04.04.2019 Drucksache 6/7059Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. April 2019 Umsetzung und Auslegung der Thüringer Bauordnung zum Einbau von Rauchwarnmeldern Die Kleine Anfrage 3768 vom 18. März 2019 hat folgenden Wortlaut: § 48 Abs. 4 der Thüringer Bauordnung beinhaltet Regelungen zu Rauchwarnmeldern. Dort heißt es: "Zum Schutz von Leben und Gesundheit müssen in Wohnungen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure, über die Rettungswege von Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben. Die Rauchwarnmelder müssen so eingebaut und betrieben werden, dass Brandgeruch frühzeitig erkannt und gemeldet wird." In Verbindung mit der Anwendungsnorm DIN 14676‑1 werden Normen für den Einbau, Betrieb und die Instandhaltung von Rauchwarnmeldern festgelegt. DIN‑Normen sind nach mir vorliegen‑ den Informationen Empfehlungen. Die Bewohner sollen durch die Installation von Rauchwarnmeldern rechtzeitig vor Brandrauch gewarnt wer‑ den. Der Einbau von Rauchwarnmeldern in Treppenhäusern beziehungsweise Aufgängen von Wohnhäu‑ sern ist nach meiner Kenntnis nicht zwingend geregelt, obwohl über diese Rettungswege führen. In der Folge eines Brandes in Treppenhäusern, Kellern und Dachböden erfolgt die Warnung der Bewohner sehr spät. Diese werden dann erst durch die Rauchentwicklung und die Warnsignale der Rauchwarnmelder in der Wohnung gewarnt. Die Regelungszuständigkeit liegt bei den Bundesländern. Die Übergangfrist für die Nachrüstung von Be‑ standswohnungen endete in Thüringen am 31. Dezember 2018. Ich frage die Landesregierung: 1. Erfolgt eine Kontrolle zur Umsetzung des in § 48 Abs. 4 der Thüringer Bauordnung verpflichtenden Ein‑ baus von Rauchwarnmeldern? Wenn ja, durch wen? Wenn nein, warum nicht? 2. Wie und durch wen werden die sich aus dem Gesetz ergebenden Dokumentationspflichten kontrolliert? 3. An wen können sich Mieter einer Wohnung wenden, wenn sie feststellen, dass oben genannte gesetzli‑ che Vorgaben nicht eingehalten werden und der Vermieter gemeldete Mängel nicht abstellt? 4. Mit welchen Folgen haben Wohnungseigentümer zu rechnen, wenn durch einen Brand und der Rauch‑ entwicklung Personen geschädigt wurden und keine funktionierenden Rauchwarnmelder in den gesetz‑ lich definierten Räumen vorhanden waren? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Schulze (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7059 5. Wie definiert die Landesregierung den Begriff "Fluchtwege"? 6. Zählen Treppenhäuser zu Fluchtwegen? Wenn nein, warum nicht? 7. Haben Holztreppenhäuser bezüglich der Entstehung und Ausbreitung von Bränden beziehungsweise Brandrauch ein höheres Gefahrenpotential in Bezug auf den Brandverlauf? 8. Warum ist der Einbau von Rauchwarnmeldern in Treppenhäusern, die einen großen Holzanteil aufwei‑ sen, nicht zwingend vorgeschrieben? 9. Wenn ein Fluchtweg über den Dachboden eines Hauses führt, sind in diesem Bereich dann auch Rauch‑ warnmelder nötig? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan‑ desre gierung mit Schreiben vom 3. April 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Verpflichtung zum Einbau von Rauchwarnmeldern kann genauso wie die Einhaltung aller in der Thü‑ ringer Bauordnung (ThürBO) enthaltenen Verpflichtungen nach § 58 Abs. 1 Satz 2 ThürBO durch die Bau‑ aufsichtsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen geprüft werden. Eine systematische Überprüfung ist nicht erforderlich. Zu 2.: Aus dem Gesetz ergeben sich weder direkt noch indirekt Dokumentationspflichten. Insbesondere ist die in der Kleinen Anfrage genannte DIN 14676‑1 nicht als technische Baubestimmung eingeführt. Zu 3.: Für die Verfolgung von Verstößen gegen Anforderungen der Thüringer Bauordnung sind die unteren Bau‑ aufsichtsbehörden zuständig. Zu 4.: In Betracht kommen zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft führt zu Auswirkungen auf den Versicherungsschutz auf seiner Internetseite* unter anderem aus: "Praktisch gibt es keine Auswirkungen auf den Versicherungsschutz, weil der fehlende oder unsachge‑ mäß betriebene Rauchmelder für den Schaden bzw. die Schadenhöhe ursächlich sein müsste. Ein sol‑ cher Zusammenhang kann in der Regel nicht hergestellt werden. Das zeigen auch die bisherigen Scha‑ denerfahrungen: Fälle, in denen ein fehlender oder unsachgemäß betriebener Rauchmelder negativen Einfluss auf die Entschädigung eines versicherten Sachschadens hatte, sind uns nicht bekannt." Inwieweit einzelne Versicherungen die Leistungen kürzen, wenn ein Rauchwarnmelder nicht vorhanden ist, ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Auffassung des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft zur fehlenden Nachweisbarkeit der Scha‑ densverursachung dürfte allgemein auf zivilrechtliche Ansprüche infolge fehlender Rauchwarnmelder zutref‑ fend sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einbaupflicht von Rauchwarnmeldern gerade nicht der Vermeidung von Sachschäden dient. Strafrechtlich kann je nach Folge der Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch ‑ StGB ‑) beziehungsweise der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 Bürgerliches Gesetzbuch), des Totschlags (§ 212 StGB) oder der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) erfüllt sein. Dabei kommt es auch darauf an, ob die Verursachung durch das Fehlen eines Rauchwarnmelders nachgewiesen werden kann. Das kann dann zu verneinen sein, wenn die Folge auch eingetreten wäre, wenn ein Rauchmelder vorhan‑ den gewesen wäre. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn infolge von Trunkenheit oder der Einnah‑ me von Schlafmitteln der Warnton nicht gehört worden wäre. Rechtsprechung hierzu ist der Landesregie‑ rung nicht bekannt. 3 Drucksache 6/7059Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Da die Thüringer Bauordnung den Begriff "Fluchtwege" weder in § 48 Abs. 4 noch an anderer Stelle ver‑ wendet, ist eine Beantwortung nicht möglich. § 48 Abs. 4 ThürBO stellt auf Rettungswege innerhalb der Wohnungen aus den dort genannten Räumen ab. Es handelt sich dabei üblicherweise um die Flure bezie‑ hungsweise einen Vorraum innerhalb der Wohnung. Zu 6.: Da Treppenräume nicht innerhalb von Wohnungen liegen, sind sie keine Fluchtwege im Sinne des § 48 Abs. 4 ThürBO. Zu 7.: Da eine Selbstentzündung nicht zu befürchten ist, gibt es keine Auswirkungen auf die Brandentstehung. Statistische abgesicherte Aussagen über einen anderen Brandverlauf sind nicht möglich. Es ist aber dar‑ auf hinzuweisen, dass der Brennbarkeit von Bestandteilen von Treppenräumen dadurch Rechnung getra‑ gen wird, dass die Thüringer Bauordnung je nach Gebäudeklasse unterschiedliche Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile stellt, die durch Nummer A 2.1.10 der Anlage zur Thürin‑ ger Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen konkretisiert werden. Zum anderen verlangt die Thüringer Bauordnung bei jeder Nutzungseinheit das Vorhandensein von zwei Rettungswegen und geht damit davon aus, dass der Treppenraum als Rettungsweg möglicherweise nicht mehr zur Verfügung steht. Zu 8.: Die Regelung des § 48 Abs. 4 ThürBO soll bewirken, dass Nutzer einer Wohnung bei Ausbruch eines Bran‑ des in der Wohnung frühzeitig gewarnt werden und dadurch in die Lage versetzt werden, die Wohnung zu verlassen. Daher sind Rauchwarnmelder nur innerhalb der Wohnung vorgeschrieben. Außerhalb von Nutzungseinheiten sind nach dem Brandschutzkonzept der Thüringer Bauordnung außer bei Sonderbauten keine Brandmeldeanlagen erforderlich. Sie können lediglich im Einzelfall vorgeschrieben werden, um die Nichteinhaltung von Anforderungen zu kompensieren. Zu 9.: Ein Rauchwarnmelder ist erforderlich, wenn sich der Dachboden innerhalb der Wohnung befindet. Keller Ministerin Endnote: * Vergleiche https://www.gdv.de/de/themen/news/rauchmelder‑‑‑lebensretter‑in‑der‑wohnung‑14358 Umsetzung und Auslegung der Thüringer Bauordnung zum Einbau von Rauchwarnmeldern Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Endnote: