06.03.2019 Drucksache 6/6914Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 19. März 2019 Kommunaler Finanzausgleich intransparent und unverständlich? Die Kleine Anfrage 3597 vom 8. Januar 2019 hat folgenden Wortlaut: Der Thüringer Minister für Inneres und Kommunales hat nach meiner Kenntnis zur jüngsten Landkreisver sammlung des Thüringischen Landkreistags am 19. Dezember 2018 öffentlich erklärt, dass der kommunale Finanzausgleich in Thüringen intransparent und selbst für ihn nicht verständlich sei. Zudem hat der Minis ter angekündigt, dass die Landesregierung beabsichtigt, Veränderungen im kommunalen Finanzausgleich ab dem Jahr 2020, die den Forderungen des Landkreistags entsprechen, vorzunehmen. Ich frage die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Thüringer Ministers für Inneres und Kommunales, wo nach der kommunale Finanzausgleich intransparent und unverständlich ist und wie wird diese Auffas sung begründet? 2. Wie ist zu erklären, dass der Thüringer Minister für Inneres und Kommunales einerseits den kommuna len Finanzausgleich für unverständlich hält und andererseits aber konkrete Vorschläge zur Erhöhung der Finanzausgleichsmasse und deren Verwendung macht? 3. Welche Änderungen hält die Landesregierung für geboten, um die Transparenz und Verständlichkeit des kommunalen Finanzausgleichs zu erhöhen, und wird die Landesregierung diesbezügliche gesetzliche Veränderungen dem Landtag vorschlagen? 4. Mit welchem Ergebnis erfolgte durch wen die Ermittlung der Mindestfinanzausgleichsmasse für das Jahr 2020? Welche Veränderungen bei den kommunalen Einnahmen wurden dabei unterstellt? Welche Än derungen bei den Ausgaben wurden mit welcher Begründung einberechnet? 5. Mit welchem Ergebnis erfolgte durch wen die Prüfung der Verteilungswirkungen (horizontaler Finanz ausgleich) durch die durch die Landesregierung geplanten Veränderungen beim kommunalen Finanz ausgleich? Wenn eine solche Prüfung bisher nicht erfolgte, wann soll durch wen diese Prüfung erfolgen oder weshalb soll möglicherweise auf eine solche Prüfung verzichtet werden? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6914 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 4. März 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1. bis 3.: Die Fragen 1 bis 3 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Darstellung der Aussagen des Thüringer Ministers für Inneres und Kommunales in der vom Fragestel ler in der Vorbemerkung aufgeführten Weise entspricht nicht dem tatsächlichen Duktus der ministeriellen Rede. Der Thüringer Minister für Inneres und Kommunales hat auf der Landkreisversammlung im Dezem ber 2018 vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass der kommunale Finanzausgleich sowohl bei der Bedarfsbe stimmung als auch den maßgeblichen Verteilungskriterien komplex und deshalb nicht leicht verständlich ist. Über den kommunalen Finanzausgleich wird ein großer Anteil des Landeshaushalts an die Kommunen wei tergeleitet. Es wird ein signifikanter Teil der kommunalen Finanzausstattung abgesichert und die Steuerein nahmen der Kommunen werden "aufgestockt". In diesen Kontext sind neben dem Finanzausgleich im en geren Sinne nach dem Thüringer Finanzausgleichsgesetz auch die Leistungen des Landes außerhalb der Finanzausgleichsmasse einzubeziehen. Den verfassungsrechtlichen Rahmen bildet Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thürin gen, wonach das Land verpflichtet ist, den Kommunen eine insgesamt angemessene Finanzausstattung zu sichern. Insgesamt sollen die Mittel so verteilt werden, dass dies den Kommunen die effektive Verwirk lichung ihres Selbstverwaltungsrechts erlaubt. Zu diesem Zweck sind bei der Verteilung insbesondere die individuelle Finanzkraft der Kommunen, Ein wohnerzahlen und Einwohnerstruktur sowie das (typisierte) Aufgabenspektrum (Verteilung von Kreis und Gemeindeaufgaben und Zuordnung zum eigenen beziehungsweise übertragenen Wirkungskreis) maßgeb lich. Welche individuellen Parameter hierzu in welcher Form zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus den (zum Teil umfangreichen/komplizierten) Regelungen des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes (ThürFAG). Im Vergleich mit den Finanzausgleichsgesetzen der anderen Flächenländer sticht das Thüringer Finanzaus gleichsgesetz dabei nicht als besonders kompliziert heraus, sondern zeichnet sich im Hinblick auf die rela tiv junge Neuregelung im Jahr 2013 sogar durch relativ unkomplizierte Regelungen aus. Grundlage dieser gesetzlichen Regelung ist die ebenfalls aufgrund der kommunalen Realität komplexe Er mittlung der "angemessenen Finanzausstattung" der Kommunen. Hieran wie an die Ermittlung der ebenso zu gewährleistenden "finanziellen Mindestausstattung" (vergleiche zu letzterer jüngst den Bericht in Anlage 1 zum Gesetzentwurf in der Drucksache 6/6653) stellt der Thüringer Verfassungsgerichtshof in seiner grund legenden Entscheidung aus dem Jahr 2005 (Urteil vom 21. Juni 2005, Az. 28/03) auf Grund der inhaltlichen Komplexität des Themas hohe verfahrenstechnische Anforderungen, deren Einhaltung zu gewährleisten ist. Mit der Reform des kommunalen Finanzausgleichs zum Ausgleichsjahr 2013 wurde hierzu ein Verfahren zur Ermittlung der angemessenen Finanzausstattung auf Basis der Jahresrechnungsergebnisse der Kom munen etabliert, welches zwischenzeitlich regelmäßig fortentwickelt wurde. Damit wurde auch eine gewisse Vereinfachung erreicht, da statt auf zusätzliche kommunale Abfragen abzustellen, die vorhandene Statistik Verwendung findet. Insgesamt werden für zwölf Aufgabenbereiche Zuschussbedarfe aus der aktuellst ver fügbaren kommunalen Jahresrechnungsstatistik ermittelt und mit aufgabenspezifischen Parametern auf das Ausgleichsjahr fortgeschrieben. Daneben sind Veränderungen im Bestand kommunaler pflichtiger eigener und übertragener Aufgaben und gegebenenfalls Sonderfaktoren zu eruieren und werden neben den eigenen Einnahmen der Kommunen in Ansatz gebracht. Die entsprechenden Revisionsberichte (vergleiche zuletzt den Bericht in Anlage 1 zum Gesetzentwurf in der Drucksache 6/4497, Seiten 3 bis 42) bilden die Grundla ge für die Anpassungen des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes, insbesondere hinsichtlich der Höhe des Partnerschaftsgrundsatzes zur Bestimmung der FAGMasse I sowie der Mehrbelastungsausgleichspau schalen als wesentlicher Teil der FAGMasse II für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Denn im Zuge der Revisionen werden auch regelmäßig die Einwohnerpauschalen für den Mehrbelastungsausgleich nach § 23 Abs. 1 ThürFAG sowie die aufgabenspezifischen Zuschläge für kreisangehörige Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften, welche partiell Landkreisaufgaben des übertragenen Wirkungskreises wahr nehmen, überprüft und neu festgelegt. Die Prüfung umfasst unter anderem individuelle Zuschussbedarfs berechnungen für die Kommunen der verschiedenen Verwaltungseinheitstypen sowie die Bildung von Wirt schaftlichkeitskorridoren aufgrund der jeweils aktuellst verfügbaren kommunalen Jahresrechnungsstatistik (jüngste Überprüfung vergleiche Seite 34 bis 39 der Anlage 1 zum Gesetzentwurf in der Drucksache 6/6653). 3 Drucksache 6/6914Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Auf Basis des anhand statistischer Ausgangsgrößen rechnerisch ermittelten ungedeckten Finanzbedarfs der Kommunen erfolgt in einem weiteren Schritt die Bestimmung der nach Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 der Ver fassung des Freistaats Thüringen geschuldeten angemessenen Finanzausstattung. Deren Höhe steht un ter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes. Da die Leistungsfähigkeit des Landes aktuell aufgrund steigender Steuereinnahmen als gut anzusehen ist, besteht die Möglichkeit, die Finanzausgleichsmasse auf Basis dieser gestiegenen Leistungsfähigkeit auf zustocken. Zu diesem Zweck sollen die in den Jahren 2018 und 2019 als KommunalInvestitionspaket bereitgestell ten Mittel von 100 Millionen Euro pro Jahr verstetigt und ab dem Jahr 2020 in die Finanzausgleichsmasse überführt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Erstes Gesetz zur Ände rung des Thüringer Finanzausgleichgesetzes (Drucksache 6/6653) wurde vom Kabinett am 15. Januar 2019 beschlossen und im Plenum vom 30. Januar bis 1. Februar 2019 in erster Lesung behandelt. Die vorgese hene Anhebung des Partnerschaftsgrundsatzes soll die Finanzausstattung der Kommunen finanziell merk lich und dauerhaft stärken und so einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände Rechnung tragen. Die Mittel sollen vollständig über die Schlüsselmassen ausgereicht werden. Damit wird kein zusätzlicher neuer Verteilmechanismus etabliert, sondern aus Gründen der Zweckmäßigkeit sowie der Nachvollziehbar keit auf das bestehende selbstverwaltungsfreundliche Verteilungssystem zurückgegriffen. Da Schlüsselzu weisungen als allgemeine Deckungsmittel nicht zweckgebunden sind, können die Kommunen folglich ent scheiden, ob sie die Mittel weiterhin für Investitionen oder abhängig von den konkreten Erfordernissen vor Ort auch im Verwaltungshaushalt einsetzen werden. Dieser selbstverwaltungsfreundliche und zur besseren Nachvollziehbarkeit auf bestehende Verteilungssys teme