Thüringer Landtag 6. Wahlperiode 6884 Drucksache 6/ 28.02.2019 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dittes (DIE LINKE) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales Involvierung von Polizeieinsatzkräften in notärztlichen Einsätzen in Thüringen -  nachgefragt - Die Kleine Anfrage 3514 vom 11. Dezember 2018 hat folgenden Wortlaut: Durch den (übermäßigen) Konsum legaler wie illegaler Rauschmittel kann es zu gesundheitlichen Problemen kommen. Geschieht dies durch letztere, stehen Konsumentinnen und Konsumenten sowie ihr Umfeld stets vor der Frage, ob trotz einer möglicherweise bedrohlichen Situation für Gesundheit und Leben wirklich notärztliche Hilfe herbeigerufen werden soll. Grund ist, dass die latente Gefahr besteht, dass bei Äußerungen gegenüber der Notruf-Zentrale zum Hintergrund des Gesundheitszustands diese die Polizei hiervon in Kenntnis setzt, damit jene entsprechende Ermittlungen im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität einleiten kann. Dieses Dilemma wird auch immer wieder in Fachkreisen und der Presse (vergleiche zum Beispiel Online-Ausgabe der "Vice" vom 24. Februar 2016 "Warum es gefährlich ist, wenn der Notarzt bei Drogennotfällen die Polizei mitbringt") diskutiert. Um die Gesundheit und das Leben von Betroffenen zu schützen und zu vermeiden, dass aus Furcht vor strafrechtlichen Repressalien die Inanspruchnahme notärztlicher Hilfe unterbleibt, muss aus Sicht des Fragestellers sichergestellt werden, dass die ärztliche Schweigepflicht nicht dadurch unterlaufen wird, dass bei Anforderung der ärztlichen Hilfe eine Involvierung von Polizeieinsatzkräften stattfindet, sofern diese ausschließlich der Strafverfolgung im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität aufgrund der zuvor konsumierten Substanz dient. In der Drucksache 6/5295 hat die Landesregierung am 7. Februar 2018 bereits Stellung zu einer ersten Anfrage genommen. Dabei teilte sie auch mit, dass sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit und Einflussmöglichkeiten eruieren werde, "inwiefern ein Tätigwerden zur Modifikation dieses bestehenden Rechtsrahmens hin zu einem effektiven Schutz der Betroffenen im Sinne der Fragestellung als sinnvoll und zielführend erscheint". Ich frage die Landesregierung: 1. Gab es im Jahr 2018 in Thüringen Fälle, in denen per Notruf bei den Rettungsleitstellen ärztliche Hilfe wegen des Konsums illegaler Substanzen angefordert wurde und die Notrufzentrale hierüber die Polizei in Kenntnis setzte, so dass diese zum Einsatz hinzukam und entsprechende Ermittlungen einleitete (falls ja, in wie vielen Fällen und um welche Substanztypen handelte es sich)? 2. In welchen Fällen wurde die Polizei jeweils aufgrund der Tatsache von Gefährdungslagen infolge eines Betäubungsmittelkonsums (zum Beispiel ein Verletzter unter Betäubungsmittel-Einfluss schlägt um sich, attackiert Rettungspersonal und muss fixiert werden) oder bei ausschließlichem Konsum, ohne das Dritte oder Rettungspersonal einer Gefahr ausgesetzt waren, hinzugezogen? Welche zahlenmäßigen Angaben kann die Landesregierung dazu vornehmen? Druck: Thüringer Landtag, 13. März 2019 Drucksache 6/ 6884 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 3. Bei welchen Alarmierungsschlagworten oder Einzelstichworten in den Leitstellen wird neben Rettungskräften auch die Polizei verständigt (zum Beispiel bei Körperverletzung; um Auflistung wird gebeten)? 4. Liegt seit der Drucksache 6/5295 vom 7. Februar 2018 inzwischen ein Eruierungsstand vor, nach dem die Landesregierung in der damaligen Antwort zu Frage 3 ankündigte, zu prüfen, inwiefern ein Tätigwerden zur Modifikation des bestehenden Rechtsrahmens hin zu einem effektiven Schutz der Betroffenen im Sinne der Fragestellung als sinnvoll und zielführend erscheint? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, wann ist damit zu rechnen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 27. Februar 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Zu 2.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Eine statistische Erhebung erfolgt diesbezüglich nicht. Zu 3.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Die Zentralen Leitstellen werden von den Landkreisen, kreisfreien Städten und Rettungsdienstzweckverbänden in kommunaler Selbstverwaltungshoheit betrieben. In welchen konkreten Fallkonstellationen neben Rettungskräften auch die Polizei verständigt wird, entscheidet somit eigenverantwortlich der jeweilige Leitstellenträger. Zu 4.: Die Prüfung der Landesregierung hat ergeben, dass ein Bedarf für eine Änderung des geltenden Rechts nicht besteht. Im Grundsatz - wenn auch nicht im Ausmaß - vergleichbare Konfliktlagen bestehen zum Beispiel, wenn ein Bankräuber oder Terrorist auf der Flucht angeschossenen wird, oder nach einem rauschbedingten Verkehrsunfall, bei dem der flüchtige Unfallverursacher selbst und möglicherweise weitere Personen verletzt wurden. Die Rechtsordnung nimmt im Interesse einer Vielzahl von Personen, die gerade durch solche Straftaten, von deren Begehung die Strafdrohung abschrecken soll, unmittelbar oder mittelbar gefährdet werden, eine Gefährdung von Gesundheit und Leben des Straftäters hin. Das ist auch bei Betäubungsmitteldelikten nicht unbillig. Die Bevölkerung ist vor einer Ausweitung des Marktes für illegale Drogen und besonders vor Drogen, die zu schweren Gesundheitsgefahren führen, zu schützen. Zudem besteht bereits ein effektiver Schutz des Betroffenen. Dieser begibt sich des Schutzes allenfalls aufgrund eigener Entscheidung, eine illegale Droge zu konsumieren. Wer das Risiko einer Gesundheitsschädigung durch Einnahme illegaler Drogen hinnimmt, sollte auch das Risiko (die Tatsache des Drogenkonsums wird gerade nicht in allen Fällen der Polizei bekannt) der Strafverfolgung tragen, wenn die Gesundheitsgefahr eine ärztliche Behandlung erfordert. Im Übrigen ist die Annahme, dass sich eine erhebliche Anzahl Betroffener in der angesprochenen Konfliktlage zulasten der Gesundheit entscheide, spekulativ. Maier Minister 2