Thüringer Landtag 6. Wahlperiode 6882 Drucksache 6/ 28.02.2019 Kleine Anfrage des Abgeordneten Kobelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft Kunststoffreste auf Feldern im Unstrut-Hainich-Kreis Die Kleine Anfrage 3493 vom 3. Dezember 2018 hat folgenden Wortlaut: Am 2. November 2018 wurde in der Thüringer Allgemeinen, Lokalteil Mühlhausen, in dem Beitrag "Plaste auf den Feldern: Der Skandal ist legal" über die Ausbringung von Kompost auf Feldern und Weiden im Umfeld des Hainich bei Oberdorla berichtet, der einen hohen Anteil an Kunststoffresten enthielt. Es bestehen Unsicherheiten in der Öffentlichkeit sowohl zu der Rechtmäßigkeit der Ausbringung von mit Kunststoffresten belasteten Komposten als auch zur Ausbringung dieses Komposts in unter Schutz stehenden Gebieten. Dabei sind bereits heute Mikro- und Nanoplastikpartikel überall in der Umwelt nachweisbar. Sie gelangen unter anderem durch die Zersetzung größerer Plastikteile oder über Kosmetika, Reifenabrieb oder Kunststofffasern von synthetischer Kleidung in die Gewässer. Aktuelle Ergebnisse aus der Studie des Frauenhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheit- und Energietechnik UMSICHT: "Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik" (Juni 2018) zeigen, dass vier Kilogramm pro Kopf jährlich an Mikroplastik in die Umwelt freigesetzt werden. Eine Studie der Universität Wien vom Oktober 2018 gab zusätzlich Anlass zur Sorge, weil erstmals Mikroplastik im Darm von Menschen nachgewiesen wurde. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist die Genehmigung und die Ausbringung von Komposten in Thüringen geregelt (zuständige Behörden, gesetzliche Voraussetzungen, Einsatzmöglichkeiten)? 2. Welche Grenzwerte existieren für die Reste von Kunststoffen in Komposten, die in Verkehr gebracht werden können? 3. Welche zusätzlichen Einschränkungen für den Einsatz von Komposten gibt es, wie die Lage in Trinkwasserschutzgebieten sowie an Fließ- oder Standgewässern? 4. In welchem Umfang wurden bisher Komposte in Thüringen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebracht (bitte Angabe von Mengen in den Jahren 2014 bis 2018 in Tonnen)? 5. Wie wird die Herstellung, Lagerung und Zwischenlagerung sowie die Ausbringung von Komposten in der Praxis überwacht? 6. Seit wann werden auf landwirtschaftlichen Flächen im Unstrut-Hainich-Kreis Komposte ausgebracht (bitte angeben in Tonnen pro Jahr)? Druck: Thüringer Landtag, 13. März 2019 Drucksache 6/ 6882 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 7. Wann genau kam es zur Ausbringung der Komposte im Raum Oberdorla, welche Kulturen waren betroffen und welche Mengen wurden jeweils pro Hektar ausgebracht? 8. Auf den Flächen welcher landwirtschaftlichen Betriebe wurden die Komposte ausgebracht und wie fand die Ausbringung individuell statt? 9. Wie fügen sich die eingesetzten Komposte in die Nährstoffbilanzen der landwirtschaftlichen Betriebe ein, das heißt welche Mengen verfügbaren Stickstoffs beziehungsweise Phosphats enthalten die Komposte? 10. Aus welchen Quellen stammen die eingesetzten Komposte im Raum Oberdorla beziehungsweise die anderer Einsatzorte im Unstrut-Hainich-Kreis? 11. Welche konkreten Änderungsbedarfe zur Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (Düngemittelverordnung ) sieht die Landesregierung, um die Ausbringung von Kunststoffen durch Komposte zu verringern? 12. Welche weiteren Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung zu ergreifen, um die Ausbringung von Kunststoffen über Komposte zu verringern beziehungsweise auszuschließen? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 26. Februar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Ausbringung von Komposten richtet sich nach Bundesrecht. Einschlägige Regelungen zur Aufbringung von Komposten sind in der Bioabfallverordnung (BioAbfV), Klärschlammverordnung (AbfKlärV), Düngemittelverordnung (DüMV) und Düngeverordnung (DüV) geregelt. Bei der Herstellung der Komposte sind die einschlägigen Bestimmungen der oben genannten gesetzlichen Grundlagen einzuhalten. Dies wird durch die jeweils zuständige Anlagenüberwachungsbehörde (Landkreis/ kreisfreie Stadt beziehungsweise das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz - TLUBN) überwacht, ebenso die Lagerung beziehungsweise Zwischenlagerung der Komposte am Anlagenstandort. Zum Nachweis der ordnungsgemäßen Ausbringung der Komposte sind nach Bioabfallverordnung entsprechende Lieferscheine zu führen und der zuständigen Behörde vorzulegen. Die Bioabfallverordnung privilegiert zudem zertifizierte