03.04.2019 Drucksache 6/7046Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. April 2019 Gerichtliche Konsequenzen aus extrem rechten Versammlungen Die Kleine Anfrage 3535 vom 14. Dezember 2018 hat folgenden Wortlaut: Seit Jahren werden Rechtsrockkonzerte in Thüringen als Versammlungen angemeldet. Sie genießen somit den Schutz des Artikels 8 des Grundgesetzes. Aber auch Liederabende und andere rechtsextreme Veranstaltungen werden zum Teil als Versammlungen angemeldet und auch von den Versammlungsbehörden als solche genehmigt. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über extrem rechte Veranstaltungen, die als Versammlungen angemeldet wurden, jedoch durch die zuständige Versammlungsbehörde nicht als Versammlung zugelassen wurde (bitte Datum, Ort, Anmelderin beziehungsweise Anmelder, Versammlungstitel und Grund der Ablehnung seit dem Jahr 2009 nennen)? 2. Bei welchen dieser Ablehnungen wurden durch die Veranstaltenden der rechtsextremen Veranstaltungen Widerspruch bei der zuständigen Behörde eingelegt (bitte Datum, Ort, Anmeldende, Versammlungstitel und Entscheidung der zuständigen Versammlungsbehörde zum Widerspruch seit dem Jahr 2009 nennen)? 3. In welchen Fällen wurden durch die Veranstaltenden der extrem rechten Veranstaltungen oder die zuständigen Versammlungsbehörden ein Gerichtsverfahren bei dem zuständigen Verwaltungsgericht angestrebt (bitte Datum, Ort, Anmeldende, Versammlungstitel und zuständiges Verwaltungsgericht seit dem Jahr 2009 nennen)? 4. In welchem Verfahrenszug hat das zuständige Verwaltungsgericht in diesen Fällen entschieden und mit welcher Entscheidung (bitte Datum, Ort, Anmeldende, Versammlungstitel und Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit Begründung sowie Datum seit dem Jahr 2009 nennen)? 5. Hat bei Ablehnung der verwehrten Versammlung durch die Versammlungsbehörde das zuständige Verwaltungsgericht in seinem Beschluss eine unzureichende Begründung der Veranstaltenden beziehungsweise der zuständigen Versammlungsbehörde angemahnt? Wenn ja, bei welchen Verfahren? 6. Bei welchen der oben genannten Fälle wurde durch den Veranstalter oder die zuständige Versammlungsbehörde ein Klagefeststellungsverfahren angestrebt (bitte Datum, Fall und Ergebnis nennen)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7046 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 29. März 2019 (Eingang: 3. April 2019) wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Die Landesregierung ist sich der besonderen Bedeutung des Frage- und Informationsrechts des Thüringer Landtags bewusst. Dieses Recht unterliegt jedoch verfassungsrechtlichen Grenzen (Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen). So kann von einer Beantwortung unter anderem dann abgesehen werden, wenn gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner , insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 5. März 2014 (Az. 2 EO 386/13) auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verwiesen. Dieses habe als Datenschutzgrundrecht in Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen seine besondere Ausprägung gefunden. Danach können Private nicht das Objekt parlamentarischer Kontrolle sein. Soweit um die konkrete Nennung der Anmelder extrem rechter Veranstaltungen gebeten wird, handelt es sich außerdem um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016, deren Schutzwürdigkeit im Ergebnis der Abwägung mit dem parlamentarischen Informationsanspruch überwiegt. Durch die Benennung der personenbezogenen Daten im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage würde den betroffenen Personen eine politische Meinung oder weltanschauliche Überzeugung zugeordnet werden. Gemäß den vorgenannten Rechtsgrundlagen wurde die Beantwortung der Fragen insofern eingeschränkt. Zu 1. und 2.: Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet. Stadt Erfurt Für den 30. Juli 2016 wurde eine Versammlung mit dem Thema "Familienfest für hilfsbedürftige deutsche Familien - Deutsche Familien zuerst!" in Erfurt für "Die Rechte Mittelthüringen" angemeldet. Diese Versammlung wurde von der Versammlungsbehörde aufgrund der Versammlungsmittel, des Themas und des Gesamtgepräges nicht als Versammlung, sondern als Veranstaltung eingeordnet. Aufgrund der fehlenden Sondernutzungserlaubnis für die Veranstaltung erging eine Untersagungsverfügung. Durch den Veranstalter wurde Widerspruch erhoben. Diesem Widerspruch konnte von Seiten der Versammlungsbehörde nicht abgeholfen werden. Er wurde zur Entscheidung an das Thüringer Landesverwaltungsamt abgegeben. Der Widerspruch hat sich gemäß § 43 Abs. 2 Alt. 4 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz durch Zeitablauf erledigt. Landratsamt Hildburghausen Für den 15. Juli 2017 wurde eine Versammlung unter dem Thema "Identität & Kultur bewahren - Rede und Musikbeiträge gegen den Zeitgeist" in Hildburghausen auf dem Festplatz angemeldet. Nachdem die Stadt Hildburghausen Gründe angeführt hatte, warum der angemeldete Versammlungsort nicht zur Verfügung stünde, teilte der Anmelder im Kooperationsgespräch am 4. Mai 2017 mit, dass die Versammlung nunmehr in Themar auf den Flurstücken Nummer 1398 und 1379 durchgeführt werde. Mit Bescheid vom 13. Juni 2017 wurde von der Versammlungsbehörde festgestellt, dass die angemeldete Versammlung nicht dem Schutzbereich des Artikels 8 Grundgesetz (GG) unterliegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Versammlungsanmeldung zu einem erheblichen Teil Elemente, die für die Verwirklichung kommerzieller Interessen und die Befriedigung des Bedürfnisses nach Unterhaltung dienten, enthalte. Der Versammlungsanmelder plane tatsächlich die Durchführung einer Rockveranstaltung , in deren Mittelpunkt die Präsentation von sieben bekannten Rechtsrockbands stehe. Hierzu würden Eintrittskarten verkauft. Somit läge keine Versammlung vor, da der Unterhaltungscharakter überwiege. Hiergegen hat der Versammlungsanmelder am 22. Juni 2017 Widerspruch erhoben und einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht (VG) Meiningen gestellt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Juli 2017 wurde im Sinne des Antragstellers die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamtes des Landkreises Hildburghausen vom 13. Juni 2017 wiederhergestellt (VG Meiningen, Beschluss vom 3. Juli 2017; 2 E 221/17 Me). Gegen vorgenannten Beschluss legte das Landratsamt mit Schreiben vom 5. Juli 2017 Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 12. Juli 2017 wurde durch das Thüringer Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Juli 2017 (GZ.: 3 EO 544/17) zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 13. Juli 2017 hat die Versammlungsbehörde dem Widerspruch abgeholfen. 3 Drucksache 6/7046Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Bei der Versammlungslage am 15. Juli 2017 in Themar (vergleiche Antwort zu Frage 1 und 2) wurde ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht Meiningen durch den Versammlungsanmelder, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, gestellt. Zu 4.: Bei der Versammlungslage am 15. Juli 2017 in Themar hat das Verwaltungsgericht Meiningen im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruches wiederhergestellt (VG Meiningen, Beschluss vom 3. Juli 2017; 2 E 221/17 Me). Zur Begründung wurde vom Verwaltungsgericht im Wesentlichen dargelegt: Die im Feststellungsbescheid getroffenen Festlegungen seien unrichtig und verletzten die materielle Rechtsposition des Antragstellers. Die angemeldete Versammlung "Rock gegen Überfremdung - Identität & Kultur bewahren - Rede und Musikbeiträge gegen den Zeitgeist" sei als Veranstaltung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu behandeln. Vorliegend sei von einer gemischten Veranstaltung auszugehen, also einer Veranstaltung, die sowohl Elemente enthalte, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sei, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen seien. Bei der Beurteilung komme es darauf an, ob diese gemischte Veranstaltung in ihrem Gesamtgepräge noch als Versammlung zu werten sei. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirke das hohe Recht der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln sei (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001; 1 BvQ 28/01 und 30/01). Die Versammlungsbehörde habe die Versammlung zu Unrecht als kommerzielle Vergnügungsveranstaltung eingestuft. Dem Gebot des Artikels 8 GG sei nicht ausreichend Rechnung getragen worden und teilweise die Bedeutung der einzelnen Versammlungselemente nicht erkannt und hinreichend gewürdigt und deshalb nicht in ausreichender Beziehung zueinander gesetzt worden. Den Musikdarbietungen sei nicht der notwendige politische Charakter beigemessen worden. Durch den Auftritt von sieben Bands kombiniert mit zwölf beziehungsweise 13 Rednern ließe sich ein Bezug zur öffentlichen Meinungsbildung im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsmotto herstellen. Mit Beschluss vom 12. Juli 2017 wurde durch das Thüringer Oberverwaltungsgericht die Beschwerde des Landratsamtes des Landkreises Hildburghausen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Juli 2017 zurückgewiesen (GZ.: 3 EO 544/17). Zur Begründung wurde vom Thüringer Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen dargelegt: Die Beschwerde genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung, weil der Antragsgegner sich in seiner Beschwerdebegründung nicht in der durch diese Vorschrift gebotenen Weise mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss auseinandersetzt . So finde in der Beschwerde keinerlei Auseinandersetzung mit den recht ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Aspekt von Musikdarbietungen als Meinungsäußerung im Sinne des Versammlungsrechts und der hierzu angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung statt. Ungeachtet der Defizite hinsichtlich des Beschwerdevorbringens hält der Senat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aber auch im Ergebnis für richtig. Zu 5.: Das Verwaltungsgericht Meiningen führt hierzu ebenfalls aus, dass hinsichtlich der insgesamt vorzunehmenden Beurteilung im Vergleich mit den durchgeführten Versammlungen des Anmelders im Vorjahr der Sachvortrag der Versammlungsbehörde vage bleibe und nicht dargetan werde, inwieweit sich hierzu belastbare Rückschlüsse auf die streitige Veranstaltung ergäben. Zu 6.: Entsprechende Verfahren sind für den nachgefragten Zeitraum nicht bekannt. Lauinger Minister Gerichtliche Konsequenzen aus extrem rechten Versammlungen Ich frage die Landesregierung: Zu 1. und 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: