18.01.2019 Drucksache 6/6677Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. Januar 2019 Aufführung des Dokumentarfilms "Wildes Herz" als Auftaktveranstaltung der "Schul- KinoWoche Thüringen" Die Kleine Anfrage 3523 vom 26. November 2018 hat folgenden Wortlaut: Bis heute ist der Beutelsbacher Konsens geltender Standard für den politisch-historischen Unterricht an allen Schulen, welcher drei Grundsätze der politischen Bildung formuliert: Überwältigungsverbot (auch Indoktrinationsverbot genannt), Kontroversitätsgebot und Interessenlage der Schüler. Das Kontroversitätsgebot sagt dabei aus: "Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen ." Eng mit dem Kontroversitätsgebot ist das Überwältigungsverbot verbunden: "Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der 'Gewinnung eines selbstständigen Urteils' zu hindern." Darüber hinaus sagt das Thüringer Schulgesetz in § 34 Abs. 2 aus, dass jede einseitige Unterrichtung und Information der Schüler unzulässig ist. Das Projekt "SchulKinoWoche Thüringen/Sachsen-Anhalt" wird von der VISION Kino-Netzwerk für Filmund Medienkompetenz in Kooperation mit der Deutschen Kindermedienstiftung Goldener Spatz veranstaltet und findet in Zusammenarbeit und mit Unterstützung unter anderem der Kultusministerien der Länder Thüringen und Sachsen-Anhalt, der Thüringer Staatskanzlei, des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, der Thüringer Landesmedienanstalt, der Landeszentralen für politische Bildung Thüringen und Sachsen-Anhalt statt. Ziel der "SchulKinoWochen" sei unter anderem, "... das Kino als Ort der kulturellen Bildung (zu) etablieren." In den Mittelpunkt wurde in diesem Jahr das Thema "Was ist Heimat?" gestellt und zum Auftakt der Thüringer "SchulKinoWoche" lief der Film "Wildes Herz", ein Dokumentarfilm , der den Frontmann der linken Punkband "Feine Sahne Fischfilet" auf einer Tour mit seiner Band porträtiert. Die Band "Feine Sahne Fischfilet" fiel nicht zuletzt dem Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern durch linksextremistischen Hass, Hetze und Aufruf zu Gewalt gegen Polizisten und den Staat auf. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Art der Zusammenarbeit und Unterstützung erfuhr der Veranstalter durch die oben aufgeführten Thüringer Stellen? 2. Was bewegte nach Kenntnis der Landesregierung den Veranstalter, unter der Schwerpunktsetzung "Was ist Heimat?" den Dokumentarfilm über eine umstrittene linke Punkband als Auftakt in das Programm zu nehmen? Welche Sichtweise von "Heimat" soll nach Kenntnis der Landesregierung mit der Aufführung dieses Films vermittelt werden und in welcher Art und Weise passen die durch die Band "Feine Sahne Fischfilet" vermittelten Inhalte zur thematischen Ausrichtung der Veranstaltung? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6677 3. Wie beurteilt die Landesregierung den kulturellen und pädagogischen "Wert" des Dokumentarfilms "Wildes Herz" an sich und im Zusammenhang mit der Veranstaltung der "SchulKinoWoche Thüringen" und wie begründet sie ihre Antwort? 4. Werden nach Einschätzung der Landesregierung im Zusammenhang mit der Aufführung des Dokumentarfilms "Wildes Herz" extremistische beziehungsweise demokratiefeindliche Positionen im Rahmen der Schulbildung vermittelt oder die Schüler einseitig politisch indoktriniert und wie begründet sie ihre Auffassung ? 5. Kommt es im Hinblick auf die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens mit der alleinigen Aufführung des Dokumentarfilms "Wildes Herz" als Auftaktveranstaltung der "SchulKinoWoche Thüringen" aus Sicht der Landesregierung zur Reduktion der Kontroverse beziehungsweise wird hier die Kontroversität von den Machern möglicherweise umgangen, indem die aufgefächerte Behandlung unterschiedlicher Perspektiven stark vernachlässigt wird und wie begründet die Landesregierung ihre Antwort? 6. Wie wurde programmatisch sichergestellt, dass verschiedene politische Positionen im Rahmen der "Schul- KinoWoche Thüringen" gleichwertig entsprechend den Grundsätzen des Beutelsbacher Konsens gegenüber gestellt werden sowie im Sinne des § 34 Abs. 2 Thüringer Schulgesetz eine einseitige Unterrichtung und Information der Schüler ausgeschlossen ist und wie begründet die Landesregierung ihre Antwort? 7. Wie wird vor dem Hintergrund der Aufführung eines Dokumentarfilms über eine linke Punkband im Rahmen des Schulunterrichts auch im Hinblick auf deren Vorbildfunktion sichergestellt, dass Jugendliche, die im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren ihre politischen Überzeugungen und Ansichten ausprägen, nicht einseitig informiert werden und wie begründet die Landesregierung ihre Antwort? 8. Wie soll politische Bildung nach Auffassung der Landregierung mit extremistischen und demokratiefeindlichen Positionen umgehen (bitte vor dem Hintergrund der Aufführung des Dokumentarfilms "Wildes Herz" als Auftaktveranstaltung der "SchulKinoWoche Thüringen" begründen)? 9. Welchen Stellenwert nimmt der Linksextremismus im Kontrast zum Rechtsextremismus in der politischen und historischen Bildung in den Thüringer Schulen ein und wie begründet die Landesregierung ihre Antwort? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 17. Januar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung unterstützt die SchulKinoWoche regelmäßig, indem vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung , Lehrplanentwicklung und Medien eine Lehrerfortbildung zur allgemeinen Filmbildung angeboten wird. Der Dokumentarfilm "Wildes Herz" wurde in der Fortbildung nicht thematisiert. Die Landesregierung beteiligt sich nicht an der Auswahl der Filme für die SchulKinoWoche, gibt auch keinerlei Empfehlungen und bewirbt diese Woche auch nicht. Zudem ist der Veranstalter Partner im Medienkompetenznetzwerk Thüringen. Die Zusammenarbeit mit Akteuren im Medienkompetenznetzwerk Thüringen ist im Bereich der Medienbildung unerlässlich, um diverse Expertisen und Synergien zu nutzen. Zu 2.: Die Filmauswahl für die SchulKinoWoche in Thüringen trifft das Netzwerk "Vision Kino" in Kooperation mit der Deutschen Kindermedienstiftung Goldener Spatz. Der preisgekrönte Dokumentarfilm "Wildes Herz" wurde durch die Deutsche Film- und Medienbewertung als "besonders wertvoll" bewertet. Schwerpunkt der SchulKinoWoche 2018 war das Thema Heimat. Alle gezeigten Filme haben einen Bezug zu diesem Thema. Zu 3. und 4.: Im Rahmen der SchulKinoWoche werden Filme nicht nur vorgeführt. Sie sind vielmehr Gegenstand einer unterrichtlichen Vor- und Nachbereitung, für die entsprechendes pädagogisches Begleitmaterial zur Verfügung steht, anhand dessen eine kritische Reflexion stattfindet. Die Diskussion über das Für und Wider sowie über die verschiedenen Aspekte des filmischen Inhalts ist ausdrücklich erwünscht. 3 Drucksache 6/6677Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zusätzlich dazu werden Filmvorführungen teilweise auch von Medienpädagoginnen/Medienpädagogen beziehungsweise Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern begleitet. Zu 5.: Der "Beutelsbacher Konsens" beinhaltet das Überwältigungsverbot sowie die Pflicht, kontroverse Inhalte als solche zu vermitteln. Dieser Grundsatz hat hier Berücksichtigung gefunden. Politik und politisch kontroverse Diskussionen sind gewollte und gesetzmäßige Inhalte schulischen Unterrichts. Denn es gehört zum Auftrag von Schule, junge Menschen auf ihre aktive Teilhabe in einem freiheitlichen demokratischen Staat vorzubereiten und sie zu befähigen, darin Verantwortung zu übernehmen. Diesem Auftrag entsprechen Schulen nach Auffassung der Landesregierung, wenn im Rahmen des Unterrichts der Dokumentarfilm "Wildes Herz" vorgeführt wird und eine kritische Auseinandersetzung erfolgt. Denn dem Gebot politischer Neutralität steht nicht entgegen, Unterricht und sonstige schulische Veranstaltungen so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, eine eigene Meinung unter kritischer Abwägung unterschiedlicher Standpunkte zu entwickeln. Die Schulen entscheiden in eigener Verantwortung, ob sie an der SchulKino- Woche teilnehmen. Wenn sie teilnehmen, so gilt dies als unterrichtliche Veranstaltung, weil die SchulKino- Woche einem schulischen Bildungszweck dient und die Filmvorführung - wie in Antwort zu Frage 4 dargelegt - in eine pädagogische Konzeption der unterrichtlichen Vor- und Nachbereitung eingebunden ist. Zu 6. und 7.: Es wird auf die Beantwortung zu Frage 5 verwiesen. Zu 8.: Die politische Bildung an Thüringer Schulen ist Bestandteil des Bildungs- und Erziehungsauftrags gemäß Thüringer Schulgesetz (§ 2). Es gilt, wie unter Antwort zu Frage 5 ausgeführt, der "Beutelsbacher Konsens". Danach sind unter anderem kontroverse Themen aus Gesellschaft, Politik und Wissenschaft im Unterricht kontrovers zu diskutieren (Gebot der Gegensätzlichkeit beziehungsweise Kontroversität). Lehrkräfte sind dabei den Werten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaats Thüringen verpflichtet. Im Rahmen der SchulKinoWoche erfolgt die unterrichtsgebundene Diskussion zum Pro und Contra von extremistischen und demokratiefeindlichen Positionen hinsichtlich des oben genannten Dokumentarfilms in den Schulen eigenverantwortlich. Zu 9.: Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen von Gefährdungen des demokratischen Handelns erfolgt in Thüringer Schulen entsprechend den kompetenzorientierten Lehrplänen. Hierbei ist die Aneignung von historisch-politischen Fakten, die epochenbezogene Einordnung in den Verlauf der Weltgeschichte und die Bewertung der Folgen der deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert für die Gegenwart relevant. Insbesondere muss der Geschichtsunterricht gemäß Artikel 22 (Abs. 2) der Verfassung des Freistaats Thüringen "auf eine unverfälschte Darstellung der Vergangenheit gerichtet sein". Die Lehren aus der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts haben einen hohen Stellenwert für die Erziehung und Bildung an Thüringer Schulen. Denn es geht bei den Schülerinnen und Schülern um die Förderung von selbständigem Denken und Handeln, die Achtung vor der Würde des Menschen, die Anerkennung der Demokratie und Freiheit sowie die Friedfertigkeit im Zusammenleben der Kulturen und Völker. Die Verharmlosung beziehungsweise Relativierung von jeglichen Formen der Gefährdung des demokratischen Handelns ist unvereinbar mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag in Thüringer Schulen. Holter Minister Aufführung des Dokumentarfilms "Wildes Herz" als Auftaktveranstaltung der "SchulKinoWoche Thüringen" Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3. und 4.: Zu 5.: Zu 6. und 7.: Zu 8.: Zu 9.: