15.05.2019 Drucksache 6/7233Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 7. Juni 2019 Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft im Geschäftsbereich der Thüringer Ministerien und der Thüringer Staatskanzlei Die Kleine Anfrage 3817 vom 2. April 2019 hat folgenden Wortlaut: Im Arbeitszeitrecht wird in Thüringen, wie auch in anderen Bundesländern, nach dem Arbeitszeitgesetz zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschieden. Nach Arbeitszeitgesetz zeichnet sich der Bereitschaftsdienst dadurch aus, dass der Arbeitgeber den Ort oder den Radius des Bereitschaftsdienstes bestimmt, von dem aus der Arbeitnehmer bei Notwendigkeit die Arbeit unverzüglich aufnimmt. Dem gegenüber kann der Arbeitgeber den Ort der Rufbereitschaft des Arbeitnehmers nicht selbst bestimmen. Bereitschaftsdienst ist seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000 (Aktenzeichen: C-303/98) Arbeitszeit. Es gelten daher sämtliche Regelungen des Arbeitszeitgesetzes . Regelungen zum Abgelten von Bereitschaftszeiten sieht das Arbeitszeitgesetz nicht vor. Lediglich die Abgeltung von Rufbereitschaften kann durch Dienstvereinbarungen geregelt werden. Ich frage die Landesregierung: 1. In welcher Form und auf welcher Grundlage werden diese Zeiten, also Bereitschaftsdienste, im Geschäftsbereich der Thüringer Ministerien und der Thüringer Staatskanzlei als Arbeitszeit anerkannt? 2. Aus welchen Gründen werden die Zeiten der Bereitschaft oder Zeiten für "Freizeit", in denen die Beschäftigten ihren Aufenthaltsort nicht frei bestimmen können und in denen sie voll oder teilweise Verantwortung für Dienstkleidung und Schutzausrüstung tragen, nicht vollumfänglich als Arbeitszeit anerkannt? 3. Entsprechen die Regelungen aus der Frage 2 dem europäischen Arbeitszeitrecht (bitte begründen)? Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 15. Mai 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bereitschaftsdienst ist für Arbeitnehmer Arbeitszeit im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften und wird in diesem Sinne vollumfänglich anerkannt. Vergütungsrechtlich werden die Zeiten des Bereitschaftsdienstes nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) als "Sonderform der Arbeit" definiert. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 TV-L leis- K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kräuter (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministeriums 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7233 ten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, Bereitschaftsdienst. Die Höhe des Bereitschaftsdienstentgelts für die Beschäftigten in Kliniken und Krankenhäusern ist in §§ 41 bis 43 TV-L und für die übrigen Beschäftigten in § 8 Abs. 6 TV-L festgelegt. Dieses Entgelt kann auf Wunsch des Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen auch in Zeit umgewandelt (faktorisiert) und ausgeglichen werden. Zu 2.: Nach den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften wird der Bereitschaftsdienst vollumfänglich als Arbeitszeit anerkannt, ist dennoch keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Danach unterscheidet sich der Bereitschaftsdienst seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleitung verlangt. Der Arbeitnehmer kann grundsätzlich während des Bereitschaftsdienstes, mit Ausnahme der Zeiten des Arbeitsanfalles, ruhen beziehungsweise schlafen, weil er im Bedarfsfall zur Arbeitsleistung von dritter Seite veranlasst wird. Daher leisten die Beschäftigten entsprechend § 7 Abs. 3 TV-L Bereitschaftsdienst außerhalb ihrer regelmäßigen Arbeitszeit, für den eine Vergütungspflicht besteht. Diese Vergütungspflicht unterliegt der freien Vereinbarung der Parteien auf Grundlage der anwendbaren Arbeits - und Tarifverträge. Sie darf aufgrund der tarif- oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung wegen der insgesamt geringen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers niedriger sein als bei Vollarbeit. Zu 3.: Mit Wirkung ab 1. Januar 2004 ist die Neufassung des Arbeitszeitgesetzes in Kraft getreten, wonach Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn gilt. Der Gesetzgeber hat damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesarbeitsgerichts umgesetzt. Die Definition "Arbeitszeit" im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist nicht vollständig kongruent mit dem vergütungsrechtlichen Arbeitszeitbegriff. Während Ersterer die Frage der gesetzlichen Grenzen zu täglichen Höchstarbeitszeiten, das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung oder die Wahrung der vorgeschriebenen Pausen- und Ruhezeiten umfasst, geht es bei Letzterem allein um die Frage, ob der Arbeitnehmer für die aufgewandte Zeit eine Vergütung erhält. Diese Diskrepanz ist den verschiedenen Schutzzwecken geschuldet. Das Arbeitszeitgesetz will den Beschäftigten vor Gesundheitsgefahren schützen. Hier steht maßgeblich die physische oder psychische Belastung im Vordergrund. Das Vergütungsrecht hingegen bezweckt lediglich einen gerechten Ausgleich fremdnützig geleisteter Tätigkeiten. Die Regelungen in der Antwort zu Frage 2 entsprechen damit dem europäischen Arbeitszeitrecht. Taubert Ministerin Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft im Geschäftsbereich der Thüringer Ministerien und der Thüringer Staatskanzlei Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: