30.01.2019 Drucksache 6/6739Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. Februar 2019 Islamisten in Thüringer Justizvollzugsanstalten - nachgefragt Die Kleine Anfrage 3539 vom 17. Dezember 2018 hat folgenden Wortlaut: Nach dem tödlichen Angriff auf den Weihnachtsmarkt im französischen Straßburg haben Medien berichtet, der Attentäter habe sich in einem französischen Gefängnis zu einem Islamisten radikalisiert. Ebenso war zu erfahren, dass diese gefährliche Grundhaltung in einem anschließenden deutschen Strafvollzug nicht aufgefallen sei. Weltweit und auch in europäischen Staaten wird seit langem beobachtet, dass in Gefängnissen ein hohes Maß an islamistischer Radikalisierung zu beobachten ist. In der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage in Drucksache 6/4647 hatte das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ausgeführt, dass ein Maßnahmenkatalog erarbeitet worden sei, der den Justizvollzugsanstalten zur "Prüfung und Umsetzung" zugeleitet worden sei. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Häftlinge muslimischen Glaubens sitzen derzeit in den Thüringer Justizvollzugsanstalten ein? 2. Wie viele Islamisten sitzen derzeit in den Thüringer Justizvollzugsanstalten ein? 3. Wie viele sogenannte "Gefährder" waren und sind unter diesen? 4. Wie ist die muslimische Häftlingsseelsorge in Thüringer Justizvollzugsanstalten organisiert? Wie ist inzwischen konkret sichergestellt, dass nur verfassungstreue Imame und religiöse Betreuer Zugang zu den Gefangenen erhalten? 5. Wie und in welcher Form sind inzwischen die Fragen nach dem Umgang mit dem Seelsorgergeheimnis und dem Vertrauensschutz geklärt? 6. Ist im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie Leben - Denk Bunt" im Justizvollzug und der Bewährungshilfe inzwischen das geplante Angebot zur Deradikalisierung von Personen, die entweder bereits radikalisiert sind oder bei denen die Gefahr einer Radikalisierung besteht, umgesetzt worden? 7. Inwieweit und in welcher Weise wurden - wie im Oktober 2017 angekündigt - die Präventivmaßnahmen zur Bekämpfung islamistischer Tendenzen unter Thüringer Gefangenen verstärkt? 8. Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit Islamisten in Thüringer Justizvollzugsanstalten? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Walk (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6739 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 29. Januar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Auf Grundlage der freiwilligen Angaben zum religiösen Bekenntnis befanden sich zum Stichtag 31. Dezember 2018 153 Personen muslimischen Glaubens in den Thüringer Justizvollzugseinrichtungen. Zu 2.: Nach Kenntnis der Landesregierung befindet sich derzeit ein als Islamist eingestufter Gefangener in einer Thüringer Justizvollzugseinrichtung, wobei weitere Fälle nicht ausgeschlossen werden können. Zu 3.: Derzeit befindet sich ein vom Landeskriminalamt eingestufter Gefährder der PMK -religiöse Ideologie- (Islamismus ) in Haft. Zu 4.: Der Sachstand gegenüber der Beantwortung der Kleinen Anfrage 2528 in der Drucksache 6/4647 hat sich nicht geändert. Im Auftrag der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister arbeitet derzeit eine länderoffene Arbeitsgruppe "Empfehlungen für eine muslimische Gefängnisseelsorge" an der Ausgestaltung der muslimischen Gefängnisseelsorge. Thüringen ist in der Arbeitsgruppe vertreten. Fragen der Eignung muslimischer Betreuer oder Seelsorger werden im Rahmen dieser Länderarbeitsgruppe erörtert. Die Länderarbeitsgruppe soll ihre Ergebnisse unmittelbar dem Strafvollzugsausschuss der Länder zur Beratung vorlegen. Die Beschlussergebnisse des Strafvollzugsausschusses werden dann auch für die Betreuung muslimischer Inhaftierter in Thüringer Justizvollzugseinrichtungen maßgeblich sein. Zu 5.: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Die Frage nach dem "Seelsorgergeheimnis" und dem "Vertrauensschutz " wird ebenfalls im Rahmen der länderoffenen Arbeitsgruppe "Empfehlungen für eine muslimische Gefängnisseelsorge" beraten. Zu 6.: Das Modellprojekt "Zentrum Deradikalisierung im Thüringer Strafvollzug" wird durch den Drudel 11 e.V. und den Violence Prevention Network e.V. im Trägerverbund seit 1. August 2017 umgesetzt. Ziel des Modellprojekts ist die Entwicklung, Erprobung und Implementierung eines Systems zur Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung im Strafvollzug und in der Bewährungshilfe in den Phänomenbereichen Rechtsextremismus und Islamismus. Hauptzielgruppe sind radikalisierte und radikalisierungsgefährdete Personen im Strafvollzug und in der Bewährungszeit, weitere Zielgruppen das Fachpersonal in der Justiz, insbesondere in den Justizvollzugsanstalten und der Bewährungshilfe, sowie die Angehörigen und das soziale Umfeld der radikalisierten und radikalisierungsgefährdeten Personen. Der Drudel 11 e.V. ist schwerpunktmäßig für den Phänomenbereich Rechtsextremismus, der Violence Prevention Network e.V. schwerpunktmäßig für den Bereich Islamismus zuständig. Die Umsetzung des Projekts ist ein längere Zeit in Anspruch nehmender Prozess. Ein großer Teil der Arbeit liegt in der Entwicklung von Maßnahmen für die Zielgruppen. Bisher wurden Module zu folgenden Thematiken erstellt: - gruppenpädagogische Maßnahmen für Strafgefangene im Phänomenbereich Rechtsextremismus, - niedrigschwellige Workshops für Strafgefangene in beiden Phänomenbereichen, - Einzelberatungen für radikalisierungsgefährdete und radikalisierte Personen, - Coachings für Fachkräfte im Strafvollzug, in der Bewährungshilfe und angrenzenden Fachbereichen, - Einzelberatungen für Angehörige von radikalisierungsgefährdeten/radikalisierten Personen, - Fortbildungen für Fachkräfte im Strafvollzug, in der Bewährungshilfe und angrenzenden Fachbereichen für beide Phänomenbereiche. Zur Koordinierung und Steuerung aller Maßnahmen wurde eine Clearingstelle aufgebaut, die sich auch als Anlaufstelle für die Justiz zum Themenbereich Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung versteht. 3 Drucksache 6/6739Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Bis Ende 2018 wurden folgende Maßnahmen für die Zielgruppen realisiert: Es wurden acht Personen aus der Hauptzielgruppe im Phänomenbereich Rechtsextremismus beraten. In der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben fand eine Trainingsmaßnahme für sechs Gefangene, die sich aus Gruppensettings und Einzelberatungen zusammensetzte, statt. Zudem wurden zwei Workshops mit insgesamt 25 Teilnehmern ausgerichtet. Auch diese Angebote betrafen den Phänomenbereich Rechtsextremismus. Es gab bisher keine Klienten aus dem Phänomenbereich Islamismus. In der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben ist das Projekt zwischenzeitlich implementiert. An der Ausweitung des Projekts auf die anderen Justizvollzugsanstalten wird gearbeitet. Für das Fachpersonal in der Justiz wurden Fortbildungsveranstaltungen in den Bereichen Rechtsextremismus und Islamismus durchgeführt. Drei Veranstaltungen wandten sich an die Strafvollzugsbediensteten, drei Auftaktveranstaltungen und vier Fortbildungen an die Bediensteten der Bewährungshilfe und eine Veranstaltung an anderes Fachpersonal der Justiz. Darüber hinaus erfolgten Fachkräftecoachings für sieben Fachkräfte aus der Bewährungshilfe. Derzeit laufen zwischen den beteiligten Trägern insbesondere Abstimmungen über die Entwicklung weiterer Maßnahmen zum Phänomenbereich Islamismus. Zu 7.: Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Ergänzend hierzu wird Folgendes mitgeteilt: Im November 2018 fand das Symposium "Radikalisierung im Justizvollzug" statt, das in Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Verfassungsschutz und dem kriminologischen Dienst des Thüringer Justizvollzugs durchgeführt wurde. Themenschwerpunkte waren unter anderem: - Religiös und politisch motivierter Extremismus und Justizvollzug sowie - Extremismus im Thüringer Justizvollzug. Die Problematik "Radikalisierung im Strafvollzug" wurde und wird in den Dienstbesprechungen mit den Leiterinnen und Leitern der Thüringer Justizvollzugseinrichtungen sowie mit den Leitern der Verwaltungsabteilungen Sicherheit der Thüringer Justizvollzugseinrichtungen regelmäßig erörtert. Zu 8.: Die Landesregierung misst dem Thema "Radikalisierung/Islamisierung im Strafvollzug" hohes Gewicht bei. Daran ändert auch die bislang geringe Anzahl von Gefährdern und Islamisten im Thüringer Strafvollzug nichts. Lauinger Minister Islamisten in Thüringer Justizvollzugsanstalten - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: