19.02.2019 Drucksache 6/6834Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 7. März 2019 Asylbewerberleistungsgesetz: Gesetzlich normierte Anpassung der § 3-Grundleistungen Die Kleine Anfrage 3562 vom 19. Dezember 2018 hat folgenden Wortlaut: § 3 Abs. 4 Asylbewerberleistungsgesetz regelt, dass der Regelsatz der Grundleistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes zum 1. Januar eines jeden Jahres anzupassen ist. Dem ist die Bundesregierung seit dem Jahr 2016 nicht nachgekommen. Flüchtlingsorganisationen weisen darauf hin, dass trotz der Untätigkeit der Bundesregierung ein Anspruch auf Nachzahlung für Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher besteht: das Sozialgericht Stade entschied im November, dass es nicht des Tätigwerdens der Bundesregierung oder einer Information des Bundesministeriums über die angepasste Regelsatzhöhe bedürfe, damit die zuständigen Behörden - das sind die Landkreise und kreisfreien Städte - die gesetzlich normierte Leistungsanpassung vornehmen. Die Landkreise und kreisfreien Städte unterliegen der Rechtsaufsicht des Landes. Für Überprüfungs- und Nachzahlungsanträge far Leistungsbescheide im Jahr 2017 endet die Frist am 31. Dezember 2018. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte nahmen in den Jahren 2017 und 2018 die gesetzlich normierte Leistungsanpassung jeweils in welcher Höhe vor? 2. Wurde oder wird die Landesregierung im Sinne der Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher tätig , indem sie die Landkreise und kreisfreien Städte (zum Beispiel per Erlass) anweist, die rückwirkende Anpassung der Leistungsbescheide und Nachzahlung für das Jahr 2018 vorzunehmen, so dass Betroffene nicht erst Anträge auf Überprüfung und Nachzahlung zu stellen gezwungen sind? Wenn nein, warum nicht? 3. Besteht die Möglichkeit, trotz abgelaufener Widerspruchsfrist auch für das Jahr 2017 eine Anpassung und Nachzahlung rechtsaufsichtlich anzuweisen? Inwiefern wird die Landesregierung davon Gebrauch machen? 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass alle Landkreise und kreisfreien Städte sowohl im Jahr 2019 als auch in den darauffolgenden Jahren die Leistungsanpassungen nach § 3 Abs. 4 Asylbewerberleistungsgesetz vornehmen? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Berninger (DIE LINKE) und Rothe-Beinlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6834 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 15. Februar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach Mitteilung des Landesverwaltungsamtes haben die kommunalen Gebietskörperschaften in Thüringen die in Rede stehende Leistungsanpassung nicht vorgenommen. Zu 2.: Nein; die mit der Fragestellung formulierte Anpassung bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Da eine solche bislang fehlt, haben die Landkreise und kreisfreien Städte das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im übertragenen Wirkungskreis auf dem aktuellen Stand zu vollziehen. Für eine entgegenstehende, anderweitige Weisung im Sinne der Fragestellung sieht die Landesregierung keinen Raum. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylbLG werden die Höhe des Geldbetrags für alle notwendigen persönlichen Bedarfe und die Höhe des notwendigen Bedarfs neu festgesetzt, sobald die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) vorliegen. Eine Anpassung des Asylbewerberleistungsgesetzes an die Ergebnisse der (aktuellen) EVS 2013 ist bislang noch nicht erfolgt. Der Bundesrat hat dem am 1. Dezember 2016 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Dritten Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, mit dem eine Neufestsetzung der Bedarfe gemäß § 3 Abs. 5 AsylbLG für die Zeit ab 1. Januar 2017 erfolgen sollte, nicht zugestimmt. Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses konnte selbst in der eingerichteten Arbeitsgruppe keine Einigung erzielt werden. Aufgrund der seitdem fehlenden gesetzlichen Neufestsetzung nach § 3 Abs. 5 AsylbLG hat der Bund für die Zeit ab 1. Januar 2017 keine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylbLG vorgenommen. Die Länder haben sich bereits gegenüber dem Bund für eine Fortschreibung der Leistungssätze auf der Grundlage der EVS 2013 ausgesprochen. Das insoweit zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist derzeit mit einem betreffenden Gesetzentwurf befasst. Ob im Jahr 2019 ein Gesetz zur Anpassung der Leistungssätze an die EVS 2013 vom Bundestag verabschiedet und im Bundesrat auf Zustimmung treffen wird, kann seitens der Landesregierung derzeit nicht abgeschätzt werden. Die in der Kleinen Anfrage in Bezug genommene und noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Sozialgerichts Stade ist erstinstanzlich für einen Einzelfall getroffen worden und hat keine Bindungswirkung für behördliche Entscheidungen in Thüringen. Sie würde dazu führen, dass jedes Land im Alleingang lediglich aufgrund einer "Neuberechnung" eine Fortschreibung der Beträge vornimmt, obwohl die Neufestsetzung - nunmehr aufgrund der EVS 2013 - gemäß § 3 Abs. 5 AsylbLG durch den Bundesgesetzgeber zu erfolgen hat und die weitergehende Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylbLG dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales obliegt. Tatsächlich hat bislang kein Land im Alleingang eine Fortschreibung durchgeführt. Im Interesse eines einheitlichen Vollzugs bleibt hier die weitere Rechtsprechung, insbesondere der Obergerichte abzuwarten, sofern nicht zuvor eine (neue) bundesgesetzliche Regelung greift. Das Sozialgericht Stade hat im Urteil vom 13. November 2018 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und somit selbst den Weg für eine höchstrichterliche Klärung der Frage eröffnet, ob Leistungsbezieher aus § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG einen einklagbaren Anspruch darauf haben, dass ihre Leistungen auch ohne eine Veröffentlichung durch das Bundesministerium oder eine Entscheidung des Gesetzgebers zum 1. Januar 2018 entsprechend der Erhöhung der Regelbedarfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angepasst werden. Zu 3.: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 4.: Die Landkreise und kreisfreien Städte sind für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im übertragenen Wirkungskreis zuständig. Soweit die rechtlichen Grundlagen für die betreffenden Leistungsanpassungen im Asylbewerberleistungsgesetz vorhanden sind, wird auch deren Vollzug durch die kommu- 3 Drucksache 6/6834Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode nalen Gebietskörperschaften in Thüringen erfolgen. Insoweit besteht keine Veranlassung daran zu zweifeln , dass die Kommunalverwaltungsbehörden in Thüringen den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz) abgeleiteten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beachten und geltende Gesetze bei der Versorgung von Flüchtlingen umsetzen werden. In Vertretung von Ammon Staatssekretär Asylbewerberleistungsgesetz: Gesetzlich normierte Anpassung der § 3-Grundleis-tungen Wir fragen die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: