07.03.2019 Drucksache 6/6924Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. März 2019 "Land Grabbing" in Thüringen - wird landwirtschaftliche Nutzfläche zum Spekulationsobjekt ? Die Kleine Anfrage 3645 vom 25. Januar 2019 hat folgenden Wortlaut: Der Begriff "Land Grabbing" steht im Allgemeinen für die massenhafte Landübernahme von mächtigen Konzernen , Staaten oder Investoren. Der Ankauf von gesamten Landwirtschaftsbetrieben in Thüringen ist in der Regel legal, jedoch treibt er durch die immense Gesamtgröße der betroffenen Fläche die Pacht- und Kaufpreise drastisch in die Höhe. Viele Bauern können sich so die Pacht von Land zur Bewirtschaftung nicht mehr leisten und werden zur Aufgabe ihres Betriebs gezwungen. Auch Jungbauern ist ein Einstieg in die Landwirtschaft und das Gründen eines eigenen Hofs aufgrund der hohen Pachtpreise oft nicht möglich. Eine Ursache ist der Aufschwung der Biokraftstoffe: Bisher genutzte Anbauflächen sind nicht groß genug für den Anbau von Lebensmitteln und Biokraftstoffen gemeinsam. Potentielles großflächiges Ackerland für Biokraftstoffe steigt an Wert, was neue Interessenten wie große Unternehmen und Investoren auf den Plan ruft. Eine zweite Ursache ist die aus der Finanzkriese resultierende Suche vieler Spekulanten nach einer neuen, abgekoppelten Investitionsmöglichkeit. Daher kommen oft viele Investoren aus dem Finanzsektor. Dies hat Auswirkungen auf die Wirtschaftsweise in der Landwirtschaft, die sich mehr und mehr an Profitinteressen orientiert. Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte geraten dabei in den Hintergrund. So werden zum Beispiel Energiepflanzen für Biokraftstoff oder für Biogasanlagen auf Flächen angebaut, die früher für den Nahrungsmittelanbau genutzt wurden und treten damit in direkte Konkurrenz zu diesen. Der Anbau von Biokraftstoffen für Biogasanlagen ist in Deutschland zum Teil lukrativer als der Nahrungsmittelanbau, da Biogasanlagen vom Staat stärker subventioniert werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie haben sich die Pachtpreise in den letzten zehn Jahren in Thüringen entwickelt (bitte nach Jahresscheiben , Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten und Gesamtzahl der Betriebe aufschlüsseln? 2. Wie viele Unternehmen, die nicht aus dem Agrarsektor stammen, haben nach Kenntnis der Landesregierung in Thüringen landwirtschaftliche Flächen gepachtet oder besitzen landwirtschaftliche Nutzflächen? 3. Aus welchen Branchen stammen die in Frage 2 nachgefragten Unternehmen (bitte Flächengröße pro Unternehmen und Branche aufschlüsseln)? 4. Wie hat sich die Zahl an Unternehmen in den letzten zehn Jahren entwickelt, die nicht aus dem Agrarsektor stammen, aber landwirtschaftliche Nutzflächen besitzen oder gepachtet haben? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Rudy (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6924 5. Plant die Landesregierung Maßnahmen, um den Aufkauf landwirtschaftlicher Nutzflächen in Thüringen durch finanzstarke, aber agrarfremde Unternehmen zu erschweren? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? 6. Plant die Landesregierung Maßnahmen, um den Aufkauf landwirtschaftlicher Nutzflächen in Thüringen durch finanzstarke, ausländische Unternehmen zu erschweren? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Das Thüringer Ministerium für Infrastrukur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 6. März 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Pachtpreisentwicklung in Thüringen wird auf der Internetseite des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft* sowohl graphisch als auch tabellarisch (Statistische Angaben zum Grundstücks- und Landpachtverkehr 2017) dargestellt. Zum einen sind die Verfahren nach Landpachtverkehrsgesetz ab dem Jahr 2008 aufgelistet. Zum anderen ist eine Unterteilung der Verfahren nach den Flächen der zuständigen Landwirtschaftsämter (heute: Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum - TLLLR -) erfolgt . Zusätzlich wurde ein bundesweiter Vergleich der Pachtentgelte vorgenommen. Des Weiteren wird jährlich das Pachtregister auf der oben genannten Internetseite zur Verfügung gestellt. Pro Gemarkung werden die Pachtpreise getrennt nach Acker- und Grünland ausgewiesen. Bei Aufschlüsselung nach Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten müssten Durchschnittspreise ermittelt werden . Das Aufschlüsseln nach der Gesamtzahl der Betriebe ist technisch nicht möglich. (Stand: 12. Februar 2019) 3 Drucksache 6/6924Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 2.: Wie viele beziehungsweise ob Unternehmen, die nicht aus dem Agrar-Sektor stammen, landwirtschaftliche Fläche gepachtet haben, ist der Landesregierung nicht bekannt. Hingegen sind die Ankäufe von Flächen von sogenannten Nichtlandwirten ebenfalls auf der in der Antwort zu Frage 1 genannten Internetseite einsehbar . Darüber hinaus erfolgt eine grundsätzliche Unterscheidung, analog des Thünen-Reports 52, nach Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristischen Personen. Im Zeitraum von 2006 bis 2017 sind jährlich zwischen 7.000 bis zu 10.000 (2017: 6.850) Hektar zur Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz beantragt worden (= circa ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Thüringen). 80 Prozent der Flächen wurden von Landwirten erworben. Die 20 Prozent Nichtlandwirte als Käufer stammen vorwiegend aus der Region. Zu 3.: Informationen mit Aufschlüsslung nach Branchen der Unternehmen mit Bezug aus Frage 2 liegen der Landesregierung nicht vor. Die grundsätzliche Unterscheidung erfolgt nach Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristischen Personen. Zu 4.: Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. Zu 5.: 80 Prozent der Flächen wurden von Landwirten erworben. Die 20 Prozent Nichtlandwirte als Käufer stammen vorwiegend aus der Region. Die Kaufgröße pro Vertrag beträgt durchschnittlich circa ein Hektar. Insoweit entspricht diese Entwicklung der bodenmarktpolitischen Zielsetzung einer breiten Eigentumsstreuung gemäß dem Länderbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2015. Anteilskäufe von außerlandwirtschaftlichen und von landwirtschaftlichen Investoren sind auch in Thüringen zu registrieren. Der damit übertragene Eigenlandanteil des Betriebs lag unter zehn Prozent der in Thüringen in einem Jahr gehandelten Fläche, was letztlich auch in der Fallstudie des Thünen-Instituts 2015 bestätigt wurde. Unabhängig davon sind die fachlich zuständigen Stellen sensibilisiert, wenn Ackerland in die Hände branchenfremder Investoren kommt. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft beteiligt sich aktiv an den Diskussionen im Rahmen der vom Bund eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppen. Zu 6.: Die Betriebsstruktur in der Thüringer Landwirtschaft ist zwischen den Jahren 2010 bis 2016 nahezu unverändert geblieben. Derzeit liegen der Landesregierung keine Hinweise darauf vor, dass der landwirtschaftliche Bodenmarkt in eine unerwünschte Schieflage durch finanzstarke, ausländische Unternehmen geraten ist oder in naher Zukunft geraten könnte. Gleichwohl befasst sich die in der Antwort auf die Frage 5 genannte Bund-Länder- Arbeitsgruppe unter aktiver Beteiligung Thüringens auch mit diesem Thema. Keller Ministerin Endnote: * Vergleiche https://www.thueringen.de/th9/tmil/laendlicherraum/bodenwirtschaft/index.aspx. "Land Grabbing" in Thüringen - wird landwirtschaftliche Nutzfläche zum Spekulationsobjekt? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Endnote: