22.05.2019 Drucksache 6/7254Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 14. Juni 2019 Nachgefragt: Wagenplätze als alternatives Wohnprojekt in Thüringen Die Kleine Anfrage 3834 vom 8. April 2019 hat folgenden Wortlaut: Mit Drucksache 6/6942 beantwortete die Landesregierung die Kleine Anfrage 3675 der Abgeordneten Mühlbauer (SPD) mit dem Titel "Wagenplätze als alternatives Wohnprojekt in Thüringen". Die Antworten der Landesregierung werfen neue Fragen auf. Wir fragen die Landesregierung: 1. Aus welchen Gründen werden alternative Wohnprojekte, wie das Wohnen in Bau- und Wohnwagen auf sogenannten Wagenplätzen wie beispielsweise in Jena, nicht behandelt wie sogenannte "Fliegende Bauten " nach § 75 Abs. 1 der Thüringer Bauordnung? 2. Welche fahrzeugtechnischen Zulassungsprüfungen, wie zum Beispiel den TÜV oder gleichwertige sicherheitsrelevante technische Zulassungen auf Bundesebene sind für die Ausführungsbestimmungen nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Thüringer Bauordnung für individuell entwickelte Bauten zulässig und vergleichbar? 3. Inwieweit unterscheiden sich die gesetzlichen Bestimmungen, etwa hinsichtlich Brandschutz, Anforderungen an Aufenthaltsräume, bei sogenannten "Fliegenden Bauten", bei Hausbooten oder ähnlichem von den Vorgaben für Eisenbahnschlafwagen und anderen fahrbaren Unterkünften? 4. Hat die Landesregierung Kenntnis von weiteren Wohnprojekten oder Wagenplätzen in Thüringen wie jenem in Jena, zum Beispiel in der Gemarkung Erfurt, eventuell bei einem kirchlichen Träger? 5. Ist der Landesregierung das Wohnprojekt "Wagenplatz Satower Straße" in Rostock bekannt und wenn ja, welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu diesem Wohnprojekt und auf welche Regelungen des Baugesetzbuchs und/oder der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommerns beruhen die planungsrechtlichen Grundlagen? 6. Aufgrund welcher landesrechtlicher Regelungen bezüglich alternativer Wohnprojekte, wie beispielsweise das Wohnen in Bau- und Wohnwagen auf sogenannten Wagenplätzen, können derartige Wohnformen in anderen Bundesländern genehmigt werden? 7. Welche gesetzlichen Änderungen, insbesondere hinsichtlich der Thüringer Bauordnung, könnte der Gesetzgeber vornehmen, um alternativen Wohnprojekten, wie beispielsweise das Wohnen in Bau- und Wohnwagen oder in Hausbooten, zu erleichtern? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Mühlbauer (SPD), Warnecke (SPD) und Dr. Lukin (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7254 8. Welche Position nimmt die Landesregierung hinsichtlich alternativer Wohnformen vor dem Hintergrund des Mangels an kostengünstigem Wohnraum vor allem in den Thüringer Zentren ein? 9. Steht die Landesregierung bezüglich der Thematik der alternativen Wohnprojekte mit anderen Bundesländern im Austausch? Falls ja, was ist Gegenstand und aktueller Stand dieser Gespräche? 10. Können Thüringer Kommunen bereits im Rahmen der jetzigen Gesetzgebung Plätze für alternative Wohnprojekte (Wagenplätze) ausweisen? Wenn ja, welche Voraussetzungen/Regelungen sind dafür notwendig? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 22. Mai 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Fliegende Bauten sind nach § 75 Thüringer Bauordnung bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden. Ab einer Standzeit von drei Monaten geht man in der Regel davon aus, dass die Bestimmung zur Aufstellung an verschiedenen Orten nicht mehr besteht. Als Dauerwohnung genutzte Wohnwagen sind daher keine Fliegenden Bauten. Zu 2.: Da Fliegende Bauten bauliche Anlagen sind, gibt es keine fahrzeugtechnischen Zulassungsprüfungen. Andere sicherheitsrelevante technische Zulassungen auf Bundesebene gibt es ebenfalls nicht, da der Bund für bauordnungsrechtliche Anforderungen an bauliche Anlagen keine Gesetzgebungskompetenz hat. Zu 3.: Soweit die beschriebenen Anlagentypen wie ein Gebäude genutzt werden, gelten grundsätzlich die Anforderungen an Gebäude. Spezielle Regelungen gibt es für Eisenbahnwagen. Nach der Anlage zur Verordnung (EU) Nr. 1302/2014 der Kommission vom 18. November 2014 über eine technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems "Fahrzeuge - Lokomotiven und Personenwagen " des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union müssen Reisezugwagen mit Schlafabteilen mit folgenden Einrichtungen ausgestattet sein: - tragbare Feuerlöscher, - optische und akustische Brandmeldeeinrichtungen, - Trennwände im Abstand von höchstens 30 Meter mit einer Feuerwiderstandsdauer von mehr als 15 Minuten oder andere Einrichtungen, die eine Brandausbreitung für eine Dauer von mindestens 15 Minuten verhindern (bei Reisezugwagen, die für Tunnel von mehr als fünf Kilometer Länge oder Tunnel ohne Möglichkeiten für eine seitliche Evakuierung konzipiert sind), - Notbeleuchtungssysteme, - Einrichtungen zur Vermeidung der Rauchausbreitung, - zwei Notausstiege. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verordnung gilt für Eisenbahnwagen die DIN EN 45545 Bahnanwendungen - Brandschutz in Schienenfahrzeugen. Zu beachten ist, dass die Sicherheit zusätzlich durch das Zugpersonal gewährleistet wird, das Fahrgäste unterstützt, die die Gefahr nicht erkennen oder sich aus anderen Gründen nicht selbst retten können. Zu 4.: Aufgrund der Nachfrage wurde bekannt, dass es in Erfurt einen Wagenplatz gibt, der sich auf einem Grundstück im Eigentum einer Kirchengemeinde befindet. Zu 5.: Das Projekt ist aus den im Internet verfügbaren Informationen bekannt. Nach Kenntnis der Landesregierung ist für das Projekt im Flächennutzungsplan eine Fläche als Sondergebiet Wagenplatz dargestellt. Die- 3 Drucksache 6/7254Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode se Darstellung hat baurechtlich lediglich die Auswirkung, dass einer Bebauung der im Außenbereich liegenden Fläche nicht mehr der Belang "entgegenstehende Darstellungen des Flächennutzungsplans" im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Baugesetzbuch entgegengehalten werden kann. Baurechte werden damit nicht vermittelt. Einen Bebauungsplan und/oder Baugenehmigungen für die Nutzung der Wagen als Wohngebäude gibt es nach Kenntnis der Landesregierung nicht. Aufgrund der unzureichenden Kenntnisse insbesondere der baurechtlich relevanten Rahmenbedingungen ist der Landesregierung eine Bewertung nicht möglich. Zu 6.: Die Landesregierung hat im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage 3675 bei den für das Städtebaurecht zuständigen Ministerien Erfahrungen mit der Behandlung von Wagenplätzen nachgefragt. Soweit eine Beantwortung erfolgt ist, sind konkrete Fälle teilweise nicht bekannt. Soweit Wagenplätze bekannt sind, werden sie nach Kenntnis der jeweiligen Ministerien baurechtlich lediglich geduldet. Eine Ausnahme bildet Hamburg. Dort wurde ein Wohnwagengesetz erlassen. Danach können Wohnwagenstandplätze befristet zugelassen werden, wenn die Zahl der Wohnwagen sich in angemessenen Grenzen hält, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht gefährdet wird, nachbarliche Interessen berücksichtigt werden , keine Bedenken im Hinblick auf die Hygiene bestehen und die Kosten der Ver- und Entsorgung von den Nutzern getragen werden. Gedacht ist dabei vorrangig an Schaustellerstandplätze außerhalb der Reisezeiten und an Übergangsplätze, um für Personen bis zu ihrer Vermittlung in feste Wohnungen eine zeitweilige Unterbringung zu ermöglichen. Substandardwohnen auf Dauer darf dadurch nicht gefördert werden. Auf die Plätze und die Wohnwagen finden die Bestimmungen der Hamburgischen Bauordnung keine Anwendung. Zu 7.: Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Allerdings kann der Landesgesetzgeber zwar Landesrecht für nicht anwendbar erklären, nicht aber Bundesrecht wie zum Beispiel die Energieeinsparverordnung. Zu 8.: Wagenplätze und ähnliche Einrichtungen sind nicht geeignet, den Bedarf an preisgünstigem Wohnraum in großem Umfang zu decken. Insbesondere als Dauerwohnung für Familien werden sie nicht in Betracht kommen. Zu 9.: Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Zu 10.: Eine Darstellung als Baufläche im Flächennutzungsplan wie in Rostock ist auch in Thüringen möglich, da das Baugesetzbuch als Rechtsgrundlage bundesweit gilt. Da die Wohnwagen aufgrund der Dauernutzung als Gebäude zu behandeln sind, die zum Wohnen genutzt werden, kann man die Auffassung vertreten, dass auch die Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Wohngebiet möglich ist. Ein Bebauungsplan würde aber nur dann Baurecht schaffen, wenn auch eine Erschließung des Gebiets erfolgt. Eine Baugenehmigung für die Wohnwagen als Wohngebäude würde erfordern, dass die Wohnwagen alle für Wohngebäude geltenden Anforderungen des Bundesrechts und - soweit nicht vom Thüringer Landtag für unanwendbar erklärt - des Landesrechts erfüllen. Keller Ministerin Nachgefragt: Wagenplätze als alternatives Wohnprojekt in Thüringen Wir fragen die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: