07.05.2019 Drucksache 6/7194Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Mai 2019 Opferberatungsstellen in Thüringen Die Kleine Anfrage 3719 vom 20. Februar 2019 hat folgenden Wortlaut: Eine Thüringer Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt veröffentlichte in der Ostthüringer Zeitung am 29. Januar 2019 eine Pressemitteilung, in der "Angriffe auf Andersdenkende " thematisiert werden. Demnach registrierte die Beratungsstelle im Jahr 2018 18 Angriffe im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Damit nehme der Landkreis in der jährlichen Statistik der Opferberatungsstelle einen - meiner Auffassung nach traurigen - Spitzenplatz in Thüringen ein. Allein in den ersten zwei Wochen dieses Jahres habe die Beratungsstelle drei Angriffe im Landkreis erfasst. Nur wenige Taten würden durch die Betroffenen bei der Polizei angezeigt, was auf das mangelnde Vertrauen in die Ermittlungsbehörden hinweise, so die Beratungsstelle. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Opferberatungsstellen gibt es in Thüringen und unter welcher Trägerschaft stehen diese (bitte Aufstellung nach Trägerzugehörigkeit und Sitz der Beratungsstelle)? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit der jeweiligen Beratungsstellen? 3. Auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien erfolgt die Registrierung und statistische Erfassung der Übergriffe durch die jeweiligen Thüringer Opferberatungsstellen und inwieweit handelt es sich hierbei um Vorkommnisse, die auch polizeilich gemeldet sind? 4. Wie arbeiten die Thüringer Opferberatungsstellen mit Polizei und Justiz zusammen? 5. Sind der Landesregierung die im Artikel der Ostthüringer Zeitung vom 29. Januar 2019 von der Opferberatungsstelle genannten Vorfälle vollumfänglich beziehungsweise teilweise bekannt (bitte Auflistung nach Zeitpunkt, Ort und Vorkommnis)? 6. Inwieweit kann die Landesregierung die im Artikel der Ostthüringer Zeitung vom 29. Januar 2019 von der Opferberatungsstelle getroffene Aussage bestätigen, dass der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt einen "Spitzenplatz" bei den genannten Angriffen einnimmt? 7. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu der Aussage, dass aufgrund mangelnden Vertrauens in die Ermittlungsbehörden nur wenige Taten durch Betroffene angezeigt werden und wie begründet sie ihre Antwort? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7194 8. An welche Voraussetzungen ist die staatliche Förderung von Opferberatungsstellen gebunden? 9. Wie wurden die Opferberatungsstellen in Thüringen in den vergangenen fünf Jahren finanziert (bitte Auflistung der Beratungsstellen, Förderzweck, Förderbetrag, Haushaltsstelle)? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 6. Mai 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: In Thüringen gibt es ein breites Hilfs- und Beratungsangebot für Opfer von Gewalt. Beispielhaft seien - vor dem Hintergrund des Vorworts zu dieser Kleinen Anfrage, das fast ausschließlich auf Beratungsstellen für Opfer von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt fokussiert - der Verein WEISSER RING gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e. V. (Verein WEISSER RING) und "ezra - Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen" (ezra) genannt. Ezra befindet sich in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Sitz der Beratungsstelle ist Erfurt. Der Verein WEISSER RING hat ausweislich seiner Internetpräsenz sein Landesbüro in der Stadt Erfurt sowie Außenstellen in fast allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Die Beratungsstellen haben unterschiedliche Schwerpunkte und Konzepte für Ihre Arbeit mit Opfern von Kriminalität. Diese Einrichtungen bieten Beratungen, Informationen und Unterstützungen zu verschiedenen Themen an. Sie tragen wesentlich zur Betreuung von Gewaltopfern bei. Zu 3.: Zur Beantwortung der Frage liegen der Landesregierung keine ausreichenden Informationen vor. Ob und in welcher Form die jeweilige Einrichtung Statistiken führt, obliegt der Verantwortung des jeweiligen Trägers. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hat ein Definitionssystem zur statistischen Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) für die Sicherheitsbehörden festgelegt. Am Beispiel ezra kann festgestellt werden, dass bei der Erfassung von Straftaten andere Definitionen genutzt werden. Unterschiede ergeben sich beispielsweise, wenn ezra, anders als bei polizeilichen Definitionen (sowohl zur Polizeilichen Kriminalstatistik als auch zur Statistik PMK), Sachbeschädigungen und Bedrohungen - wenn sie massiv sind - zu Gewaltdelikten zählt. Der unbestimmte Begriff "massiv" erfährt dabei aber selbst keine Definition. Im Übrigen veröffentlicht ezra keine schriftliche Statistik, sondern stellt in mündlichen Pressekonferenzen eine eigene Chronik vor. Nicht alle Fälle, die in der Chronik veröffentlicht werden, fließen dann in die Statistik von ezra ein.1 Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e. V. (VBRG) erklärt eine mögliche Diskrepanz zwischen den Statistiken der Ermittlungsbehörden und der Beratungsstellen wie folgt: "Differenzen zwischen den Zahlen von Ermittlungsbehörden und den Beratungsstellen ergeben sich zum einen aus unterschiedlichen Bewertungen und Einschätzungen der Tathintergründe. Zum anderen dokumentieren die VBRG-Mitgliedsorganisationen nach sorgfältiger Recherche auch Gewalttaten, die nicht zur Anzeige gebracht wurden sowie in Einzelfällen auch Bedrohungen, Nötigungen und Sachbeschädigungen, wenn diese mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen verbunden waren. Außerdem aktualisieren die Beratungsstellen - im Gegensatz zur polizeilichen Erfassung - auch die Statistiken aus den Vorjahren nach Bekanntwerden weiterer Angriffe oder nach Verifizierung der Tatmotivation."2 Zu 4.: Ein Informationsaustausch der Opferberatungsstellen mit staatlichen Institutionen wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht findet nur im Auftrag der Opfer und in enger Absprache mit ihnen unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften statt. 3 Drucksache 6/7194Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5. und 6.: Aus den in der Beantwortung der Frage 3 genannten Gründen können beide Fragen nicht beantwortet werden. Zu 7.: Der Landesregierung liegen keine Informationen zum Anzeigeverhalten von Betroffenen vor. Der "THÜRIN- GEN-MONITOR 2018" befasst sich ab Seite 87 (Nr. 2 Institutionsvertrauen) mit der Thematik "Vertrauen" und kommt zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Befragten der Polizei "voll und ganz" oder "weitgehend" vertrauen. Die Polizei hat im Übrigen seit dem Jahr 2000 die höchsten Zustimmungswerte unter den einbezogenen Institutionen. Zu 8. und 9.: Vor dem Hintergrund des Vorworts zu dieser Kleinen Anfrage beziehen sich die Antworten zur Frage der Förderung ausschließlich auf ezra. Die staatliche Förderung der Opferberatungsstelle ezra ist an die "Förderrichtlinie des Bundesprogramms Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit"3 (Punkt 4 Voraussetzungen , Art, Umfang und Höhe der Förderung) und an das "Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit"4 (vergleiche Nr. 4.3 Förderung der Opferberatung) und die zugehörige Förderrichtlinie (Richtlinie "Förderung von Maßnahmen zur Umsetzung des Thüringer Landesprogramms für Demokratie , Toleranz und Weltoffenheit"5) gebunden. Danach werden Beratungsangebote für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gefördert. Die erbetenen Angaben sind in der nachfolgenden Übersicht dargestellt. Übersicht über Förderungen für die Opferberatung ezra Thüringen (Kapitel 04 31 Titel 684 82) Haushaltsjahr Förderzweck Förderhöhe in Euro davon Bundesmittel in Euro Landesmittel in Euro 2014 Personal- und Sachkosten Beratungsstelle 201.487,49 97.407,87 104.079,62 2015 228.463,01 105.000,00 123.463,01 2016 281.804,08 130.584,62 151.219,46 2017 338.295,00 150.000,00 188.295,00 2018 377.886,76 150.000,00 227.886,76 2019 402.667,94 196.799,12 205.868,82 Holter Minister Endnote: 1 Vergleiche https://ezra.de/chronik/, aufgerufen am 16. April 2019 2 Vergleiche https://www.verband-brg.de/ueber-uns/, aufgerufen am 16. April 2019 3 Vergleiche https://www.demokratie-leben.de/fileadmin/content/PDF-DOC-XLS/Leitlinien/1805_Foerderleitlinie_A_2018_ final_barrierefrei.pdf, aufgerufen am 2. Mai 2019 4 Vergleiche https://denkbunt-thueringen.de/wp-content/uploads/2017/02/Landesprogramm-f%C3%BCr-Demokratie- Weltoffenheit-und-Toleranz_2017.pdf, aufgerufen am 2. Mai 2019 5 Vergleiche http://denkbunt-thueringen.de/wp-content/uploads/2015/11/Richtlinie-2017-Endfassung.pdf, aufgerufen am 2. Mai 2019 Opferberatungsstellen in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1. und 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5. und 6.: Zu 7.: Zu 8. und 9.: Endnote: