30.04.2019 Drucksache 6/7161Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. Mai 2019 Polizeilicher Umgang mit Journalisten bei Veranstaltung der neonazistischen Szene in Fretterode - Teil II Die Kleine Anfrage 3669 - korrigierte Fassung - vom 29. November 2018 hat folgenden Wortlaut: Am 8. November 2018 fand in Fretterode in einem Privathaus eine als "Zeitzeugenvortrag" beworbene Veranstaltung mit einem ehemaligen Mitglied der Leibstandarte SS Adolf Hitler und späterem Mitglied der 12. SS-Panzerdivision statt. Dieser Zeitzeuge wurde als einer der Täter des Massakers von Ascq, bei dem 86 Franzosen erschossen wurden, im Jahr 1949 vom Militärgericht Metz zum Tode verurteilt, die Strafe wurde jedoch nie vollstreckt. Zum "Zeitzeugenvortrag" reisten circa 120 Neonazis an, die Anreise zu der als "privat" deklarierten Veranstaltung wurde unter anderem durch mehrere Journalisten begleitet. Laut Aussagen von Journalisten sowie einem Pressebericht im Göttinger Tageblatt kam es unter anderem zu verbalen Drohungen von Neonazis gegen die anwesenden Journalisten, ebenso gab es mehrere Versuche von Neonazis , die Arbeit der Journalisten zu be- und verhindern. Weiterhin beschwerten sich Neonazis bei der anwesenden Thüringer Polizei über die Journalisten, woraufhin laut Pressebericht der Polizeiführer die Journalisten aufgefordert habe, das Fotografieren zu unterlassen und mit Platzverweis und Löschung der Bilder drohte. Ebenso seien die Personalien der anwesenden Journalisten, darunter einer der beiden, die im April 2018 bei einem Angriff durch Neonazis in Fretterode schwer verletzt wurden, durch die Polizei gefordert wurden. Wie das Göttinger Tageblatt weiter schreibt, sollen diese an den Beschwerdeführer, der Veranstalter und Hausbesitzer, weitergegeben werden, um diesem, so der Polizeiführer, entsprechend dem Thüringer Polizeiaufgabengesetz den Schutz privater Rechte gewährleisten zu können und um gegen eine mögliche Veröffentlichung der Bilder vorzugehen. Vor einer Sicherstellung der Kamera oder der Vernichtung der Bilder wertet die Polizei die Weitergabe der Personalien als das "mildeste Mittel". Der Journalist könne seiner Tätigkeit so weiter nachgehen, heißt es weiter. Das Blatt zitiert auch die örtliche Polizeipressesprecherin : "Wenn er zu einem späteren Zeitpunkt doch widerrechtlich die gefertigten Aufnahmen von Besuchern veröffentlichen sollte, haben die Geschädigten die Möglichkeiten, ihre rechtlichen Interessen durchzusetzen , und die Polizei stellt dann die erhobenen und entsprechend dem Polizeiaufgabengesetz und der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung erhobenen und gespeicherten Daten den Berechtigten zur Verfügung". Weiter heißt es beim Göttinger Tageblatt: "Um möglichen Verstößen gegen das Kunsturhebergesetz (Recht am eigenen Bild) vorzubeugen, hätten sich die Polizisten nach dem Polizeiaufgabengesetz entschlossen, das Fotografieren zu verbieten und entsprechend dem Thüringer Polizeiaufgabengesetz mit der Sicherstellung der Kamera und Vernichtung der Aufnahmen zu drohen." Die Zeitung zitiert ein weiteres Mal die Pressesprecherin mit den Worten "Ein Journalist fertigt Fotos, nicht um sie privat für sich zu verwerten , sondern über ein Ereignis, auch mit Bildern zu berichten ... Immer im Kontext zur privaten Veranstaltung bestand hier eine Gefahr für die anreisenden Besucher, dass ihre von ihnen gefertigten Fotos gleich oder zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden." Einer der von der Weitergabe der personenbezo- K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7161 genen Daten gegebenenfalls betroffenen Journalisten wurde erst im April 2018 während seiner Arbeit vor dem Grundstück des Neonazis Veranstalters in Fretterode schon einmal verfolgt, schwer attackiert und ihm wurde ein Messer in den Oberschenkel gerammt. Ich frage die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Weitergabe personenbezogener Daten von Journalisten an einen herausragenden Neonazi-Funktionär, der über ein erhebliches kriminelles Vorleben und militante Verbindungen verfügt, ein potentielles Risiko für die Sicherheit von Journalisten darstellen kann? 2. Dürfen Journalisten - unabhängig der Frage einer eventuellen Veröffentlichung - auch zu Recherchezwecken Aufnahmen und Recherchen vor einem Wohnobjekt anfertigen, bei dem Neonazis eine Veranstaltung durchführen? 3. War es nach Auffassung der Landesregierung erforderlich und angemessen, durch die anwesende Polizei den Journalisten a) das Fotografieren zu untersagen, b) mit der Beschlagnahmung der Kamera zu drohen, c) mit der Löschung der Bilder zu drohen und wie begründet die Landesregierung jeweils ihre Auffassung? 4. Unter welchen Bedingungen ist es rechtlich zulässig und datenschutzkonform, dass die Polizei Daten von Journalisten erhebt, um diese an Privatpersonen weiterzugeben (bitte bei der Begründung auch Ausschlussgründe angeben)? 5. Konnte die anwesende Polizei ausschließen, dass sich unter den anreisenden Teilnehmern des "Zeitzeugenvortrags " Personen des öffentlichen Lebens befanden? 6. Ist es Aufgabe von Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen, die zu einer Veranstaltung anreisenden Personen vor einer möglichen Veröffentlichung ihrer Bilder durch Journalisten und Journalistinnen zu schützen (bitte begründen)? 7. Sieht die Landesregierung anlässlich der Ereignisse vom 8. November 2018 einen Bedarf darin, die Vorfälle mit den beteiligten Polizeibeamten auszuwerten? 8. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung für die Zukunft zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten in ähnlichen Situationen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 25. April 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eine Datenübermittlung bedarf stets einer rechtlichen Grundlage und eines begründeten Rechtsanspruches . Eine Aussage, inwieweit eine Weitergabe von Daten im Sinne der Frage ein potenzielles Risiko darstellt , ist spekulativ. Zu 2.: Ja, ein Pressevertreter kann sich bei der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken grundsätzlich auf das sogenannte Medienprivileg berufen, das ihn von verschiedenen Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung befreit. Dabei ist der Grundsatz der Selbstregulierung der Presse durch den Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Pressrates zu beachten. Gleichwohl stehen sich beim Fotografieren von Personen durch Pressevertreter die Pressefreiheit und die Persönlichkeitsrechte betroffener Personen gegenüber. Die Abwägung dieser Rechte ist stets eine Frage des Einzelfalls. Zu 3.: Ein allgemeines Verbot zu Fotografieren wurde nicht ausgesprochen. Eine Beschlagnahme der Kameras beziehungsweise die Löschung der Bilder erfolgte nicht. 3 Drucksache 6/7161Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die übrigen Maßnahmen sollten nach den Schilderungen der vor Ort tätigen Polizeibeamten dem Schutz der Privatsphäre der Familie und der Veranstaltungsteilnehmer - auch vor Veröffentlichung der Fotos - dienen . Demnach haben die Polizeibeamten vor Ort solche Maßnahmen aus ihrer Sicht für erforderlich und angemessen gehalten. Gleichwohl wird darauf hingewiesen, dass im Blick auf die Pressefreiheit, das Medienprivileg und die Selbstregulierung der Presse solche Maßnahmen gegen Journalisten nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Zu 4.: Die Erhebung von Daten von Journalisten kann beispielsweise rechtlich zulässig sein, um • zu prüfen, ob es sich im konkreten Einzelfall um einen medienprivilegierten Pressevertreter handelt (Pressausweis) oder • die Durchsetzung eines im Einzelfall erkannten zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch zu ermöglichen. Im zweiten Fall handelt die Polizei im Rahmen der Aufgaben und Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 7 Polizeiaufgabengesetz (PAG). Ausschlussgründe ergeben sich, soweit für die Datenerhebung und -weitergabe keine gesetzlichen Grundlagen vorliegen. Zu 5.: Über die Anwesenheit von Personen des öffentlichen Lebens liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 6.: Im Regelfall hat ein Journalist zunächst selbst einzuschätzen, ob sein Handeln im Rahmen des Medienprivilegs am Maßstab des Pressekodexes und - einer Veröffentlichung - im Rahmen der Regelungen des § 22 ff. Kunsturhebergesetz zulässig ist. Insofern wird grundsätzlich ein polizeiliches Einschreiten gegen Journalisten nicht notwendig sein, da regelmäßig eine funktionierende Selbstregulierung der Presse anzunehmen ist. Gleichwohl hat die Polizei gemäß § 2 Abs. 1 PAG unter anderem die Aufgabe, Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) und unter Berücksichtigung der Voraussetzungen in § 2 Abs. 2 PAG auch den Schutz privater Rechte zu gewährleisten. Polizeiliche Maßnahmen gegenüber Journalisten kommen insofern dann in Betracht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Verstöße gegen die Selbstregulierung der Presse zu befürchten sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Zu 7.: Der Einsatz wurde bereits durch den Polizeiführer nachbereitet. Zu 8.: Die Polizei ist an einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Medien stark interessiert . Wesentliche Aufgaben sind, die Rechte der Journalisten zu schützen und sichere Räume für die Berichterstattung zu schaffen. Dies erfolgt im Vertrauen auf die Selbstregulierung der Presse. Darüber hinaus werden Umgang und Zusammenarbeit mit Medienvertretern im Rahmen der Aus- und Fortbildung vertiefend behandelt. Maier Minister Polizeilicher Umgang mit Journalisten bei Veranstaltung der neonazistischen Sze-ne in Fretterode - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: