17.04.2019 Drucksache 6/7122Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 13. Mai 2019 Ermittlungsverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte (Schwerpunkt Rechtsextremismus) Die Kleine Anfrage 3704 vom 25. Januar 2019 hat folgenden Wortlaut: Im Dezember 2018 wurde durch die Medien bekannt, dass mehrere Polizisten in Frankfurt suspendiert wurden , nachdem wegen der Verbreitung extrem rechter Inhalte (unter anderem Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) innerhalb einer WhatsApp-Gruppe ermittelt wurde. Ins Rollen kamen die Ermittlungen, weil eine Rechtsanwältin, die auch Nebenklägerin im NSU-Prozess war, Anzeige erstattete, nachdem ihr ein Fax zuging, in dem gedroht wurde ihre Tochter zu "schlachten". Unterschrieben war das Fax mit "NSU 2.0". Nach bisherigen Ermittlungen soll die nicht öffentliche Privatadresse der Familie und der Name der zweijährigen Tochter über einen Computer eines Frankfurter Polizeireviers abgerufen worden sein. Die Ermittlungen seien inzwischen auf mehrere andere Dienststellen ausgeweitet worden, wo ebenfalls, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, "rechtsextreme Umtriebe" bekannt geworden sein sollen. Im Januar 2019 wurde öffentlich, dass es ein weiteres Drohschreiben gegen die Anwältin gegeben hat, welches ebenfalls mit "NSU 2.0" unterzeichnet war. Laut Spiegel Online vom 18. Januar 2019 werde inzwischen gegen zwölf Polizeibeamte ermittelt. In der Vergangenheit soll es auch vereinzelt Ermittlungen wegen Verbindungen von Polizeibeamten zur extrem rechten Szene in Thüringen gegeben haben. So soll im Dezember 2015 die Wohnung eines Polizeibeamten in Nordhausen von Kollegen des Landeskriminalamts durchsucht worden sein, nachdem dieser zuvor mit extrem rechten Aufrufen und Waffenbildern in sozialen Netzwerken auffällig wurde. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte und Polizeianwärter wurden im Zeitraum von 2014 bis 2018 in Thüringen jährlich wegen Delikten der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- beziehungsweise dem Verdacht einer als rechtsextrem eingestuften Straftat geführt? 2. Was war jeweils der zu Frage 1 bestehende Vorwurf/Verdacht/Straftatbestand und welches Ergebnis beziehungsweise welche Konsequenzen hatten jeweils die Verfahren (bitte einzeln auflisten)? 3. Wie viele Disziplinarverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte und Polizeianwärter wurden im Zeitraum von 2014 bis 2018 in Thüringen jährlich geführt, weil der Verdacht im Raum stand, dass diese sich rechtsextrem , rassistisch, antisemitisch oder anderweitig extrem rechts geäußert oder verhalten haben, weil sie mutmaßlich Mitglied in entsprechenden Organisationen waren oder weil Neutralitätsverstöße im Raum standen, die im Zusammenhang mit einer rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen oder anderweitig extrem rechten Überzeugung gestanden haben könnten? 4. Was war jeweils der zu Frage 3 bestehende Vorwurf/Verdacht/Straftatbestand und welches Ergebnis beziehungsweise welche Konsequenzen hatten jeweils die Verfahren (bitte einzeln auflisten)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7122 5. Sind der Landesregierung in Thüringen Vorfälle bekannt geworden, bei denen im Zeitraum von 2014 bis 2018 Daten aus Polizeisystemen beziehungsweise aus Polizeicomputern an unberechtigte Dritte weitergegeben wurden, wenn ja, um wie viele Fälle handelt es sich und welche Angaben kann sie zu den betroffenen Datenbanken/Informationen machen? 6. Falls die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde: Waren darunter auch Fälle, bei denen der Verdacht im Raum stand, dass der oder die Verantwortliche rechtsextrem, rassistisch, antisemitisch oder anderweitig extrem rechts motiviert war oder ein entsprechender Zusammenhang bestanden haben könnte? Wenn ja, was waren die Konsequenzen? 7. Wurden der Landesregierung beziehungsweise den ihr nachgeordneten Behörden in den Jahren 2014 bis 2018 Fälle bekannt, wonach Polizisten Mitglied in verfassungsfeindlichen Organisationen oder Parteien waren, wenn ja, um wie viele Personen handelte es sich und welche Konsequenzen erwuchsen daraus? 8. Wurden der Landesregierung beziehungsweise den ihr nachgeordneten Behörden in den Jahren 2014 bis 2018 Fälle bekannt, wonach auch Polizisten in extrem rechten Kommunikationsstrukturen (zum Beispiel Messenger-Gruppen, Facebook-Gruppen et cetera) Mitglied waren, wenn ja, welche Angaben kann sie darüber, auch zahlenmäßig, machen? 9. Sind der Landesregierung beziehungsweise den ihr nachgeordneten Behörden im Zeitraum von 2014 bis 2018 weitere Fälle in Thüringen bekannt, bei denen Informationen von Polizisten beziehungsweise Polizeicomputern oder Polizeidatenbanken unberechtigt in der extrem rechten Szene landeten, wenn ja, welche Angaben kann sie dazu machen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 16. April 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die nachfolgende Tabelle zeigt das Fallaufkommen für die Jahre 2014 bis 2018 auf. Jahr Anzahl Ermittlungsverfahren 2014 3 2015 0 2016 1 2017 1 2018 0 Zu 2.: Hinsichtlich der Verfahrensausgänge liegen folgende Ergebnisse vor: Für das Jahr 2014 Gegen vier Beschuldigte wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung gemäß § 130 Strafgesetzbuch (StGB) geführt. Gegen zwei Beschuldigte wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) und gegen einen weiteren Beschuldigten nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Der vierte Beschuldigte wurde wegen Volksverhetzung, Diebstahls und Verwahrungsbruchs zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. In einem weiteren Ermittlungsverfahren wurde wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB und der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten gemäß § 126 StGB ermittelt. Der Beschuldigte wurde wegen Nötigung und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten zu einer Verwarnung mit Strafvorbehalt in Höhe von 55 Tagessätzen verurteilt. In einem dritten Ermittlungsverfahren wurde wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB und der Beleidigung gemäß § 185 StGB ermittelt. Der Beschuldigte wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verurteilt. Für das Jahr 2016 Das Strafverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB führte zu einer Verurteilung des Beschuldigten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten und zwei Wochen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 3 Drucksache 6/7122Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Für das Jahr 2017 Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zu 3. und 4.: Im Jahreszeitraum 2014 bis 2018 wurden insgesamt neun Disziplinarverfahren gegen Polizeibedienstete (Anwärter/PVB) der Thüringer Polizei im Sinne der Fragestellung geführt. Auf die Anlage* wird verwiesen. Diese wurde als VS-Vertraulich eingestuft. Zu 5.: In Beantwortung der Fragestellung wurde auf die nachfolgenden Delikte, abgestellt: • § 202a StGB - Ausspähen von Daten, • § 203 StGB - Verletzung von Privatgeheimnissen, • § 353b StGB - Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht, • Verstöße gegen das Bundes- oder Thüringer Datenschutzgesetz. Es wurden für den angefragten Zeitraum 188 Fälle im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem festgestellt , bei denen der Verdachtsfall einer Datenweitergabe bestand. Angaben zu den betroffenen Datenbanken/Informationen sind nicht möglich. In den Entitäten des Vorgangsbearbeitungssystems sind keine solchen Daten hinsichtlich der Weitergabe an unberechtigte Dritte recherchierbar . Eine händische Aktenrecherche wäre in allen Fällen notwendig, was einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bedeuten würde. Zu 6.: Die 188 Fälle aus der Antwort zur Frage 5 wurden auf PMK-Relevanz geprüft. Im Ergebnis ist zu fünf geführten Ermittlungsverfahren feststellbar, dass verfahrensrelevante Personen jeweils Bezüge zur PMK -rechts- aufweisen. In zwei dieser Fälle wurde das Verfahren gegen -Unbekannt- geführt , wovon eines gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Ein weiteres gegen eine bekannte Person geführtes Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In den übrigen zwei Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Zu 7.: Es liegen keine Erkenntnisse über Mitgliedschaften von im Beamtenverhältnis stehenden Angehörigen der Thüringer Polizei in einer verfassungsfeindlichen Organisation respektive Parteien vor. Zu 8.: Nein Zu 9.: Auf die Beantwortung der Fragen 5 und 6 wird verwiesen. In Vertretung Maier Staatssekretär Endnote: * Die Anlage zur Antwort auf die Kleine Anfrage wurden von der Landesregierung als Verschlusssache "VS-VER- TRAULICH" eingestuft. Auf den Abdruck der Anlage wird verzichtet. Das weitere Verfahren richtet sich nach § 115 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in Verbindung mit der Geheimschutzordnung des Landtags. Ermittlungsverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte (Schwerpunkt Rechtsextremismus) Zu 1.: Zu 2.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Endnote: