14.03.2019 Drucksache 6/6941Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. März 2019 Gesetz zur Änderung des Thüringer Vergabegesetzes und anderer haushaltsrechtlicher Vorschriften (Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 6/6682) - Auswirkungen auf Kommunen und Wirtschaft sowie Umwelt und Private Die Kleine Anfrage 3663 vom 30. Januar 2019 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Werden durch die Regelung neue Pflichten für die Vollzugsbehörde eingeführt beziehungsweise bestehende Pflichten erweitert oder reduziert (bitte getrennt nach "Mitwirkungsvorbehalten", "Kontrollpflichten ", "Berichtspflichten", "Statistiken" und "Sonstige Pflichten" aufschlüsseln)? 2. Werden durch die Regelung neue Pflichten für Unternehmen eingeführt beziehungsweise bestehende Pflichten erweitert oder reduziert (bitte getrennt nach "Anzeige-/Meldepflichten", "Mess-/Aufzeichnungspflichten ", "Mitführungspflichten", "Nachweis-/Aufbewahrungspflichten", "Duldungs-/Mitwirkungspflichten" und "Sonstige Pflichten" aufschlüsseln)? 3. In welcher Höhe wird der öffentliche Haushalt des Landes beziehungsweise werden die öffentlichen Haushalte der kommunalen Gebietskörperschaften durch das Regelungsvorhaben belastet? 4. In welcher Höhe wird die Wirtschaft durch das Regelungsvorhaben jährlich finanziell belastet oder entlastet ? 5. Anhand welcher Verfahren und Methoden wurden die Belastungen beziehungsweise Entlastungen ermittelt ? 6. Sind von dem Regelungsvorhaben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen und wenn ja, welche finanziellen und sonstigen Erfüllungsaufwände sind damit verbunden? 7. Welche konkreten KMU-Belastungen sind voraussichtlich zu erwarten? 8. Bedingt die Umsetzung des Regelungsvorhabens einmalige oder laufende Investitionen und/oder fallen einmalige oder laufende externe Kosten an? 9. Hat das Regelungsvorhaben voraussichtlich negative Auswirkungen auf Marktanteile oder Umsätze? 10. Schafft das Regelungsvorhaben voraussichtlich Markteintrittsbarrieren? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6941 11. In welcher Höhe werden die Bürger durch das Regelungsvorhaben jährlich belastet, begünstigt oder entlastet? 12. Welche konkreten Regelungen belasten Private und greifen gegebenenfalls in deren grundrechtliche Freiheiten ein (bitte aufschlüsseln nach "Regelung", "betroffene Grundrechte", "Umfang des Eingriffs")? 13. Anhand welcher Methoden, Verfahren und empirischer Daten wurden potenzielle Grundrechtseingriffe abgeschätzt? 14. Worin liegt der Mehrwert für Private und anhand welcher Methoden, Verfahren und empirischer Daten wurde er ermittelt? 15. Welche Auswirkungen hat das Regelungsvorhaben auf die Umwelt? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 13. März 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: a) Durch die Regelungen werden für die Vollzugsbehörden die nachfolgend aufgeführten "Sonstigen Pflichten " erweitert. Diese Pflichten implizieren teilweise zugleich Kontrollpflichten. Durch die Einführung des vergabespezifischen Mindestlohns wird eine weitere Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge geschaffen (für unmittelbar staatliche Auftraggeber obligatorisch/für Kommunen und andere öffentliche Auftraggeber fakultativ). Auf Seiten der Beschaffungsstellen ergibt sich hierdurch im Rahmen der Auftragsvergabe und Kontrolle der Zahlung des Mindestlohns ein höherer Prüfungsaufwand. Gleichermaßen verhält es sich bei der Stärkung der Tariftreue im öffentlichen Personennahverkehr. Auch hier wird eine Voraussetzung für die Auftragsvergabe geschaffen. Danach erfolgt die Auftragsvergabe in diesem Bereich künftig nur noch an Unternehmen, die sich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmern bei der Auftragsausführung mindestens das in Thüringen in einem einschlägigen und repräsentativen mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbarten Tarifvertrag vorgesehene Entgelt zu zahlen. Sofern ein öffentlicher Auftraggeber die obligatorische Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Maßnahmen bei gleichwertigen Angeboten bei der Zuschlagserteilung vorsieht, ergibt sich für ihn im Rahmen der Auftragsvergabe und Kontrolle der Erfüllung dieses Kriteriums ein höherer Prüfungsaufwand. Durch den Verzicht auf die Vorlage von Eignungsnachweisen bei Bietern, die bereits in den letzten zwölf Monaten bei demselben Auftraggeber solche Nachweise vorgelegt haben, kann sich der Bearbeitungsaufwand für Vergabestellen erhöhen. Dies gilt dann, wenn diese die relevanten Dokumente von anderen Vergabestellen abfordern müssen. Die Erweiterung der bestehenden "fakultativen Bonusregelung" in eine "obligatorische Bonusregelung" führt zu einer Erhöhung des Bearbeitungsaufwands und der Kontroll- und Prüfpflichten der Vergabestellen. Nach der in § 19 ThürVgG-E vorgesehenen Änderung sind die öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, Bieter , deren Angebot nicht berücksichtigt werden soll, zusätzlich über den frühestmöglichen Zeitpunkt der Zuschlagserteilung zu informieren. b) Eine Reduzierung der Pflichten der Vergabestellen des Landes ergibt sich durch die Abschaffung der doppelten Veröffentlichung. Danach sind diese Auftraggeber nur noch verpflichtet, öffentliche Ausschreibungen und Teilnahmewettbewerbe auf der zentralen Landesvergabeplattform bekannt zu machen. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung im Thüringer Staatsanzeiger entfällt. Die Einführung des Bestbieterprinzips bewirkt ebenfalls eine Pflichtenreduzierung. Danach brauchen Vergabestellen nicht mehr für jeden einzelnen Bieter die Einhaltung der Vorgaben des Thüringer Vergabegesetzes (ThürVgG) zu überprüfen, sondern nur noch für denjenigen Bieter, der den Zuschlag erhalten soll. 3 Drucksache 6/6941Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Durch die Einführung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) wird - in Anlehnung an die Regelungen des § 9 Vergabeverordnung - für öffentliche Auftraggeber schrittweise die Pflicht zur Digitalisierung der Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte (sogenannte E-Vergabe) eingeführt (vergleiche § 7, § 38 UVgO). Durch die elektronische Verfahrensabwicklung ergibt sich eine Verfahrensvereinfachung. Zu 2.: a) Für die Unternehmen werden "Sonstige Pflichten" teilweise erweitert, teilweise reduziert. Die Unternehmen werden durch die Abschaffung der doppelten Veröffentlichungspflicht, die Einführung des Bestbieterprinzips sowie durch den Verzicht auf die Vorlage von Eignungsnachweisen bei Aufträgen bei demselben Auftraggeber innerhalb eines Kalenderjahres entlastet. Durch die Einführung des vergabespezifischen Mindestlohns wird eine weitere gesetzliche Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge geschaffen. Hierdurch ergibt sich auf Seiten der Vergabestellen eine zusätzliche Pflicht. Für Unternehmen wird durch diese zusätzliche Vergabevoraussetzung keine unmittelbar geltende gesetzliche Pflicht begründet, den vergabespezifischen Mindestlohn zu bezahlen. Ein Bieter, der diese Vergabevoraussetzung nicht erfüllt, ist von der Auftragsvergabe lediglich ausgeschlossen. Eine zusätzliche Pflicht für Unternehmen ergibt sich allerdings dadurch, dass der Bestbieter, der den Zuschlag erhalten soll, eine zusätzliche Erklärung bezüglich der Zahlung des vergabespezifischen Mindestlohns vorzulegen hat. Gleichermaßen verhält es sich bei der Stärkung der Tariftreue im öffentlichen Personennahverkehr durch das Gesetz. Auch hier wird eine weitere Voraussetzung für die Auftragsvergabe geschaffen. Danach erfolgt die Auftragsvergabe künftig nur noch an Unternehmen, die sich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmern bei der Auftragsausführung mindestens das in Thüringen in einem einschlägigen und repräsentativen mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbarten Tarifvertrag vorgesehene Entgelt zu zahlen. Eine Verpflichtung der Unternehmen, ihren Arbeitnehmern das nach dem oben genannten Tarifvertrag vorgesehene Entgelt zu bezahlen , ist damit nicht verbunden. Ein Bieter, der diese Vergabevoraussetzung nicht erfüllt, ist von der Auftragsvergabe lediglich ausgeschlossen. Eine zusätzliche Erklärungspflicht für Unternehmen wird durch diese Gesetzesänderung nicht begründet, da bereits nach gegenwärtiger Gesetzeslage bei der Vergabe von Aufträgen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs eine Erklärung zur Tariftreue abzugeben ist. Durch die neu eingeführte Möglichkeit für Vergabestellen, soziale und ökologische Maßnahmen bei der Zuschlagserteilung obligatorisch zu berücksichtigen, ergeben sich auf Seiten der Unternehmen ebenfalls keine Pflichten, diese Kriterien zu erfüllen. Bieter, die die vorgegebenen Kriterien nicht berücksichtigen, gelangen lediglich nicht in den Genuss der Bevorzugung. Allerdings ergibt sich für Bieter, die die vorgesehenen sozialen oder ökologischen Maßnahmen durchführen und deren Berücksichtigung begehren, die Pflicht, diesbezüglich Nachweise beizubringen. Durch die schrittweise Einführung der E-Vergabe erfolgt das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten im Rahmen der Auftragsvergabe grundsätzlich mittels elektronischer Mittel (§ 7, § 38 UVgO). Hierdurch werden die Verfahrensabläufe wesentlich vereinfacht. Zudem können Unternehmen öffentliche Auftragsbekanntmachungen und Vergabeunterlagen nunmehr immer auch im Internet abrufen (§§ 28, 29 UVgO). Die Vergabeunterlagen sind den Unternehmen kostenfrei und direkt abrufbar zur Verfügung zu stellen (§ 29 UVgO). Unternehmen können ihre Teilnahmeanträge und Angebote ab dem 1. Januar 2019 elektronisch einreichen (§ 38 Abs. 2 UVgO). Ab dem 1. Januar 2020 sind Unternehmen verpflichtet , Teilnahmeanträge und Angebote ausschließlich elektronisch einzureichen (§ 38 Abs. 3 UVgO). Für die zu verwendenden elektronischen Mittel gelten die in §§ 10 bis 12 Vergabeverordnung für den Oberschwellenbereich bereits festgelegten Anforderungen auch im Unterschwellenbereich (§ 7 Abs. 4 UVgO). Zu 3.: Der Landeshaushalt beziehungsweise die öffentlichen Haushalte (vergleiche dazu unten) werden durch die Regelung im Ergebnis um rund 767.000 Euro pro Jahr (Schätzung) entlastet. Die Belastung/Entlastung der Haushalte der kommunalen Gebietskörperschaften ist nicht im Einzelnen bezifferbar . Mehrkosten und Kostenreduzierungen konnten nur für die öffentlichen Auftraggeber insgesamt berechnet werden, so dass der Erfüllungsaufwand für kommunale Gebietskörperschaften in den oben genannten Beträgen enthalten ist. Im Saldo ergibt sich auch für die Kommunen eine Entlastung. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6941 Zu 4.: Durch die wesentliche Vereinfachung der verwaltungsmäßigen Abläufe und den Abbau von Bürokratie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wird aufseiten der Wirtschaft jährlich eine Einsparung in Höhe von 2.180.000 Euro geschätzt. Zu 5.: Eine belastbare Datengrundlage für eine genaue Berechnung des Erfüllungsaufwands ist nicht vorhanden. Die Kostenberechnung erfolgte daher auf Basis qualifizierter Schätzungen und durch Rückgriff auf bestehende Untersuchungen (zum Beispiel das Evaluierungsgutachten und die Schätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Berechnung des Erfüllungsaufwands durch die Einführung der Unterschwellenvergabeordnung ). Zu 6.: Ja; der zu Frage 4 dargestellte Erfüllungsaufwand bezieht sich auf die Wirtschaft insgesamt. Darin inbegriffen sind auch kleine und mittlere Unternehmen. Für eine genaue Differenzierung der Erfüllungsaufwände liegt keine belastbare Datengrundlage vor. Zu 7.: Siehe Antwort zu Frage 6. Einzelheiten zur Berechnung des Erfüllungsaufwands für die Unternehmen insgesamt ergeben sich aus den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs, Buchst. A. Ziff. III. 2. Zu 8.: Für die Wirtschaft sowie für die Vergabestellen ist durch die Vereinfachung der Prozesse und der Verfahren eine Kosteneinsparung zu erwarten. Einzelne Kostensteigerungen, insbesondere der laufenden Kosten , werden durch die zu erwartenden erheblichen Einsparpotenziale - insbesondere im Hinblick auf die Einführung der E-Vergabe - mehr als ausgeglichen werden. Dies gilt sowohl für das Land und die Kommunen als auch für die Wirtschaft. Zu 9.: Nein Zu 10.: Nein Zu 11.: Für Bürgerinnen und Bürger ergibt sich kein zusätzlicher unmittelbarer Erfüllungsaufwand. Soweit es sich um Auftragsvergaben in entgeltfinanzierten Bereichen handelt (zum Beispiel Benutzungsgebühren und/oder Beiträge), sind jedoch mittelbar Entgelterhöhungen möglich. Es liegen keine Erkenntnisse und Daten vor, die eine Ermittlung dieser gegebenenfalls mittelbaren finanziellen Auswirkungen ermöglichen. Zu 12.: Kein Eingriff des § 10 Abs. 2 und 3 ThürVgG-E in die Tarifautonomie/Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz Nach § 10 Abs. 2 ThürVgG-E dürfen öffentliche Aufträge für Dienstleistungen der allgemein zugänglichen Beförderung von Personen im öffentlichen Personennahverkehr nur an Unternehmen vergeben werden, die sich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistung mindestens das in Thüringen für diese Leistung in einem einschlägigen und repräsentativen mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbarten Tarifvertrag vorgesehene Entgelt nach den tarifvertraglich vorgesehenen Modalitäten zu zahlen . § 10 Abs. 3 ThürVgG-E regelt die Voraussetzungen und die Modalitäten zur Feststellung der Repräsentativität des oder der Tarifverträge. Die diesbezüglich in Betracht kommende verfassungsrechtlich geschützte negative Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes ist durch die geänderte Vorschrift des § 10 Abs. 2 und die neue Regelung des § 10 Abs. 3 ThürVgG-E nicht betroffen. Die negative Koalitionsfreiheit umfasst das Recht des Einzelnen , einer Koalition fernzubleiben oder aus ihr auszutreten. Diese negative Komponente des Artikels 9 Abs. 3 des Grundgesetzes schützt davor, dass ein Zwang oder Druck auf die Nichtorganisierten ausgeübt wird, einer Organisation beizutreten. 5 Drucksache 6/6941Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Das Bundesverfassungsgericht sah zum Beispiel die negative Koalitionsfreiheit nicht durch die Regelungen zur Allgemeinverbindlich-Erklärung gemäß § 5 des Tarifvertragsgesetzes als beeinträchtigt an. Allein dadurch , dass jemand den Vereinbarungen fremder Tarifvertragsparteien unterworfen wird, ist ein spezifisch koalitionsrechtlicher Aspekt nicht betroffen. Seine Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht weiter fortentwickelt und führt in einer weiteren Entscheidung aus, dass "wenn in der Regel nicht einmal der Druck auf einen Außenseiter durch seine Bindung an einen ganzen Tarifvertrag infolge dessen Allgemeinverbindlich -Erklärung die negative Koalitionsfreiheit zu verletzen vermag, so kann die Bindung eines Außenseiters lediglich an ein einzelnes tarifvertragliches Element noch weniger als unzulässiger Druck in Richtung auf einen Koalitionsbeitritt qualifiziert werden". Die Tatsache, dass die gesetzliche Regelung an den Ergebnissen von Koalitionsverhandlungen anknüpft, stellt für sich genommen keine Verletzung des Grundrechts der negativen Koalitionsfreiheit dar. Da die gesetzliche Normierung sowohl die tariflich gebundenen Unternehmen als auch die nicht gebundenen Unternehmen betrifft, kann von der Regelung kein Beitrittsdruck ausgehen. Hier kann in Bezug auf die geplante Regelung nichts anderes gelten, als bezüglich der anderen unterschiedlichen Formen der gesetzlichen Tariferstreckung. Somit ist durch die Regelung des § 10 Abs. 2 die verfassungsrechtlich geschützte negative Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht berührt. Kein Verstoß des § 10 Abs. 4 ThürVgG-E gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz Nach § 10 Abs. 4 ThürVgG-E vergeben staatliche Auftraggeber Aufträge an Unternehmen nur dann, wenn diese sich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistung ein Mindeststundenentgelt von 10,04 Euro (brutto) zu zahlen. Diese sogenannte vergabespezifische Mindestlohnregelung ist mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes) vereinbar. Der Grundrechtsbereich der Berufsfreiheit ist betroffen, da die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen wollen, zu einer bestimmten Gestaltung ihrer Verträge mit Dritten angehalten und damit in ihrer unternehmerischen Vertragsfreiheit berührt sind. Da die Einflussnahme auf die Entlohnung der Arbeitnehmer unmittelbarer Zweck der Regelung ist, greift die Regelung auch in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Gleichwohl liegt ein Grundrechtsverstoß nicht vor, da der Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt ist. Sinn und Zweck der Mindestlohnregelung ist, erstens, die Situation der Arbeitnehmer in Thüringen aufgrund gegebener landesspezifischer struktureller Nachteile zu verbessern, zweitens, die Flucht der öffentlichen Auftraggeber in das Privatrecht zu verhindern, drittens , Wettbewerbsnachteile für die heimische Wirtschaft zu mildern und viertens, einen Lohndruck im untersten Niedriglohnsektor zu vermeiden. Dadurch soll der Schutz der Arbeitnehmer - die bei tarifgebundenen Unternehmen arbeiten - vor Arbeitslosigkeit gestärkt, die Erhaltung sozialer Standards verbessert und das System der sozialen Absicherung entlastet werden. Hierbei handelt es sich um verfassungsrechtlich legitime Ziele. Die Verpflichtung der Bewerber um einen öffentlichen Auftrag zur Zahlung eines bestimmten vergabespezifischen Mindestlohns ist ein geeignetes Mittel zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten Ziele. Ein geeignetes Mittel ist bereits dann gegeben, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann; es genügt bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung. Gemessen hieran ist die Mindestlohnregelung grundsätzlich geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Darüber hinaus ist die vergaberechtliche Mindestlohnregelung zur Erreichung der Ziele auch erforderlich. Ebenso wie bei der Bewertung der Geeignetheit verfügt der Gesetzgeber auch bei der Frage der Zielerreichung über einen Beurteilungs - und Prognosespielraum. Ausgehend von dieser Einschätzungsprärogative ist davon auszugehen , dass die Einführung des vergabespezifischen Mindestlohns erforderlich ist, um die beabsichtigen Ziele zu erreichen. Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns negiert. Denn mit der Festlegung eines über den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn hinausgehenden , sich an einer für den öffentlichen Auftraggeber relevanten unteren Lohngruppe orientierenden Lohnstandards (vorliegend ist dies der unterste Tariflohn für die gewerblichen Beschäftigten der Gebäudereinigung ) kann der beabsichtigte Zweck weitaus intensiver verfolgt werden als mit dem bestehenden allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Schließlich ist die mit der Einführung des vergabespezifischen Mindestlohns einhergehende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit auch angemessen. Durch die Beschränkung der Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Mindestlohns lediglich auf die Fälle, die einer eigenen unternehmerischen Entscheidung zur Teilnahme an einer öffentlichen Auftragsvergabe unterliegen, ist das Gewicht des Eingriffs stark gemindert und wiegt der Eingriff weniger schwer als die rechtfertigenden Gründe, die der Regelung zugrunde liegen. 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6941 Die Mindestlohnregelung ist daher aus Sicht der Landesregierung mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes) vereinbar. Zu 13.: Die Abschätzung der Grundrechtskonformität der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelungen erfolgte anhand der Darlegungen höchstrichterlicher Rechtsprechung. Zu 14.: Der Mehrwert der Gesetzesänderungen für Private liegt in der Vereinfachung des Vergabeverfahrens, in der Berücksichtigung sozialer Aspekte und in der Förderung des ökologischen Wandels. Verbessert wird die Praktikabilität des Gesetzes auch aus Sicht der Wirtschaft und es werden Maßnahmen zur Entbürokratisierung getroffen, die Kosteneinsparungen für die Wirtschaft zur Folge haben werden. Verfahrensvereinfachungen und Kosteneinsparungen sind durch die Einführung des Bestbieterprinzips, die Konzentration der Veröffentlichung aller öffentlichen Auftraggeber auf die Landesvergabeplattform und die Einführung der elektronischen Vergabe zu erwarten. Zudem werden die Ziele des Thüringer Vergabegesetzes, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einen fairen Wettbewerb durch die Gewährleistung von Lohn- und Sozialstandards sicherzustellen sowie soziale und ökologische Kriterien zu berücksichtigen, gestärkt, ohne die Unternehmen wesentlich mehr zu belasten . Der Gesetzentwurf bildet damit ein ausgewogenes, den Erfordernissen der Praxis angepasstes Regelungswerk , das nach Möglichkeit die von den betroffenen Akteuren thematisierten Anforderungen, insbesondere zum Bürokratieabbau, berücksichtigt. Die Regelungsinhalte der Gesetzesnovellierung basieren weitestgehend auf der im Gesetz vorgegebenen Evaluierung des Thüringer Vergabegesetzes. Die Evaluierung erfolgte im Jahr 2017 auf der Grundlage des Gutachtens der Wegweiser GmbH Berlin Research & Strategy in Kooperation mit dem Forschungszentrum für Recht und Management öffentlicher Beschaffung der Universität der Bundeswehr München. Die Gutachter haben festgestellt, dass das Thüringer Vergabegesetz in Bezug auf seinen Aufbau und auf die Rechtssystematik von seinen Anwendern insgesamt positiv beurteilt und das Gesetz in der Praxis angenommen wird. Im Ergebnis hat sich das geltende Thüringer Vergabegesetz im Allgemeinen bewährt. Das Gutachten empfiehlt deshalb lediglich eine behutsame Weiterentwicklung des Gesetzes und gibt dazu Handlungsempfehlungen. Die Eckpunkte der Novellierung wurden in Werkstattgesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Kammern, den Wirtschaftsverbänden, den Gewerkschaften, weiteren Interessenverbänden sowie Landtagsabgeordneten diskutiert. Zudem wurde der Clearingbeirat beteiligt. Die teilweise sehr unterschiedlichen Interessen der jeweiligen Akteure wurden gegeneinander abgewogen und soweit wie möglich in die Erarbeitung des Änderungsgesetzes einbezogen. Durch die auf dieser Grundlage ermittelten Eckpunkte wird das Thüringer Vergabegesetz in Abwägung mit den politischen Zielsetzungen der Landesregierung zur Berücksichtigung sozialer Aspekte und zur Förderung des ökologischen Wandels behutsam weiterentwickelt, ohne Unternehmen stärker zu belasten. Zudem werden Anpassungen an Vorschriften des Bundesrechts sowie notwendige Aktualisierungen und redaktionelle Änderungen vorgenommen. Zu 15.: Durch die Einführung des Lebenszyklusprinzips bei der Beschaffung von Investitionsgütern und der Möglichkeit der Berücksichtigung von umweltbezogenen Aspekten (zum Beispiel Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz, der Entsorgung) kann eine Verbesserung der Umweltauswirkungen bewirkt werden. Tiefensee Minister Gesetz zur Änderung des Thüringer Vergabegesetzes und anderer haushaltsrechtlicher Vorschriften (Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 6/6682) - Auswirkungen auf Kommunen und Wirtschaft sowie Umwelt und Private Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: Zu 13.: Zu 14.: Zu 15.: