06.02.2019 Drucksache 6/6791Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Februar 2019 Neonazi-Szene in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt Die Kleine Anfrage 3478 vom 27. November 2018 hat folgenden Wortlaut: Im Jahr 2017 waren Neonazis in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt aktiv, es kam zudem zu Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechts-. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Personen in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt wurden nach Kenntnissen der Landesregierung in den vergangenen drei Jahren (2015 bis 2017) als "rechtsextremistisch" eingestuft, welchen Altersdurchschnitt haben diese und wie stellt sich die Geschlechterverteilung dar? 2. Wie bewertet die Landesregierung die "rechtsextremistische" Szene in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt in den vergangenen drei Jahren (2015 bis 2017) hinsichtlich ihrer Milieus und des Anteils der organisierten rechten Szene, des Personenpotentials, der Entwicklung im oben genannten Zeitraum, der Aktivitäten und Schwerpunkte und gegebenenfalls regionaler Besonderheiten? 3. Welche Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- wurden jeweils in den Jahren 2015, 2016 und 2017 in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt (bitte nach Delikten darstellen )? 4. Welche weiteren als "rechtsextremistisch" eingestuften Aktivitäten (Veranstaltungen, Demonstrationen, Zusammenrottungen, Konzerte, Publikationen et cetera) wurden der Landesregierung und den Sicherheitsbehörden jeweils in den Jahren 2015, 2016 und 2017 in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld -Rudolstadt bekannt (bitte nach Datum, Art der Aktivität, gegebenenfalls Organisationsstruktur und Teilnehmerzahl auflisten)? 5. Welche als "rechtsextremistisch" bewerteten Strukturen, Organisationen und Personenzusammenschlüsse wurden der Landesregierung und den Sicherheitsbehörden in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt in den vergangenen drei Jahren (2015 bis 2017) bekannt, was ist deren jeweiliges Potential und wie werden diese hinsichtlich ihres Auftretens eingeschätzt? 6. Welche Treffpunkte, Rückzugsorte und Immobilien wurden in den vergangenen drei Jahren (2015 bis 2017) nach Kenntnissen der Landesregierung in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt von als "rechtsextremistisch" eingestuften Personen oder Strukturen genutzt und welche Angaben kann K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6791 die Landesregierung dazu machen (bitte Angaben zu Örtlichkeit, Betreiberverhältnissen, Art der Nutzung, Nutzungsgruppe, Kapazität, Nutzungshäufigkeit und gegebenenfalls Art der letztmaligen Szenenutzung)? 7. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung über Angehörige der neonazistischen Musik- oder Vertriebsszene in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt vor? 8. Wie viele Personen, die in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt leben, werden nach Kenntnis der Landesregierung der sogenannten "Reichsbürgerbewegung" zugeordnet und wie viele dieser verfügen über eine Waffenbesitzkarte und folgend über Waffen? 9. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über "Mixed-Martial-Arts" beziehungsweise Free-Fight-Aktivitäten sowie das Trainieren und Praktizieren von Kampfsportarten durch Angehörige der rechten Szene in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 4. Februar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Dem rechtsextremistischen Spektrum in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt wird eine Personenstärke im unteren dreistelligen Bereich zugeordnet. Der Anteil der Frauen wird auf etwa 15 bis 20 Prozent geschätzt. Eine statistische Auswertung in Bezug auf das Durchschnittsalter aller in einer Region aktiven Rechtsextremisten wird nicht vorgehalten. Zu 2.: Der Landesregierung ist im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt im angefragten Zeitraum die Existenz eines NPD- Kreisverbandes bekannt. Über aktive rechtsextremistische Personenzusammenschlüsse liegen keine Erkenntnisse vor. Dennoch waren zumindest aus der Vergangenheit im Landkreis zahlreiche Angehörige der rechtsextremistischen Szene bekannt, welche auch als Mobilisierungspotential für Veranstaltungen und Konzerte zur Verfügung standen. Die meisten der hier lebenden Rechtsextremisten pflegen untereinander freundschaftliche Kontakte oder sind zumindest einander bekannt. Schwerpunkte existieren im Raum Saalfeld , Bad Blankenburg und Unterwellenborn. Die Historie der rechtsextremistischen Szene reicht bis in die 1990er-Jahre zurück. Aus dieser Zeit sind Kontakte in die sogenannte Rockerszene und zu dem im NSU- Verfahren angeklagten 1) bekannt. Zu 3.: Es wird auf die Anlage 1 verwiesen. Zu 4.: Es wird auf die Anlage 2 verwiesen. Erkenntnisse über rechtsextremistische Publikationen liegen nicht vor. Zu 5.: Im Bereich der organisierten rechtsextremistischen Strukturen ist der NPD-Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt zu nennen. Seit der Kreistagswahl 2014 ist dieser mit drei Sitzen im Kreistag vertreten. Im Jahr 2015 stellte die Asyl- und Flüchtlingsproblematik einen inhaltlichen Schwerpunkt der Agitation des NPD-Kreisverbandes dar. So wurde von Mitgliedern der NPD-Kreistagsfraktion am 2. Oktober 2015 in Rudolstadt eine Demonstration unter dem Motto "Aufnahmestopp und schnellere Abschiebungen im Landkreis - Der Asylbetrug macht uns arm" angemeldet. An dieser Demonstration beteiligten sich rund 400 Personen. Der Teilnehmerkreis setzte sich aus Angehörigen der NPD und freien Kräften zusammen. In der Folgezeit waren keine weiteren Aktivitäten des NPD-Kreisverbandes wahrnehmbar. Im Jahr 2015 wurde von der Partei "Der III. Weg" der Stützpunkt "Thüringer Wald - Ost" gegründet. Dieser umfasst nach eigenen Angaben die Gebiete Saalfeld, Rudolstadt, Bad Blankenburg und Pößneck. In den Jahren 2015 bis 2017 waren Saalfeld und Rudolstadt mehrfach Schauplätze von Demonstrationen der fremdenfeindlichen und rechtsextremistischen Bündnisse "Wir lieben Ostthüringen" und "THÜGIDA". Dabei beteiligten sich beispielsweise am 1. November 2015 in Rudolstadt bis zu 660 Personen. Nach dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 nahmen die Teilnehmerzahlen an solchen Demonstrationen wieder ab. 3 Drucksache 6/6791Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6.: Für den Zeitraum 2015 bis 2017 liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse zur Immobiliennutzung durch die rechtsextremistische Szene vor. Zu 7.: Der unter dem Namen "B."1) auftretende rechtsextremistische Liedermacher ist in der Stadt Saalfeld ansässig . Darüber hinaus ist dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ein weiterer rechtsextremistischer Liedermacher mit dem Namen "B."1) örtlich zuzuordnen. Zu rechtsextremistischen Vertrieben liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 8.: Nach Kenntnis der Landesregierung bewegt sich das Personenpotential zwischen dem unteren und mittleren zweistelligen Bereich. Mit Stand 20. Dezember 2018 liegt im Bereich Landkreis Saalfeld-Rudolstadt/Stadt Saalfeld die Zahl der bekannten Personen, die der "Reichsbürgerszene" zuzurechnen und im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis sowie von erlaubnispflichtigen Schusswaffen sind, im unteren einstelligen Bereich. Zu 9.: Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass es in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt aktuell eine rechtsextremistische Kampfsportvereinigung gibt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass einzelne Angehörige aus der rechtsextremistischen Szene in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld- Rudolstadt auch Kampfsport trainieren. Maier Minister Anlagen2) Endnote: 1 Die von der Landesregierung übermittelten personenbezogenen Daten wurden gemäß § 2 Abs. 8 des Thüringer Datenschutzgesetzes nicht in die Drucksache aufgenommen. 2 Hinweis: Auf den Abdruck der Anlagen wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlagen erhielten jeweils die Fragestellerin, die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren können sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. Anlage 1 zur Kleinen Anfrage Nr. 3478 1 Übersicht der Straftaten PMK -rechts- im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt Delikt Paragraf 2015 2016 2017 gesamt 111 97 69 davon Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a StGB 40 56 50 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten § 111 StGB 1 0 0 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 StGB 5 0 0 Landfriedensbruch § 125 StGB 3 0 0 Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs § 125a StGB 2 0 0 Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 126 StGB 0 1 0 Volksverhetzung § 130 StGB 8 7 3 Beleidigung § 185 StGB 8 3 4 Üble Nachrede § 186 StGB 1 0 0 Körperverletzung § 223 StGB 6 6 1 Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 13 4 2 Nötigung § 240 StGB 1 0 4 Bedrohung § 241 StGB 2 3 2 Sachbeschädigung § 303 StGB 2 7 3 Gemeinschädliche Sachbeschädigung § 304 StGB 0 1 0 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion § 308 StGB 0 1 0 Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz 0 1 0 Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz 1 0 0 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 18 7 0 davon Straftaten PMK -rechts- in der Stadt Saalfeld Delikt Paragraf 2015 2016 2017 gesamt 63 34 21 davon Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a StGB 15 18 14 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 StGB 4 0 0 Landfriedensbruch § 125 StGB 3 0 0 Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs § 125a StGB 1 0 0 Volksverhetzung § 130 StGB 2 2 1 Anlage 1 zur Kleinen Anfrage Nr. 3478 2 Delikt Paragraf 2015 2016 2017 Beleidigung § 185 StGB 7 3 1 Körperverletzung § 223 StGB 2 1 1 Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 12 1 1 Nötigung § 240 StGB 0 0 1 Bedrohung § 241 StGB 2 2 1 Sachbeschädigung § 303 StGB 2 4 1 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion § 308 StGB 0 1 0 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 13 2 0 StGB - Strafgesetzbuch Anlage 2 zur Kleinen Anfrage Nr. 3478 1 Übersicht der rechtsextremistischen Aktivitäten in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt (2015-2017) Datum Ort Aktivität Gruppierung Teilnehmer - zahl 01.05.2015 Saalfeld Demonstration Der III. Weg ca. 500 30.05.2015 Piesau Gründungsveranstaltung , Stützpunkt „Thüringer Wald Ost“ Der III. Weg nicht bekannt 02.10.2015 Rudolstadt Demonstration Freie Kräfte, NPD ca. 400 01.11.2015 Rudolstadt Demonstration Bürgerinitiative „Wir lieben Ostthüringen“ ca. 660 16.11.2015 Rudolstadt Demonstration THÜGIDA ca. 400 19.11.2015 Saalfeld- Gorndorf Demonstration Freie Kräfte, NPD ca. 200 04.12.2015 Uhlstädt- Kirchhasel Saalveranstaltung THÜGIDA ca. 60 29.03.2016 Saalfeld Demonstration THÜGIDA ca. 130 04.04.2016 Rudolstadt Demonstration THÜGIDA und Bürgerinitiative „Wir lieben Ostthüringen“ ca. 140 10.04.2016 Bad Blankenburg Gründungsveranstaltung Bürgerinitiative „Wir lieben Saalfeld- Rudolstadt“ nicht bekannt 21.05.2016 Rudolstadt Demonstration Bürgerinitiativen „Wir lieben Saalfeld- Rudolstadt“ und „Wir lieben SOK“ ca. 50 25.06.2016 nicht bekannt Neuwahl des Kreisvorstandes NPD-Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt nicht bekannt 16.07.2016 Rudolstadt Demonstration Rechtsextremistische Einzelperson und Bürgerinitiative „Wir lieben Ostthüringen“ ca. 100 18.11.2016 Uhlstädt- Kirchhasel Vereinsversammlung THÜGIDA und Bürgerinitiative „Wir lieben Ostthüringen“ ca. 80 09.01.2017 Saalfeld Demonstration THÜGIDA ca. 80 18.02.2017 Saalfeld Demonstration THÜGIDA ca. 100 25.03.2017 Deesbach Rechtsextremistische Musikveranstaltung (Liederabend) Rechtsextremistische Einzelperson 38 17.04.2017 Saalfeld Verteilung von Osterkörbchen und Flugblättern (Eigenangabe) Identitäre Bewegung Thüringen nicht bekannt 03.12.2017 Rudolstadt Weihnachtskampagne Identitäre Bewegung Thüringen nicht bekannt Anlage 2 zur Kleinen Anfrage Nr. 3478 2 Datum Ort Aktivität Gruppierung Teilnehmer - zahl 19.12.2017 Saalfeld Weihnachtskampagne Identitäre Bewegung Thüringen nicht bekannt Neonazi-Szene in der Stadt Saalfeld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Endnote: