13.05.2019 Drucksache 6/7213Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 29. Mai 2019 Situation bei Vermarktung, Holzpreis und Liquidität der ThüringenForst - Anstalt öffentlichen Rechts - Teil I Die Kleine Anfrage 3777 vom 21. März 2019 hat folgenden Wortlaut: Stürme, Trockenheit und daraus folgende Borkenkäfervermehrung in Nadelwäldern sind eine große Herausforderung für die Thüringer Forstwirtschaft. Marktpreise sind unter Druck, weil große Mengen Schadholz auf dem Markt angeboten werden. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Vermarktung von Laubholz intensiviert wurde. Mit über 200.000 Hektar besitzt das Land 40 Prozent des gesamten Walds in Thüringen. Die vom Land mit der Forstwirtschaft beauftragte ThüringenForst - Anstalt öffentlichen Rechts hat damit eine besondere Verantwortung . Ich frage die Landesregierung: 1. War durch das eigene Monitoring des forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrums eine Borkenkäferkalamität im Jahr 2018 prognostizierbar? Wenn ja, welche vorbereitenden Maßnahmen wurden seitens ThüringenForst ergriffen? 2. Welche Möglichkeiten der Konservierung des Schadholzes (Sturmschaden "Frederike" und Käferholz) wurden über private Dienstleistungsunternehmen verwirklicht? Welche eigenen Möglichkeiten der Holzkonservierung hätte ThüringenForst gehabt? Inwieweit wurden, soweit vorhanden, die eigene Technik und Flächen genutzt? 3. Wie stellt sich die Entwicklung der tatsächlichen Schadholzmenge im Vergleich zur selbstprognostizierten Schadholzmenge im Jahresverlauf dar (differenziert nach Sturm- und Käferholz in Monatsscheiben ab Januar 2018 mit Holzpreisen in Erntefestmetern Derbholz ohne Rinde)? 4. Ab welcher Schadholzmenge hätten die bestehenden Abnahmeverträge im Jahr 2018 von Thüringen- Forst an Dritte angepasst beziehungsweise korrigiert werden müssen? Mit welchen wirtschaftlichen Folgen wäre beim Eintritt einer Kalamitätsholzklausel zu rechnen gewesen? 5. Was unterscheidet das Schadereignis "Frederike" und "Lothar" betreffend die Schadholzmenge, Vermarktung , Kalamitätsgefahr und forstlichen Maßnahmen? Wäre ein bundesweiter Einschlagsstopp im Verbund mit anderen Bundesländern realisierbar gewesen und hätte dadurch die aktuelle Forstkatastrophe vermieden werden können? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7213 6. Aus welchen Gründen besteht derzeit eine besonders "rege Nachfrage nach Eichenwertholz" (Zitat Website ThüringenForst)? Warum wird, anders als in anderen Jahren, erstmals eine zusätzliche Submission nur für Eichenholz durchgeführt? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 10. Mai 2019 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Eine Borkenkäferkalamität wird durch das Zusammentreffen verschiedener abiotischer und biotischer Faktoren hervorgerufen: Massenvermehrungen des Buchdruckers werden entweder durch Sturm oder Trockenheit hervorgerufen; im Jahr 2018 kamen beide Auslöser zum Tragen. In Thüringen wurde das Waldschutzgeschehen Anfang des vergangenen Jahres durch das Sturmereignis "Friederike" geprägt. Aufgrund der hohen Menge von circa 950.000 Festmeter Bruch- und Wurfholz, insbesondere bei der Baumart Fichte, und der warm-trockenen Witterung war das Gefährdungspotenzial durch den Buchdrucker für das Jahr 2018 als besonders hoch einzuschätzen. Die Witterungsbedingungen ab April 2018 mit überdurchschnittlichen Temperaturen und einem massiven Niederschlagsdefizit sowie die starke Blüte der Fichte stellten enorme Stressfaktoren für die Fichten dar, welche dem Buchdrucker die Besiedelung stehender Bäume deutlich erleichterte. Hinzu kamen noch sturmbedingte Wurzelabrisse, die die Wasseraufnahme zusätzlich verschlechterten. Hinzu kam, dass es im vergangenen Jahr zu einer beschleunigten Insektenentwicklung (von acht Wochen auf sechs Wochen) kam, so dass in Thüringen flächendeckend drei Borkenkäfergenerationen festgestellt werden mussten. Zu 1.: Das Waldschutzmeldewesen, welches seit dem Jahr 1947 in Thüringen lückenlos existiert, ist ein bewährtes Instrument, um rechtzeitig auf Schadereignisse hinzuweisen. Aus diesen historischen Daten und aus aktuellen Monitoringwerten, die das Forstliche Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha in enger Zusammenarbeitet mit den benachbarten Institutionen ermittelt, lassen sich Trends erkennen und Rückschlüsse ziehen, jedoch ist eine punktgenaue Prognose mit den vielfältigen Einflussfaktoren (monatliche Witterung, Aufarbeitungsstand, unvorhersehbare zusätzliche Schadereignisse) nicht möglich. Das nachstehende Diagramm zeigt die monatliche Zunahme der Befallsmenge aufgrund des Buchdruckers in Thüringen im Jahr 2018 im Vergleich zur Prognose. Mit der gezielten Prognose wurde erst im August begonnen , da bis Juli keine extremen Auffälligkeiten (bis dahin geringe Befallshöhe) zu verzeichnen waren. Zur Vorbereitung auf eine sich abzeichnende Borkenkäferkalamität wurde zunächst die Käfersuche, vor allem im Bereich der Sturmholzschadflächen, intensiviert. Nasslagerstandorte und sonstige Holzlagerplätze außerhalb des Waldes für Käferholz wurden geprüft. Außerdem wurden frühzeitig Gespräche mit der nadelholzverarbeitenden Industrie (Sägewerke/Zellstoffwerke) bezüglich der Abnahme von eventuell verstärkt anfallendem Käferholz geführt. Private und kommunale Waldbesitzer wurden im Rahmen der Beratung und Betreuung über die eventuell anstehende Borkenkäferkalamität informiert und beraten. 3 Drucksache 6/7213Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 2.: Schadholzmengen im Umfang von circa 30.000 Festmeter wurden durch einen Dienstleister (Sägewerk) in einem Nasslager konserviert. Die eigenen Möglichkeiten zur Holzkonservierung von ThüringenForst bestehen in der Anlage von Zwischenlagern als Nass- oder Trockenlager. Alternative Verfahren wie die Konservierung mittels Folienlager sind sehr aufwändig und nur für hochwertiges Holz sinnvoll. Die Einlagerung von Holz kann 1. gemeinsam mit einem Holzkunden in dessen Werk, 2. eigenständig auf eigenen Flächen und 3. eigenständig oder gemeinsam mit einem Holzkunden auf Flächen Dritter erfolgen. Die Optionen 1 und 2 wurden durch ThüringenForst umgesetzt. Insbesondere die Option 1 wurde in größerem Umfang für circa 70.000 Festmeter mit mehreren Holzkunden angewendet. Eigene Technik und Flächen wurden für circa 10.000 Festmeter in der Forstbaumschule Breitenworbis eingesetzt. Zu 3.: Die gemeldeten Mengen an Wurf- und Bruchholz je Meldeperiode sind der nachstehenden Übersicht zu entnehmen (hierfür existiert keine Prognose, da sich Sturmholz nicht im Voraus abschätzen lässt). Wurf- und Bruchholz sowie Schneebruch für den Gesamtwald Jahr MP Monat(e) Fichte (in Festmeter) Gesamt (in Festmeter) 2018 1 Januar bis März 812.977 952.220 2018 2 April 49.303 55.817 2018 3 Mai 39.759 46.166 2018 4 Juni 27.228 33.708 2018 5 Juli 5.999 6.618 2018 6 August 2.301 3.524 2018 7 September 24.579 33.547 2018 8 Oktober bis Dezember 8.153 10.844 2018 Jahressumme 970.299 1.142.444 Die nachstehende Tabelle zeigt die gemeldeten Mengen an Schadholz für die Borkenkäfer (Buchdrucker und Kupferstecher). Zu den prognostizierten Werten für den Buchdrucker (August bis Dezember) wird auf das Diagramm in der Antwort zu Frage 1 verwiesen. Borkenkäferholz für den Gesamtwald Jahr MP Monat(e) Buchdrucker (in Festmeter) Kupferstecher (in Festmeter) Gesamt (in Festmeter) 2018 1 Januar bis März 3.205 98 3.303 2018 2 April 3.883 386 4.269 2018 3 Mai 4.778 203 4.981 2018 4 Juni 5.556 181 5.737 2018 5 Juli 18.788 1.019 19.807 2018 6 August 238.130 15.352 253.482 2018 7 September 206.011 30.253 236.264 2018 8 Oktober bis Dezember 231.105 36.841 267.946 2018 Jahressumme 711.456 84.333 795.789 Die Liefermengen für das Fichtenholz für das erste Halbjahr 2018 waren in Rahmenverträgen der zentralen Holzvermarktung bereits vor dem Sturm vertraglich gebunden und dadurch preislich gesichert. Die in langfristigen Rahmenverträgen verhandelten Preise unterliegen grundsätzlich keinen monatlichen Veränderungen. Zu 4.: Die Rahmenbedingungen des Holzverkaufs, auch bei Schadholzanfall, sind in den "Allgemeinen Verkaufsund Zahlungsbedingungen von ThüringenForst (AVZB)" geregelt. Diese sind Bestandteil jeglicher Holzkaufverträge . Darüber hinaus werden in zentralen Rahmenverträgen fallweise zusätzliche Vereinbarungen 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7213 mit Holzkäufern als sogenannte "Kalamitätsholzklauseln" getroffen. Diese beziehen sich entweder auf das Forstschadensausgleichsgesetz der Bundesrepublik (2018 nicht in Kraft gesetzt) oder geben eine Schadholzmenge an, ab welcher über die abgeschlossenen Kaufverträge nochmals verhandelt werden soll. Hintergrund ist die Realisierungsmöglichkeit der Vertragsinhalte, die durch Schadholzanfall und Marktstörung gegebenenfalls beidseitig zur Disposition steht. Liefermengen- und Preisanpassungen stehen dabei im Fokus . Für die Anwendung der Kalamitätsklauseln ist die Bezugsgröße in der Regel die relevante Schadenshöhe in Relation zu einem normalen Jahreseinschlag des im Kaufvertrag gegenständlichen Sortiments. Wirtschaftlich kann dies negative Folgen nach sich ziehen, was jedoch nicht zwingend ist, da ein Mehrmengenabsatz umsatzsteigernd wirkt. Manche Vereinbarungen beinhalten eine Abnahmeverpflichtung für Mehrmengen bei Erreichung der kritischen Schadholzmenge. Das Schadholzaufkommen aus dem Jahr 2018 hat sich auf die Preisgestaltung für das 2. Halbjahr ausgewirkt. Zu 5.: Sturm "Lothar" brachte im Jahr 1999 circa 190 Millionen Festmeter Schadholz, insbesondere in Süd- und Westdeutschland, Frankreich, der Schweiz und Österreich. Sturm "Friederike" schlug mit circa 20 Millionen Festmeter in einem Band von Nordrhein-Westfahlen über Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen bis nach Tschechien zu Buche. Für "Friederike" ist neben dem geringeren Schadholzanfall darüber hinaus kennzeichnend, dass - große Sturmholzmengen in Mitteleuropa (Polen, Tschechien, Österreich, Deutschland) bereits vor dem Sturmereignis angefallen waren und durch die schlechte Witterung nicht aufgearbeitet wurden, - große Schadholzmengen durch Borkenkäferbefall im vorhergehenden Sommer in Tschechien, Österreich und Bayern existierten, die zum Zeitpunkt des Sturms bereits marktrelevant waren, - mehrere relevante Stürme nach "Friederike", zum Beispiel "Irenäus" im März 2018 zu verzeichnen waren, - es zu einer extremen Trockenheit ab April 2018 mit nachfolgend sehr starkem Borkenkäferbefall ab August 2018 kam. Die Folgen für die Vermarktung waren gravierend, da die Holzverarbeitungsbetriebe relativ schnell an ihre Aufnahmegrenzen für Holz kamen. Dies ist auch ein Unterschied zum Sturmereignis "Lothar", da sich die Verarbeitungskapazität in den vergangenen zwei Jahrzehnten konzentriert hat. Die verbliebenen Großbetriebe sind auf Holzimportmengen angewiesen, da in Normaljahren deren Rundholzbedarf aus dem Inlandsaufkommen nicht gedeckt ist. Diese Importmengen standen nach "Friederike" in Konkurrenz zum inländischen Schadholz. Ein weiterer Unterschied sind die Vermarktungsstrukturen für Rundholz. Seit den Verpflichtungszusagen gegenüber dem Bundeskartellamt (BKartA) im Jahr 2008 und 2009 sowie dem BKartA-Verfahren gegen das Land Baden-Württemberg in Verbindung mit einem Beschluss des Bundesgerichtshofs im Jahr 2018 wurde vor allem in den vom Sturm betroffenen Bundesländern die gemeinsame Vermarktung mittels Einheitsforstverwaltung stark in Richtung Eigenvermarktung der privaten und kommunalen Waldbesitzer entwickelt. Vielfach sind selbstvermarktende Waldbesitzer durch den hohen Schadholzanfall überfordert und erhalten nur eingeschränkt einen Marktzugang. Nach dem "Jahrhundertsommer" im Jahr 2018 war und ist die Kalamitätsgefahr durch Borkenkäfer und weitere Schaderreger, durch das Niederschlagsdefizit für die Baumart Fichte, aber auch für andere Nadelund Laubbaumarten extrem hoch. Dies war nach "Lothar" entsprechend dem damaligen Witterungsverlauf nicht so gravierend. Als weiterer Unterschied ist zu benennen, dass aktuell die forstlichen Maßnahmen durch Kapazitätsengpässe bei Einschlagsunternehmen und Holztransportlogistik stark erschwert werden. Das Holz kann vielfach nicht rechtzeitig aus den Beständen verbracht werden. Neben negativen Einflüssen für den Waldschutz führt dies zu einer weiteren Entwertung des Holzes. Käferholz ist qualitativ schlechter zu bewerten als frisches Sturmholz. Ein bundesweiter Einschlagsstopp für frisches Fichtenholz wäre aufgrund der geschlossenen Kaufverträge, des Rohstoffbedarfs der Holzindustrie und der Liquiditätslage der Forstbetriebe nicht umsetzbar gewesen. Die Kalamität hätte durch Einschlagsregulierung nicht verhindert werden können. Allerdings hätte ein bundesweiter Einschlagsstopp direkt nach "Friederike" analog dem Vorgehen von ThüringenForst (Einschlagsstopp für frisches Nadelholz seit März 2018 bis heute) zumindest eine ausgleichende Wirkung auf den Holzmarkt gehabt und dessen Einbruch für einzelne Sortimente möglicherweise gemildert. 5 Drucksache 6/7213Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6.: Die Nachfrage nach Holz unterliegt verschiedenen Faktoren, unter anderem auch modischen Trends. Das Angebot von Holz bestimmt die Verfügbarkeit, um diese Nachfrage zu bedienen. Eichenholz ist seit mehr als zehn Jahren aufgrund des Trends nach kontrastreichen Hölzern in der Möbelindustrie und im Fußbodenbau sehr gefragt. Um diese Nachfrage zu bedienen, sind vor allem bessere Hölzer mit den Eigenschaften "große Dimension", "feinastig" und "fehlerarm" notwendig. Letztgenannte Attribute charakterisieren im forstlichen Sinne das klassische "Wertholz". Dieser Begriff ist allerdings vermarktungsseitig nicht statisch zu verstehen, da Angebot und Nachfrage bestimmen, welchen finanziellen Wert das Rundholz hat. Für Eichenholz kommt hinzu, dass dieses weltweit nur eingeschränkt verfügbar ist. Die große Nachfrage aufgrund des beschriebenen Trends trifft somit auf ein nachhaltig nur begrenzt produzierbares Angebot. Forstbetriebe sind im betriebswirtschaftlichen Sinne angehalten, diesen Trend zu nutzen , um das bei der Bestandspflege produzierte Holz bestmöglich "in Wert" zu setzen. ThüringenForst konnte sich aufgrund der konkurrierenden Schadholzsanierung nur eingeschränkt an der ersten Submission im Januar 2019 beteiligen. Über den Winter konnte jedoch der Rückstand im Einschlag etwas aufgeholt werden , so dass man der hohen Nachfrage nach Eichenwertholz mit einer zweiten, reinen Eichensubmission entsprechen konnte. Dieser zweite Termin ist für alle Besitzarten offen. Keller Ministerin _GoBack