Betriebe gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, indem sie für diese eine Befreiung vom Lieferscheinverfahren zulässt. In diesen Fällen müssen die Informationen zur Kompostaufbringung (Name und Anschrift des Abgebenden und des Abnehmers, abgegebene Menge in Tonnen Trockenmasse [t TM], Datum der Abgabe) lediglich einmal jährlich an die zuständige Behörde für die Aufbringungsfläche übermittelt werden. Dadurch liegen der Behörde keine unmittelbaren Angaben zu Zeit und Ort der Aufbringung von Bioabfallkompost vor. Zuständig für die Überwachung der Regelungen sind gemäß § 16 Abs. 10 beziehungsweise § 18 Thüringer Ausführungsgesetz zum Kreislaufwirtschaftsgesetz (ThürAGKrWG) die unteren Abfallbehörden (Landkreis/ kreisfreie Stadt) und das Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und ländlichen Raum - TLLLR. Die Bioabfallverordnung sieht kein Anzeigeverfahren vor der Aufbringung des Komposts vor, wie es zum Beispiel in der Klärschlammverordnung für Klärschlämme geregelt ist. Hierdurch ist es den zuständigen Behörden nicht möglich vor der Auf- oder Einbringung eines Komposts auf landwirtschaftlichen Flächen die Einhaltung von Schad- und Fremdstoffgrenzwerten zu prüfen. Zu 2.: Abfallrechtlich ist die Qualität von Komposten nach den Bestimmungen der Bioabfallverordnung zu bewerten, sofern es sich nicht um Klärschlammkomposte handelt. Klärschlammkomposte unterliegen den Bestimmungen der Klärschlammverordnung. Bezüglich des Kunststoffanteils regelt die Bioabfallverordnung, dass der Anteil an Fremdstoffen, insbesondere Glas, Kunststoff, Metall mit einem Siebdurchgang von mehr als zwei Millimetern einen Höchstwert von 0,5 vom Hundert, bezogen auf die Trockenmasse des aufzubringenden Materials, nicht überschritten werden darf. Beim Inverkehrbringen von Komposten sind die Vorschriften der Düngemittelverordnung vom 5. Dezember 2012, zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 26. Mai 2017 (BGBl. I S. 1305) geändert, zu beachten (siehe Antwort zu Frage 11). 2 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 6882 Zu 3.: Gemäß Bioabfallverordnung und Klärschlammverordnung unterliegen die Komposte bestimmten Beschränkungen und Verboten hinsichtlich der Beschaffenheit (Grenzwerte, Seuchen- und Phytohygiene), Aufbringungsmenge, Herkunft und bestimmten Nutzungsarten und Fruchtfolgen. Nach Klärschlammverordnung ist die Klärschlamm-Kompostaufbringung nicht zulässig in Wasserschutzgebieten der Schutzzonen I, II und III und in Naturschutzgebieten, Nationalparks, nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern, geschützten Landschaftsbestandteilen und gesetzlich geschützten Biotopen. Abweichungen von der Beschränkung in naturschutzrechtlichen Gebieten können von der zuständigen Behörde (Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und ländlichen Raum ) im Einvernehmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde zugelassen werden. Die Bioabfallverordnung enthält keine Regelungen zu Einschränkungen für das Auf- oder Einbringen von Komposten auf Flächen in Trinkwasserschutzgebieten oder an Fließ- oder Standgewässern. Nach der Düngeverordnung ist generell die Stickstoff(N)-Zufuhr über Komposte auf 510 Kilogramm Gesamtstickstoff in drei Jahren begrenzt. Die zugeführten Mengen an Stickstoff und Phosphor sind in der Düngeplanung zu berücksichtigen. Zu 4.: Der Landesregierung liegen keine Angaben zu den in Thüringen auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebrachten Kompostmengen vor. Anhand der Verwertungsberichte der Anlagenbetreiber kann mitgeteilt werden, welche Mengen an Komposten in Thüringer Kompostanlagen verarbeitet wurden und in welchen Bereichen die hergestellten Komposte eingesetzt wurden. Die hergestellten Kompostmengen in Thüringen für die Jahre 2014 bis 2016 und deren Verwendung sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Für die Jahre 2017 und 2018 liegen noch keine Daten vor. Tabelle: Input-Output-Entwicklung 2014 bis 2016 in Thüringen (Kompostierung) Input in Tonnen pro Jahr Output in Tonnen pro Jahr 2014 673.854 500.272 2015 691.617 484.327 2016 664.225 544.127 24,3 8,9 0,0 3,3 22,9 29,5 2,4 1,9 3,5 3,4 0 27,2 6,5 0,0 2,7 15,5 38,5 0,8 1,2 6,0 1,7 0 Verwertung (Prozent) Landwirtschaft Ga-La-Bau Rekultivierung Privat/Kommunal Erdenwerk Lagerbestand Sortierreste Sonstiges thermische Verwertung Abgabe an andere Anlagen Deponie 19,9 9,8 0,5 3,1 26,8 28,4 2,9 1,7 3,6 3,2 0 Quelle: Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz - nach Verwertungsberichten der Anlagenbetreiber Zu 5.: Bei der Herstellung der Komposte sind die einschlägigen Bestimmungen der oben genannten gesetzlichen Grundlagen einzuhalten. Dies wird durch die jeweils zuständige Anlagenüberwachungsbehörde (Landkreis/ kreisfreie Stadt beziehungsweise Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz) überwacht, ebenso die Lagerung beziehungsweise Zwischenlagerung der Komposte am Anlagenstandort. Komposte als Düngemittel werden mittels Stichproben im Rahmen der Düngemittelverkehrskontrolle durch das Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und ländlichen Raum überwacht. Des Weiteren wird auf die die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Zu 6.: Die Düngung von landwirtschaftlichen Flächen mit Komposten war nie verboten, sondern hat im Laufe der Jahre Qualitäts- und Mengenvorgaben erhalten. Eine solche Verwertung ist somit historisch gewachsen und hat auch in Thüringen bei der Bodenbearbeitung eine sehr lange Tradition. 3 Drucksache 6/ 6882 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 7. und 8.: Die Fragen 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Danach sind, durch die Privilegierung zertifizierter Kompostbetriebe, unmittelbare Angaben zu Zeit und Ort der Kompostaufbringung nicht in der Bioabfallverordnung verankert. Zu 9.: Für Komposte ist, wie für alle Düngemittel, eine Nährstoffbilanz für die Aufbringungsfläche durch den Flächenbesitzer zu erstellen und entsprechend den düngemittelrechtlichen Vorgaben bei weiteren Ausbringungen zu berücksichtigen. Generelle Aussagen zu Nährstoffgehalten von Komposten lassen sich nicht treffen, da dies von der jeweiligen Qualität des Kompostes abhängt. Generell lässt sich sagen, dass Komposte für die Landwirtschaft einen sinnvollen Beitrag zur Nährstoff- und Humusversorgung der Böden leisten. Der Weg einer Vorabbilanzierung der Nährstofffrachten auf landwirtschaftlichen Flächen durch die Landwirtschaftsbehörden, so wie sie durch ein EDV-system für die Klärschlammverwertung möglich und praktiziert wird, ist für den Bereich Bioabfallverwertung nicht möglich, da ein solches Anzeigeverfahren im seinerzeitigen Gesetzgebungsverfahren zur Bioabfallverordnung des Bundes keine politischen Mehrheiten gefunden hat. Insoweit kann eine zuständige Vollzugsbehörde nur im Nachhinein im Rahmen der Anlagenüberwachung erfahren, ob die Pflichtigen (Besitzer der Fläche, Kompostverwerter) ihren Pflichten nachgekommen sind. Zu 10.: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 11.: Die derzeit gültige Düngemittelverordnung regelt in § 3 Zulassung von Düngemitteltypen den zulässigen Anteil an Fremdbestandteilen wie folgt: a) Steine über zehn Millimeter Siebdurchgang maximal fünf Prozent Trockenmasse, b) Altpapier, Karton, Glas, Metalle und plastisch nicht verformbare Kunststoffe (= Hartplastik) über zwei Millimeter Siebdurchgang zusammen maximal 0,4 Prozent Trockenmasse und c) sonstige nicht abgebaute Kunststoffe (= Folien) über zwei Millimeter Siebdurchgang von maximal 0,1 Prozent Trockenmasse. Im Rahmen der geplanten Novellierung der Düngemittelverordnung ist zurzeit eine Absenkung des Siebdurchgangs auf ein Millimeter bei Beibehaltung des zulässigen Wertes für nicht abgebaute Kunststoffe vorgesehen. Thüringen wird die Absenkung des Siebdurchgangs auf ein Millimeter im Rahmen der Novelle der Düngemittelverordnung unterstützen. Damit kann bei Einhaltung dieses Grenzwertes eine deutliche Verminderung des zulässigen Kunststoffanteils erreicht werden. Zu 12.: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit prüft derzeit eine Verschärfung der Anforderungen an die Fremdstoffgehalte in der Bioabfallverordnung. In der Düngemittelverordnung ist beabsichtigt, die Vorschriften zum Kunststoffanteil zu verschärfen (siehe Antwort zu Frage 11). Anpassungen von gesetzlichen Grenzwerten können durch die Landesregierung nicht selbst vorgenommen werden, da die einschlägigen Gesetze und Verordnungen Bundesrecht sind. Durch die Pflichtigen (Komposthersteller, Kompostaufbringer, öffentlich rechtliche Entsorgungsträger) könnte eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit (Infomaterial zu möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Kunststoffe in der Nahrungskette) und finanzielle Anreize für eine ordnungsgemäße Getrenntsammlung von Bioabfällen (zum Beispiel Nichtabholung einer Biotonne bei zu vielen Fehlwürfen) den Eintrag an Kunststoffen in den Bioabfall reduzieren. Begleitend sollte der Einsatz neuester Technologien zur Sortierung und Erkennung von Kunststoffen unter anderem Fremdmaterialien in Bioabfällen angestrengt werden. Keller Ministerin 4