zurückgreifende Ansatz steht für die Landesregierung bei der Fortentwicklung des kommunalen Fi nanzausgleichs und insbesondere der Verteilmechanismen regelmäßig im Vordergrund. Dabei gilt es je doch stets das Spannungsfeld zwischen einer möglichst unkomplizierten selbstverwaltungsfreundlichen Verteilung und der Berücksichtigung individueller Parameter zum gezielten Ausgleich für bestimmte Aufga ben und die hieraus resultierenden Bedarfe im Blick zu halten. So wurden gerade in der aktuellen Legisla turperiode neben den Sonderlastenausgleichen für Schule und Kindertageseinrichtungen neue Sonderlas tenausgleiche wie zum Beispiel der Kurlastenausgleich eingeführt. Die geschilderten hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen bedarfs und verteilungsgerechten kommunalen Finanzausgleich lassen daher keine einfache für tatsächlich jedermann unmittelbar verständ liche Ausgestaltung sowohl der Bedarfsermittlung als auch der Verteilung zu, da stets ein in sich schlüssi ges, gleichwohl (individuell) bedarfsgerechtes Verfahren abgesichert sein muss. Kernanliegen der Landesregierung war und ist es deshalb, ihre komplexen Betrachtungen in den maß geblichen Gesetzentwürfen nachvollziehbar darzulegen und zu erläutern, damit stets ein informierter Be schluss des Gesetzgebers erfolgen konnte und auch zukünftig erfolgen kann. Insoweit ist die Landesregie rung stets bestrebt, gesetzliche Anpassungen auch zur Vereinfachung und Verschlankung der bestehenden Regelungen zu nutzen. Der aktuelle Gesetzentwurf in der Drucksache 6/6653 sieht daher zum Beispiel vor, die in den Jahren 2018/2019 geltende Hauptansatzstaffel zu streichen und somit die Verständlichkeit des § 9 ThürFAG durch eine Beschränkung der Regelung auf das ab dem Jahr 2020 erforderliche Maß zu er höhen. Zudem werden die Aufstockungsmittel nach § 3 Abs. 3a Satz 4 ThürFAG mit in den Anteilswert der Kommunen im Partnerschaftsgrundsatz integriert, was die Vorschrift ebenfalls vereinfacht. Trotz all dieser Bestrebungen wird es allerdings auch künftig nicht zu vermeiden sein, dass der kommuna le Finanzausgleich ein komplexes System im Spannungsfeld zwischen Einzelfallgerechtigkeit und System verständlichkeit ist und bleibt. Zu 4.: Ob mit der zur Verfügung gestellten Finanzausgleichsmasse die finanzielle Mindestausstattung sicherge stellt werden kann, wurde gemäß § 3 Abs. 6 ThürFAG im Rahmen einer kleinen Revision überprüft. Im Er gebnis wurde eine finanzielle Mindestausstattung von 1.281,29 Millionen Euro ermittelt. Die kleine Revision wurde vom Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales durchgeführt und in ei nem Prüfbericht dokumentiert. Dieser ist dem bereits oben genannten Gesetzentwurf der Landesregierung 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6914 (Drucksache 6/6653) als Anlage 1 angefügt. Hierin ist unter anderem auch die Prüfung und Berechnung der Pauschalen nach § 23 ThrüFAG (Mehrbelastungsausgleich) enthalten. Zu den Details der Überprüfung, welche mit Blick auf den Umfang der Prüfung den Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage spren gen würde, wird auf den Prüfbericht verwiesen. Zu 5.: Die Anpassung der Hauptansatzstaffel in zwei Schritten mit Wirkung ab den Finanzausgleichsjahren 2018 beziehungsweise 2020 erfolgte im Ergebnis einer finanzwissenschaftlichen Überprüfung des horizontalen Finanzausgleichs in Thüringen (Gutachten zur Überprüfung des horizontalen Finanzausgleichs in Thüringen; Anlage 2 zum Gesetzentwurf in der Drucksache 6/4497). Angesichts dieser aktuellen wissenschaftlichen Er gebnisse ist davon auszugehen, dass die Verteilung des Aufstockungsbetrags über die Schlüsselzuweisun gen eine an der individuellen Steuerkraft orientierte selbstverwaltungsfreundliche Verteilung gewährleistet. Für eine Verteilung des Aufstockungsbetrags von 100 Millionen Euro kann wie auch grundsätzlich für die Schlüsselzuweisungen noch keine verbindliche Berechnung erfolgen, da die maßgeblichen Parameter für die Verteilung der Schlüsselzuweisungen im Jahr 2020 noch nicht vorliegen. Grundlage für die Erhöhung der Einwohnerpauschalen für den Mehrbelastungsausgleich nach § 23 Thür FAG ist das Ergebnis der Überprüfung im Rahmen der jüngsten Revision (vergleiche Antwort zu den Fra gen 1 bis 3). Es ist damit von einer zielgerichteten Verteilung auszugehen. Eine verbindliche Berechnung der Einwohnerpauschalen konnte bislang nicht erfolgen, da die maßgeblichen Einwohnerzahlen (Stichtag: 31. Dezember 2018) noch nicht vorliegen. Maier Minister Kommunaler Finanzausgleich intransparent und unverständlich? Ich frage die Landesregierung: Zu 1. bis 3.: Zu 4.: Zu 5.: