04.04.2019 Drucksache 6/7053Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. April 2019 NS-Zeitzeugenvortrag in Fretterode Die Kleine Anfrage 3671 vom 29. November 2018 hat folgenden Wortlaut: Am 8. November 2018 fand in Fretterode in einem Privathaus eine als "Zeitzeugenvortrag" beworbene Veranstaltung mit einem ehemaligen Mitglied der Leibstandarte SS Adolf Hitler und späterem Mitglied der 12. SS-Panzerdivision statt. Der in der Veranstaltungswerbung genannte Zeitzeuge wurde als einer der Täter des Massakers von Ascq, bei dem 86 Franzosen erschossen wurden, im Jahr 1949 vom Militärgericht Metz zum Tode verurteilt, die Strafe wurde jedoch nie vollstreckt. Zum "Zeitzeugenvortrag" sollen rund 120 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet aber auch aus Frankreich angereist sein. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu der Veranstaltung am 8. November 2018 in Fretterode vor? 2. Wie viele Teilnehmer reisten nach Kenntnis der Landesregierung aus welchen Bundesländern beziehungsweise Staaten an (bitte einzeln auflisten)? 3. Wurden Personalien der anreisenden Teilnehmer erfasst? 4. Wurde die Veranstaltung im Vorfeld angezeigt, wenn ja, als was, wann und welche Auflagen wurden für die Veranstaltung erteilt? 5. Ist der Landesregierung bekannt, ob Eintritt oder ein sogenannter "Unkostenbeitrag" erhoben wurde und wenn ja, in welcher Höhe? 6. Ist der Landesregierung bekannt, ob es einen Ticketvorverkauf gab und wenn ja, wie sich dieser gestaltete? 7. Ist der Landesregierung bekannt, welche Inhalte der Zeitzeuge und verurteilte NS-Täter bei der Veranstaltung verbreitete? 8. Wie viel Polizei war aufgrund der neonazistischen Veranstaltung eingesetzt? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7053 9. Wurden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten der Teilnehmer festgestellt, wenn ja, wie viele und welche (bitte einzeln auflisten nach Geschlecht, Alter, Art der Straftat/Ordnungswidrigkeit, Kommune, Staat)? 10. Welchen extrem rechten Strukturen können die Teilnehmer des "Zeitzeugenvortrags" eines NS-Täters zugerechnet werden? 11. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Bewerbung der konspirativ organisierten Veranstaltung vor? 12. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass ein verurteilter NS-Täter, der an der Ermordung von 86 Menschen beteiligt war und offenbar noch immer nationalsozialistischer Gesinnung ist, in Thüringen aufgetreten ist und ungestört seine mörderische Ideologie verbreiten konnte? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 2. April 2019 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Landesregierung ist sich der besonderen Bedeutung des Frage- und Informationsrechts des Thüringer Landtags bewusst. Dieses Recht unterliegt jedoch verfassungsrechtlichen Grenzen. So kann von einer Beantwortung unter anderem dann abgesehen werden, wenn gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen Einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen (Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen). Eine Abwägung mit dem Informationsinteresse der Abgeordneten ergab, dass dem Geheimschutz Vorrang vor dem Informationsanspruch der Abgeordneten bei der Beantwortung der Fragen 1 sowie 5 bis 7 zukommt. Die angefragten Informationen sind im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des Amtes für Verfassungsschutz schutzbedürftig. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten würde Rückschlüsse auf die nachrichtendienstliche Arbeitsweise und Erkenntnislage ermöglichen und somit die Aufgabenerfüllung gefährden. Zu 1.: Am 8. November 2018 fand in Fretterode im Wohnhaus eines bekannten Funktionärs der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) ein "Zeitzeugenvortrag" statt. An der nicht öffentlichen Veranstaltung nahmen etwa 70 Personen teil. Als Referent trat unter anderem ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS auf. Wegen seiner Beteiligung an einem Massaker in Ascq am 2. April 1944 wurde er im Jahre 1949 von einem französischen Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde jedoch nicht vollstreckt, da sich der Beschuldigte in Deutschland aufhielt. Ab dem Jahr 2015 wurde in der Bundesrepublik gegen ihn im Zusammenhang mit dem Massaker wegen Beihilfe zum Mord ermittelt. Das Verfahren wurde im Jahre 2018 allerdings wegen des französischen Urteils eingestellt, da ein Beschuldigter nicht zweimal wegen einer Tat bestraft werden kann. Am Veranstaltungsort waren mehrere Journalisten anwesend. Die Thüringer Polizei wurde im Vorfeld, am 5. November 2018, von einem der beteiligten Journalisten über die geplante Veranstaltung informiert. Von der Polizei wurden daraufhin die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen, insbesondere Raumschutzmaßnahmen , am 8. November 2018 getroffen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 2.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Polizeiliche Anreisekontrollen wurden nicht durchgeführt. Zu 3.: Die Personalien der anreisenden Teilnehmer wurden nicht erfasst. Zu 4.: Weder der Verwaltungsgemeinschaft noch dem zuständigen Landratsamt war die betreffende Veranstaltung angezeigt worden. Auflagen wurden demzufolge auch nicht erteilt. Zu 5. bis 7.: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 3 Drucksache 6/7053Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 8.: Es waren 19 Polizeibeamte im Einsatz, hiervon drei Beamte in unmittelbarer Nähe des Veranstaltungsgebäudes . Zu 9.: Es wurden keine Straftaten und Ordnungswidrigkeiten der Teilnehmer festgestellt. Zu 10.: Die Landesregierung geht davon aus, dass die Teilnehmer vor allem dem neonazistischen Spektrum sowie dem Umfeld der NPD zuzurechnen sind. Zu 11.: Die Mobilisierung erfolgte unter anderem über soziale Netzwerke. Zu 12.: Die Landesregierung verurteilt entschieden jegliche Form der Glorifizierung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Mythenbildung. Sie ist bestrebt, dies im Rahmen des geltenden Rechts zu verhindern. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt jedoch insbesondere im Bereich des Privaten eine besondere Herausforderung, da hier staatliches Handeln an seine Grenzen stößt. Sie stellt deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Maier Minister NS-Zeitzeugenvortrag in Fretterode Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5. bis 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: