15.03.2019 Drucksache 6/6951Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 1. April 2019 Unterschiedlicher Anspruch bei Sozialleistungen? Die Kleine Anfrage 3684 vom 31. Januar 2019 hat folgenden Wortlaut: In einem mir vorliegenden Zeitungsbericht wird ein Fall einer fünfköpfigen deutschen Familie geschildert, die nach einer plötzlichen Arbeitslosigkeit des Haupterwerbers auf Sozialleistungen angewiesen sei. Weiterhin wird geschildert, dass ein Antrag auf Kindergeldzuschlag abgelehnt worden sei, da die Mindesteinkommensgrenze in Höhe von 900 Euro erreicht sei. Der Betroffene schildert in dem Artikel weiter, dass er in einer Flüchtlingsunterkunft Einsicht in Unterlagen einer vierköpfigen Familie aus einem Drittstaat gehabt habe, wonach für diese ein Anspruch von 1.350 Euro als Lebensunterhalt bestanden habe. Ich frage die Landesregierung: 1. Unter welchen Bedingungen kann diese geschilderte Situation zutreffend sein und ist es möglich, dass Unterschiede hinsichtlich der Höhe von Auszahlungsbeträgen zwischen Familien deutscher Nationalität und Migrantenfamilien zustandekommen? 2. Falls die geschilderte Situation nicht zutreffend sein sollte: Wie geht die Landesregierung mit derartigen Fake-News um? 3. Welche Voraussetzungen bestehen für einen Kindergeldzuschlag? 4. Welche Höchsteinkommensgrenze gilt für einen Kindergeldzuschlag? 5. Welche Sozialleistungen erhalten Asylsuchende in Deutschland? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 14. März 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, hat Anspruch auf existenzsichernde Sozialleistungen. Diese werden erwerbsfähigen Bedürftigen und deren Angehörigen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und voll erwerbsgeminderten Betroffenen beziehungsweise Personen, welche die Regelaltersgrenze für den Rentenbezug erreicht haben, nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) gewährt. Der Bedarf an unterstützenden Sozialleistungen bemisst sich in beiden Leistungssystemen weitgehend gleich. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Worm (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6951 Die weiteren Erläuterungen folgen der diesbezüglichen Internet-Zusammenfassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu letzteren gehören in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zunächst wird der persönliche Bedarf bestimmt, dann werden Einkommen und Vermögen angerechnet. Der Bedarf an laufenden Leistungen setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen: • Der Regelsatz ist ein monatlich gezahlter, pauschaler Betrag, um den Regelbedarf zu decken. Er dient zur Deckung von Ausgaben wie zum Beispiel für Ernährung, Kleidung oder die Anschaffung von Haushaltsgeräten . Die Höhe dieser Leistung ist abhängig davon, ob die Person zum Beispiel alleine lebt oder verheiratet ist, ob sie erwachsen oder ein Kind ist. Die entsprechenden Höhen werden als sogenannte Regelbedarfsstufen regelmäßig angepasst. Die ab 1. Januar 2019 geltenden Beträge sind in nachstehender Tabelle abgebildet. Berechtigte Regelbedarf • Alleinstehende • Alleinerziehende • Volljährige mit minderjährigem Partner 424 Euro • volljährige Partner je 382 Euro • Volljährige bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, Personen unter 25 Jahre, die ohne Zusicherung des kommunalen Trägers umziehen (18 bis 24 Jahre) 339 Euro • Kinder beziehungsweise Jugendliche im 15. Lebensjahr (14 Jahre) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres • minderjährige Partner (14 bis 17 Jahre) 322 Euro • Kinder ab Beginn des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (6 bis 13 Jahre) 302 Euro • Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (0 bis 5 Jahre) 245 Euro • Unterkunft in Höhe der tatsächlichen (angemessenen) Mietkosten. • Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind. Leistungen für die zentrale Warmwassererzeugung werden ebenfalls in tatsächlicher Höhe erbracht. • Insbesondere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Sozialhilfe erhalten oder deren Eltern den Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, haben grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen. Auch wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhält, kann einen Anspruch auf das Bildungspaket haben. Zudem kann ein Anspruch auf Leistungen des Bildungspakets nach dem SGB II bestehen, wenn das Kind beziehungsweise seine Eltern zwar ansonsten keine der genannten Sozialleistungen beziehen, jedoch die spezifischen Bildungs- und Teilhabebedarfe des Kindes nicht decken können. Das Paket umfasst eintägige Ausflüge von Schule oder Kindertagesstätte (tatsächliche Kosten), mehrtägige Klassenfahrten von Schule oder Kindertagesstätte (tatsächliche Kosten), Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf (100 Euro pro Jahr), Beförderung von Schülerinnen und Schülern zur Schule (Zuschuss zu den tatsächlichen Kosten), angemessene Lernförderung (tatsächliche Kosten), gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in der Schule , Kindertagesstätte oder Hort (Zuschuss) sowie Leistungen für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (10 Euro monatlich). • Aufwendungen für Mehrbedarfe, die nicht vom Regelbedarf abgedeckt sind, werden für bestimmte Lebenssituationen und besondere Umstände übernommen, sofern die persönlichen Voraussetzungen vorliegen. So werden unter anderem Mehrbedarfe für Leistungsberechtigte mit einem Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G, für werdende Mütter, für Alleinerziehende und bei dezentraler Wasserversorgung anerkannt. • Einmalige Leistungen werden für die Erstausstattung des Haushalts, für Bekleidung (einschließlich Sonderbedarf bei Schwangerschaft und Geburt) sowie für die Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstung sowie Miete von therapeutischen Geräten erbracht. Vom Regelsatz umfasster, jedoch im Einzelfall unabweisbar gebotener Sonderbedarf soll als Darlehen gewährt werden. • Weiterhin können Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung übernommen werden sowie Beiträge für die Altersvorsorge. 3 Drucksache 6/6951Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Maßgeblich ist also allein der ungedeckte Bedarf sowie ein Leistungsanspruch dem Grunde nach. Ob sich diese Leistungsberechtigung aus der Eigenschaft als deutscher Staatsbürger oder als Unionsbürger nach der erforderlichen Aufenthaltsdauer oder aber aus den entsprechenden Aufenthaltstiteln für Migranten, welche nicht aus EU-Ländern stammen, ergibt, beeinflusst die Höhe der Sozialleistung nicht. Zu den Leistungen für Asylsuchende wird auf Frage 5 verwiesen. Zu 2.: Soweit die Landesregierung beteiligt ist, bemüht sie sich um eine korrekte Darstellung der Sach- und Rechtslage . Darüber hinaus sind verkürzte oder unzutreffende Berichte in Ausübung von Presse- und Informationsfreiheitsrechten nicht immer zu vermeiden. Zu 3.: Der Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz, missverständlich auch als Kindergeldzuschlag bezeichnet , ist eine ergänzende Sozialleistung, die einkommensabhängig gewährt wird, um Bedürftigkeit im Sinne des SGB II zu vermeiden. Ein Zusammenhang zwischen Kindergeld und Kinderzuschlag besteht lediglich darin, dass für den Anspruch auf Kinderzuschlag auch eine Kindergeldberechtigung gegeben sein muss und dass beide Leistungen zusammen ausgezahlt werden. Voraussetzung für den Kinderzuschlag ist ein grundsätzlicher Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Dieser bleibt auch gewahrt, wenn stattdessen wahlweise Wohngeld in Anspruch genommen wird. Personen mit Anspruch auf Leistungen der laufenden Sozialhilfe steht der Kinderzuschlag nicht zu. Für Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten oder nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig sind und für Rentner kommt Kinderzuschlag nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. In diesen Fällen gelten die Einkommensgrenzen gleichermaßen. Der höchstmögliche Kinderzuschlag beträgt für jedes im gemeinsamen Haushalt lebende Kind seit dem 1. Januar 2017 monatlich 170 Euro. Bei mehreren Kindern setzt sich der Gesamtkinderzuschlag aus der Summe aller einzelnen Kinderzuschläge zusammen. Um den Kinderzuschlag zu erhalten, müssen diese Voraussetzungen erfüllt sein: • Bezug von Kindergeld (oder eine vergleichbare Leistung) für das Kind, • Bruttoeinkommen von mindestens 900 Euro (Elternpaare) oder 600 Euro (Alleinerziehende), • das Bruttoeinkommen übersteigt nicht die Höchsteinkommensgrenze, • zusammen mit dem Kinderzuschlag ist das Einkommen so hoch, dass kein Bedarf an Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld verbleibt. Zu 4.: Die Höchsteinkommensgrenze wird für jede Familie gesondert berechnet. Sie setzt sich aus dem Gesamtbedarf der Eltern, der aus dem Regelbedarf der Eltern nach dem SGB II (für Nahrung, Kleidung, laufende Haushaltsführung und anderes) und den anteiligen konkreten Wohnkosten (einschließlich Heizkosten) der Eltern besteht, sowie dem Gesamtkinderzuschlag zusammen. Zu 5.: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht das sich aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebende Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in Deutschland aufhalten , gleichermaßen zu. Es umfasst neben der physischen Existenz (Unterkunft, Heizung, Kleidung, Hygiene, Gesundheit und medizinische Versorgung) auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sowie zur Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2012, Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, zitiert nach juris, Rdnr. 62 bis 64). Der Bundesgesetzgeber hat folglich im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts dafür Sorge zu tragen, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich gesichert wird. Asylsuchende gehören nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG zu den Leistungsberechtigten nach diesem Gesetz und haben folglich Anspruch auf die dort geregelten Leistungen. Umfasst sind Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG und sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/6951 Die Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ist, ähnlich wie im klassischen Sozialhilferecht, abhängig vom Familienstand und vom Alter der Kinder. Zudem wird jeweils nach notwendigem Bedarf (Ernährung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts) und notwendigem persönlichen Bedarf zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens unterschieden. Die konkrete Höhe der Leistungen an Leistungsberechtigte bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Abs. 1 Asylgesetz kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Notwendiger persönlicher Bedarf § 3 Abs. 1 AsylbLG Notwendiger Bedarf § 3 Abs. 2 AsylbLG alleinstehende Leistungsberechtigte 135 Euro 219 Euro zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen, je 122 Euro 196 Euro weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt 108 Euro 176 Euro sonstige jugendliche Leistungsberechtigte von 15 bis 18 Jahren 76 Euro 200 Euro sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 83 Euro 159 Euro leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 79 Euro 135 Euro Der Bedarf an Unterkunft, Heizung und Hausrat wird gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG gesondert als Geldoder Sachleistung erbracht. Konkrete Beträge sind diesbezüglich im Asylbewerberleistungsgesetz nicht vorgegeben worden, da sie ihrer Höhe nach unterschiedlich ausfallen können. Gegebenenfalls besteht darüber hinaus ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe. Bedarfe auf Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden nach § 3 Abs. 3 AsylbLG Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 AsylbLG entsprechend den §§ 34, 34a und 34b SGB XII gesondert berücksichtigt. § 4 AsylbLG regelt die medizinische Grundversorgung und sieht vergleichsweise zum Fünften Buch Sozialgesetzbuch - Krankenversicherung - (SGB V) und zum SGB XII geringere Leistungen vor. Insbesondere regelt § 4 Abs. 1 AsylbLG, dass zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen zu gewähren sind. Die Leistungen werden in der Regel nicht als Barleistungen ausgereicht. Nach § 6 AsylbLG können unter bestimmten Voraussetzungen sonstige Leistungen gewährt werden Das sind solche, die nicht bereits über die Vorschriften der §§ 3 und 4 AsylbLG erbracht werden. Sonstige Leistungen kommen insbesondere in Betracht, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistungen zu gewähren. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach der Lage des Einzelfalls. Hält sich ein Asylsuchender länger als 15 Monate ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet auf, ohne die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst zu haben, sieht § 2 Abs. 1 AsylbLG vor, dass abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 und 7 AsylbLG, das SGB XII entsprechend anzuwenden ist. Mit der entsprechenden Anwendung des SGB XII ist gleichwohl nicht verbunden, dass die Betreffenden zu Leistungsempfängern von Sozialhilfe werden, sondern diese bleiben Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde gemäß § 2 Abs. 2 AsylbLG die Form der Leistung aufgrund der örtlichen Umstände. 5 Drucksache 6/6951Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach dieser Vorschrift erhält. Werner Ministerin Unterschiedlicher Anspruch bei Sozialleistungen? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: