29.01.2019 Drucksache 6/6735Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 12. Februar 2019 Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Thüringen Die Kleine Anfrage 3475 vom 22. November 2018 hat folgenden Wortlaut: Am 1. Februar 2018 trat das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Deutschland in Kraft. Deutschland ist damit völkerrechtlich an die Istanbul-Konvention gebunden, staatliche Organe müssen die Verpflichtungen der Konvention umsetzen. Die Besonderheit der Istanbul-Konvention liegt an ihrem umfassenden Ansatz bezüglich der Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen als auch am breit definierten Gewaltbegriff. Dadurch beinhaltet die Konvention nicht nur für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt Verpflichtungen, sondern für jede Form von Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen. Zur Umsetzung der Aktionspläne gemäß der Istanbul-Konvention wird die Einrichtung einer Koordinierungsstelle vorgeschlagen, welche ressortübergreifend mit eigenem Budget und klaren Kompetenzen ausgestattet werden soll. Neben den eigentlichen Verpflichtungen der Istanbul-Konvention sind auch die Empfehlungen zur Umsetzung der Konvention durch das Deutsche Institut für Menschenrechte handlungsrelevant. Zur Überwachung der Umsetzung der Konvention wird den Ländern ein unabhängiges Monitoring empfohlen, das in der Kombination des regelmäßigen Austausches und der wissenschaftlichen Evaluation vorliegender Daten Umsetzung und Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen überwacht. Ferner soll nach Artikel 31 der Istanbul-Konvention sichergestellt werden, dass gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden. Zudem soll eine Familienunterbringung auf 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner in Frauenhäusern, beziehungsweise Frauenschutzwohnungen, vorgehalten werden und auf 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner soll eine Beratungsstelle für Opfer sexualisierter Gewalt angestrebt werden. Auch die Bundesländer sind bei der Umsetzung gefordert. In Thüringen wurden bereits erste Schritte zur Umsetzung der Konvention eingeleitet, zum Beispiel durch die Wiederbesetzung der Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt in Verbindung mit der Wiederbelebung der Monitoring-Gruppe Häusliche Gewalt. Außerdem existiert der "Thüringer Maßnahmeplan gegen Häusliche Gewalt". Unter Berücksichtigung des umfassenden Ansatzes der Konvention sind weitergehende Schritte und Maßnahmen von Nöten. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention und zur Verbesserung des Gewaltschutzes wurden seit der Ratifizierung der Konvention seitens der Landesregierung eingeleitet? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stange (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6735 2. Beabsichtigt die Landesregierung, den Thüringer Maßnahmeplan gegen Häusliche Gewalt in einen Aktionsplan gemäß der Istanbul-Konvention zu überführen und zu welchem Zeitpunkt wird dieser vorliegen? 3. Ist die Einrichtung der oben beschriebenen Koordinierungsstelle, welche ressortübergreifend mit eigenem Budget und klaren Kompetenzen ausgestattet werden soll, durch die Landesregierung vorgesehen und gibt es hierfür bereits Planungen? 4. Gibt es Pläne seitens der Landesregierung, eine wie in der Konvention angeratene unabhängige Monitoring -Gruppe in Thüringen zu installieren? Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung der Unabhängigkeit einer solchen Monitoring-Gruppe? 5. Welche Definitionen werden im Hinblick darauf, dass eng gefasste Definitionen von häuslicher Gewalt von den Vorgaben der Istanbul-Konvention abweichen, was die einheitliche Erfassung von Fällen häuslicher Gewalt und eine entsprechende Reaktion darauf erschwert, von den Thüringer Ministerien für Vorfälle häuslicher Gewalt verwendet und sind diese Definitionen im Einklang mit der Istanbul-Konvention? Inwiefern hat die Tatsache des gemeinsamen Wohnens in den Definitionen von häuslicher Gewalt Relevanz? 6. Wie erfolgt die Umsetzung des Artikels 31 der Istanbul-Konvention in Thüringen? Gibt es ähnlich der Leitlinien der Thüringer Polizei zu Fällen häuslicher Gewalt auch entsprechende Leitlinien oder Schulungsmaßnahmen für Familiengerichte, beziehungsweise sind entsprechende Maßnahmen dafür vorgesehen? 7. Welche Schritte sind in Thüringen beabsichtigt, um die eingangs genannten Vorgaben der Instanbul-Konvention zur Familienunterbringung beziehungsweise zu Frauenschutzwohnungen und Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt zu erreichen? Ist die Einrichtung eines Runden Tisches zwischen Land, Kommunen und Frauenschutzstrukturen geplant? Wie bringen sich die Kommunalen Spitzenverbände in bestehende Strukturen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt in Thüringen, wie die Monitoring-Gruppe, ein? 8. Welche Auswirkungen wird das von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Auftaktsitzung des "Runden Tisches gegen Gewalt an Frauen" angekündigte Förderprogramm des Bundes zum Ausbau der Frauenhäuser und ambulanten HiIfs-und Betreuungseinrichtungen für Thüringen haben? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 28. Januar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Mit Beginn des Jahres 2018 nahm die Monitoringgruppe gegen häusliche Gewalt ihre Arbeit auf. Deren Aufgabe ist es, ressortübergreifend das bestehende Netzwerk zum Schutz von Frauen vor Gewalt zu evaluieren , Schnittstellen sowie Synergieeffekte auszubauen und weiterzuentwickeln. Derzeit wird an einem Thüringer Modell für ein wirkungsvolles Hochrisiko-Management bei sexualisierter und häuslicher Gewalt gearbeitet mit dem Ziel, die Gefahr von Tötungsdelikten und schwersten Verletzungen durch Ergreifen frühzeitiger Maßnahmen einzuschränken. Ferner wird federführend durch das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie am Runden Tisch ein Thüringer Konzept für eine Verfahrensunabhängige Spurensicherung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt erarbeitet, um die Beweisführung in einem auf eine spätere Anzeige hin eingeleiteten Strafverfahren zu verbessern. Im Bereich der Thüringer Polizei sind im Rahmen der Zuständigkeit weite Teile der Istanbul-Konvention umgesetzt . Im Berichtszeitraum befasste sie sich insbesondere mit Maßnahmen zur Optimierung vorbeugender operativer Maßnahmen, der Gefährdungsanalyse und des Gefahrenmanagements. Zu 2.: Die Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt ist beauftragt, gemeinsam mit den Vertretern der Fachressorts aus dem Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, dem Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales, dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport eine Fortschreibung des bisherigen Maßnahmenplans gegen häusliche Gewalt zu erarbeiten. Dieser wird voraussichtlich im II. Quartal 2019 3 Drucksache 6/6735Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode abgeschlossen sein. Eine Entscheidung der Landesregierung, den Maßnahmenplan in einen Aktionsplan gemäß der Istanbul-Konvention zu überführen, steht noch aus. Zu 3.: Im Rahmen der Überarbeitung des Maßnahmenplans wird mit Verweis auf die Istanbul-Konvention die dauerhafte Einrichtung einer solchen Koordinierungsstelle erörtert. Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 5.: Die Thüringer Rechtsgrundlagen zur Förderung von Frauenzentren, Frauenhäusern und Frauenschutzwohnungen sowie der Interventionsstellen enthalten keine "eigene" Definition "häusliche Gewalt". Zuwendungsrechtlich folgt die Zweckbindung für die Vergabe der Landesmittel der jeweils rechtlich maßgeblichen Definition "häusliche Gewalt". Somit ist insbesondere auch die Umsetzung der Istanbul-Konvention im Bereich des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie gewährleistet. Die Thüringer Polizei und die Thüringer Staatsanwaltschaften verwenden seit dem Jahr 2014 eine gemeinsame Definition. Danach liegt häusliche Gewalt vor, wenn in räumlicher Beziehung zusammenlebende Personen innerhalb einer bestehenden oder in Auflösung befindlichen familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische oder psychische Gewalt ausüben oder androhen, sofern das Delikt seine Wurzel in der Lebensgemeinschaft hat. Diese Definition widerspricht der Istanbul-Konvention nicht, da sie die von den Strafverfolgungsbehörden zu erfüllenden Aufgaben in den Blick nimmt. Damit gehen Maßnahmen und eine spezialisierte Bearbeitung einher, die die besondere Dynamik von Beziehungsgewalt berücksichtigen. Dem dient auch die von der Polizei gesondert erhobene Statistik über häusliche Gewalt gegen Erwachsene. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention und der daraus folgenden völkerrechtlich bindenden Wirkung gilt die dort beschriebene Definition auch in Thüringen für die Umsetzung der aus der Konvention folgenden Verpflichtungen. Nach der Konvention ist für das Vorliegen häuslicher Gewalt das Bestehen einer gemeinsamen Wohnung von Opfer und Täter nicht notwendig; häusliche Gewalt liegt auch dann vor, wenn sich Täter und Opfer bereits in einer Phase der Trennung befinden. Die Arbeit zur Fortschreibung des Maßnahmenplans der Landesregierung gegen häusliche Gewalt beinhaltet gegenwärtig auch Fragen der Definition häuslicher Gewalt. Zu 6.: Familiengerichtliche Entscheidungen zum Umgangs- und Sorgerecht sind Entscheidungen für den Einzelfall . Das Familiengericht hat im konkreten Familienkonflikt eine dem Kindeswohl entsprechende Lösung zu ermitteln und dafür den Hergang gewalttätiger Vorfälle aufzuklären und das Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen, das Schutzinteresse des verletzten Elternteiles und das Elternrecht des beschuldigten Elternteils angemessen zu berücksichtigen. Diese Entscheidungen des Familiengerichts erfolgen in Anwendung des bestehenden Rechts, mithin auch in Anwendung von Artikel 31 der Istanbul-Konvention, und unterliegen der richterlichen Unabhängigkeit. Verallgemeinerbare Vorgaben in Form von Leitlinien der Landesregierung sind für diese gerichtlichen Einzelfallentscheidungen nicht konstruktiv und aufgrund der Unabhängigkeit der Gerichte nicht beabsichtigt. Das Fortbildungsangebot für Thüringer Familienrichterinnen und Familienrichter ist vielfältig. So wird jährlich eine zweitägige Fortbildungsveranstaltung angeboten; 2019 ist eine Tagung unter anderem mit dem Schwerpunkt "häusliche Gewalt" vorgesehen. Des Weiteren bietet die Deutsche Richterakademie, eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene Fortbildungseinrichtung, in 2019 zu diesem Thema folgende Tagungen an: - "Familienrecht für Fortgeschrittene" vom 3. bis 8. Februar 2019, - "Gewalt in der Familie - Familien- und strafrechtliche Aspekte, Glaubhaftigkeitsbeurteilung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch" vom 11. bis 15. März 2019, - "Kindliche Beeinträchtigung durch elterliche Partnerschaftsgewalt und die Gestaltung kindschaftsrechtlicher Verfahren" vom 1. bis 5. April 2019, - "Grundlagen des Familienrechts" vom 12. bis 17. Mai 2019, - "Praktische Fragen des Familienrechts" vom 8. bis 14. September 2019, 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6735 - "Familienpsychologische Gutachten und einvernehmliche Konfliktlösungen" vom 18. bis 22. November 2019, - "Internationales Familienrecht" vom 18. bis 22. November 2019 und - "Aktuelles Familienrecht" vom 10. bis 15. November 2019. Die Teilnahme an den einwöchigen Tagungen steht Richterinnen und Richtern aller deutschen Länder offen. Das Bundesamt für Justiz veranstaltet jährlich zwei identische Tagungen zum Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) und andere Regelungen des Internationalen Familienrechts. An diesen Veranstaltungen nehmen auch Thüringer Familienrichterinnen und -richter teil. Die HKÜ-Richtertagungen finden in diesem Jahr vom 13. bis 15. Mai 2019 und vom 18. bis 20. September 2019 statt. Zu 7.: Die Vorhaltung und Finanzierung von Frauenhäusern und Frauenschutzwohnungen ist keine originäre Aufgabe des Landes, sondern Aufgabe der kommunalen Gebietskörperschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch Der Freistaat Thüringen unterstützt gleichwohl auf der Grundlage seines Chancengleichheitsfördergesetzes in Verbindung mit der Thüringer Frauenhausförderverordnung (ThürFHFöVO) ein am tatsächlichen Bedarf orientiertes Angebot durch Zuwendungen an im Regelfall freigemeinnützige Träger (eine Frauenschutzwohnung befindet sich in kommunaler Trägerschaft der Stadt Altenburg). Zuwendungsfähig sind Personalausgaben für den 24-stündigen Notrufdienst sowie Sachausgaben für die Angebotsvernetzung, Prävention , Fortbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Voraussetzung der Landesförderung ist insbesondere eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung, die der Träger mit dem örtlich zuständigen Sozialhilfeträger abgeschlossen hat. Laut Artikel 23 der Istanbul-Konvention wird zur Schaffung einer ausreichend großen Anzahl von Unterkünften aufgerufen, um allen Opfern übergangsweise eine angemessene Unterbringung anzubieten. Die Anzahl der Schutzunterkünfte sollte sich jedoch nach dem tatsächlichen Bedarf richten. In Thüringen werden aktuell neun Frauenhäuser sowie drei Frauenschutzwohnungen durch Zuwendungen des Landes gefördert . 2016 und 2017 waren jeweils thüringenweit 141 Plätze verfügbar. Zudem werden vier Interventionsstellen sowie ein thüringenweites Angebot an geschlechtsspezifischer Interventions- und Beratungsarbeit ausschließlich aus Landesmitteln finanziert. Im Rahmen der Evaluierung der Thüringer Frauenhausförderverordnung werden die Vorgaben der Istanbul- Konvention berücksichtigt. Zunächst soll der Erhalt und Ausbau des vorhandenen Einrichtungsnetzes sowie die Bereitstellung ambulanter Hilfsangebote gefördert werden. Ferner sollen landesseitig finanzielle Anreize geboten werden, die die Erfüllung kommunaler Aufgaben unterstützen sowie Träger motivieren, sich mit weiteren Projekten am Netzwerk zu beteiligen. Insbesondere gilt es zu verhindern, dass weitere Kommunen über die Neuverhandlung der Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen auf Grundlage des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch die vorgehaltenen Platzzahlen reduzieren. Zu 8.: Die Einrichtung eines Runden Tisches für Thüringen wird derzeit im Rahmen des Maßnahmenplans gegen häusliche Gewalt ergebnisoffen beraten. Derzeit bringen sich der Thüringer Gemeinde- und Städtebund und der Thüringische Landkreistag im Arbeitskreis zur Novellierung der Thüringer Frauenhausförderverordnung ein. Erörtert werden unter anderem die Themen Erhöhung der Beratungs- und Unterbringungsmöglichkeiten zum Opferschutz entsprechend der Vorgaben der Istanbul-Konvention, die Schaffung von mehr Angeboten bei multiplen Problemlagen, der Abschluss einer Rahmenvereinbarung zwischen Land und kommunalen Trägern zur Finanzierung bei wohnortfremder Unterbringung von Gewaltopfern sowie die Realisierung der Barrierefreiheit der Angebote. Darüber hinaus ist den kommunalen Spitzenverbänden mangels personeller Ressourcen ein Einbringen in die Monitoringgruppe nicht möglich. Werner Ministerin Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: