszeitraum war das Jahr 2016 mit höheren Fallzahlen herausragend. Hierfür sind Erfassungsgründe innerhalb der Statistik ursächlich. Der steigende Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen ab dem Jahr 2015 ist mit der Migrationssituation allgemein zu erklären. Der Landkreis Gotha gehört zu den wirtschaftlich stärksten Regionen Thüringens. Hieraus resultieren besondere Anreizstrukturen für potentielle Täter. Zudem sind durch die Lage der Stadt unter anderem durch die unmittelbare Nähe zur Bundesautobahn 4 besondere Tatgelegenheitsstrukturen gegeben. In der Thüringer Gesamtbetrachtung befindet sich Gotha dennoch im unteren Mittelfeld. Zu 6.: Am 18. April 2018 führte die Bundespolizeidirektion Koblenz/Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Bexbach mit Sitz in Frankfurt am Main bundesweite Einsatzmaßnahmen im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main durch. Nach hier vorliegenden Informationen lag diesen Maßnahmen ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern, Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung von Prostituierten, der Zuhälterei , des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie der Steuerhinterziehung zugrunde. Insgesamt wurden in zwölf Bundesländern gleichzeitig zahlreiche Wohn- und Geschäftsräume, darunter Bordelle beziehungsweise Massagesalons durchsucht. In einem Gothaer Objekt wurden insgesamt vier thailändische Staatsbürger, darunter drei Frauen und ein Mann festgestellt, die sich offensichtlich ohne erforderliche Aufenthaltsdokumente in Deutschland aufhielten und hier der Prostitution nachgingen. In die Maßnahmen der Bundespolizei war die Thüringer Landespolizei nicht eingebunden. Zu 7.: Zum Stand der Ermittlungen sowie zu den Tatverdächtigen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 8.: Organisierte Kriminalität (OK) war und ist kein fassbarer Straftatbestand, sondern das Ergebnis kriminologischer und kriminalistischer Bewertungen einer bestimmten Qualität der Begehung und Organisation von Straftaten. Sie unterscheidet sich deliktisch nicht von "normaler" Kriminalität, sondern durch ihre Ziele, Methoden und Strukturen. Die besondere Gefährlichkeit der Organisierten Kriminalität für den Staat und die Gesellschaft ergibt sich aus der planmäßigen Begehung von Straftaten vor dem Motivhintergrund des Strebens nach Macht, politischem Einfluss und Gewinn. OK-Ermittlungskomplexe werden in Thüringen in der Regel durch Fachdienststellen im Landeskriminalamt Thüringen bearbeitet und sind, von Wirtschafts- und Umweltkriminalität abgesehen, fast ausschließlich bei der Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität der Staatsanwaltschaft Gera anhängig. Die Stadt Gotha bildete bislang keinen Schwerpunkt im Rahmen der geführten OK-Ermittlungen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6550 Im Fokus der Thüringer Polizei standen in den vergangenen Jahren insbesondere - Ermittlungen im Rockermilieu im Zusammenhang mit dem Hells Angels MC in Erfurt und dem Bandidos MC in Jena (Weimar), - Ermittlungen gegen die rockerähnliche Gruppierung "Saat des Bösen" wegen Raub- und Erpressungsstraftaten , schwerer Körperverletzung, Verstoßes gegen das Waffengesetz, Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und Eigentumskriminalität im Bereich Südthüringen sowie - Ermittlungen gegen eine Nordthüringer Tätergruppierung, welche sich auf Diebstahl und Hehlerei spezialisiert hatte. Derzeit werden intensive Anstrengungen zur Bekämpfung der Russisch Eurasischen Organisierten Kriminalität (REOK) mit Schwerpunkt in Erfurt unternommen. Im bundesweiten Vergleich ist Thüringen kein Schwerpunkt der Organisierten Kriminalität. Fest steht aber, dass sich auch hier bestimmte OK-Strukturen dauerhaft etabliert haben. Von einer akuten Bedrohungslage kann aufgrund der aktuellen Erkenntnislage nicht gesprochen werden. Die Landesregierung beobachtet die Entwicklung jedoch mit der erforderlichen Wachsamkeit und dem Ziel, derartige Strukturen frühzeitig zu erkennen und mit allen rechtlichen Möglichkeiten zu zerschlagen. Maier Minister Kriminalität in der Stadt Gotha Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: