27.05.2019 Drucksache 6/7263Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Juni 2019 Ermittlungen gegen das Zentrum für Politische Schönheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB - Teil I: Verfahrenseinleitung Die Kleine Anfrage 3829 vom 8. April 2019 hat folgenden Wortlaut: In der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage 3501 wurde durch das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in der Drucksache 6/6928 ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren der Staatsanwaltschaft Gera nach § 129 Strafgesetzbuch (StGB) gegen eine "Gruppierung von Aktionskünstlern " mit einem Beschuldigten aufgeführt. Wie das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) mitteilte, bestätigte die Staatsanwaltschaft Gera, dass sich das Verfahren gegen das ZPS beziehungsweise dessen Leiter richtete. Die Künstlergruppe hatte am 22. November 2017 ein Holocaust-Mahnmal neben dem Grundstück eines Thüringer AfD-Politikers errichtet und in satirischer Weise dargestellt, dass man diesen AfD-Politiker über zehn Monate beobachtet habe. Am 29. November 2017 wurde das Verfahren der Staatsanwaltschaft Gera wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" eingeleitet. Am 1. Dezember 2017 erklärte das ZPS mit Pressemitteilung und Video, dass es keine derartige Überwachung gegeben habe und dies Teil der künstlerischen Darbietung gewesen sei. So heißt es, dass man auf "billigstes Überwachungsspielzeug und lächerliche Kostüme gesetzt" habe, etwa mit "Trenchcoats von Penny" und einem "Chewbacca-Kostüm " samt überdimensionalem Teleobjektiv. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete am 1. Dezember 2017, der Leiter des ZPS habe dementiert, die Familie des betreffenden Thüringer AfD-Politikers, insbesondere die Kinder, ausspioniert, fotografiert oder gefilmt zu haben. Das sei laut dieser Berichterstattung zu keiner Zeit geschehen und vom ZPS sogar an Eides statt versichert worden. Auch überregional berichteten verschiedene Medien am 1. Dezember 2017 darüber, dass es keine Überwachung des Thüringer AfD-Politikers gegeben habe, so etwa beispielsweise die Berliner Zeitung, die BILD-Zeitung, Spiegel Online, Thüringen 24, die Hannoversche Allgemeine Zeitung und Deutschlandfunk Kultur. Das Verfahren wurde dennoch aufrechterhalten und zählt bis zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Kleinen Anfrage nunmehr 489 Tage. Bereits vor 387 Tagen, am 14. März 2018, urteilte das Landgericht Köln (Aktenzeichen: 28 0 362/17), dass die Aktion vor dem Haus des Thüringer AfD-Politikers als Kunstwerk zu werten und von den Grundsätzen der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt sei. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Anlasstaten/Tatvorwürfe waren ursächlich für die Einleitung des Verfahrens gegen das ZPS nach § 129 StGB am 29. November 2017 und aufgrund welcher Umstände erfolgte die Einleitung der Ermittlungen (von Amts wegen oder durch eine Strafanzeige oder Aufforderung von Dritten)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dittes (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7263 2. Wie rechtfertigen die Strafverfolgungsbehörden beziehungsweise die Staatsanwaltschaft Gera die Einleitung eines Verfahrens nach § 129 StGB mit erheblichen Eingriffsbefugnissen gegen die Künstlergruppe und woraus folgert sie, dass der Zweck der Künstlergruppe nicht auf die Kunst, sondern auf die "Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind", wie es die Norm des § 129 StGB vorsieht? 3. Gegen wie viele Personen richtete sich das Verfahren nach § 129 StGB und wie begründet die Staatsanwaltschaft Gera die Einleitung des Verfahrens gegen "einen Beschuldigten" (siehe Drucksache 6/6928, Anlage 1, laufende Nummer 4), wohingegen die Norm des § 129 StGB eine Vereinigung von "mehr als zwei Personen" voraussetzt? 4. Von wie vielen Personen, bei denen es sich nicht um Ermittlungspersonen der Strafverfolgungsbehörden handelt, wurden in dem Verfahren nach § 129 StGB gegen das ZPS personenbezogene Daten erhoben beziehungsweise gespeichert? 5. Wurden in dem genannten Ermittlungsverfahren Maßnahmen zur Telefon-, Post- oder Internetüberwachung , zur Observation oder zum Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern gegen das ZPS beziehungsweise dessen künstlerischen Leiter angewandt und wenn ja, in welcher Art, in welchem Zeitraum und lag dazu jeweils ein richterlicher Beschluss vor? 6. Warum wurde durch die Strafverfolgungsbehörden beziehungsweise die Staatsanwaltschaft Gera statt eines Verfahrens nach § 129 StGB kein Ermittlungsverfahren nach § 201, § 201a StGB eingeleitet (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen ), um gegen vermeintlich im Raum stehende "Abhör- und Ausspähmaßnahmen" (so die Staatsanwaltschaft Gera laut der Berichterstattung auf "tagesspiegel.de" vom 3. April 2019) zu ermitteln? 7. Warum wurde das Verfahren nach § 129 StGB gegen das ZPS nicht am 2. Dezember 2017 eingestellt, nachdem überregional klargestellt worden war, dass es sich um eine künstlerische Darbietung handelte? 8. Warum wurde das Verfahren nach § 129 StGB gegen das ZPS nicht ab dem 15. März 2018 eingestellt, nachdem das Landgericht Köln in seinem Urteil die Aktion des ZPS als Kunstwerk eingeschätzt und diese als von den Grundsätzen der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt bewertet hatte? 9. Wie rechtfertigt die Staatsanwaltschaft Gera die lange Dauer des Verfahrens nach § 129 StGB gegen das ZPS, das seit der Verfahrenseinleitung nunmehr knapp 500 Tage andauert? 10. Welche Polizeibehörden wurden mit den Ermittlungen nach § 129 StGB gegen das ZPS betraut und wie viele Beamte waren mit den Ermittlungen befasst? 11. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu den Fragen der Rechtskonformität und der Begründetheit der Einleitung des Verfahrens nach § 129 StGB gegen das ZPS unter Beachtung der Verfahrensdauer und vor dem Hintergrund, dass § 129 StGB mit erheblichen Eingriffsrechten verbunden ist, und wie begründet sie ihre Antwort im Einzelnen? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 20. Mai 2019 (Eingang: 27. Mai 2019) wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens waren Verlautbarungen des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) in der Presse sowie auf der Internetseite "deine-stele.de" und dem Internetkanal "youtube ". Darin schilderte das ZPS eigene Verhaltensweisen, die unter anderem auf eine "Rund-um-die-Uhr- Überwachung" des in Bornhagen wohnenden Abgeordneten des Thüringer Landtags, [...]*, zielten und dessen akustische Überwachung sowie die Herstellung von Bildaufnahmen ankündigten. Hierfür sollten, so die Verlautbarungen des ZPS, Hacker, Toningenieure sowie Detektive angeworben und ein "zivilgesellschaftlicher Verfassungsschutz Thüringen" mit der Aufgabe einer "Langzeitbeobachtung" gegründet werden. Zu- 3 Drucksache 6/7263Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode gleich wurde dem Abgeordneten eine Auflösung dieser Unternehmungen in Aussicht gestellt, wenn er vor dem Mahnmal einen Kniefall mache. Ausweislich des Einleitungsvermerks der Staatsanwaltschaft Gera begründeten die vorgeschilderten Verhaltensweisen den Verdacht im organisatorischen Rahmen begangener Straften, nämlich solcher nach - § 132 StGB - Amtsanmaßung, - § 201 StGB - Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, - § 201a StGB - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, - § 202a StGB - Ausspähen von Daten, - § 202b StGB - Abfangen von Daten und - § 202c StGB - Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten. StGB - Strafgesetzbuch Zu 3.: Das Ermittlungsverfahren richtete sich ausweislich der Einleitungsverfügung gegen die Mitglieder einer Gruppierung, die unter der Bezeichnung "Zentrum für politische Schönheit" agiert. Von dieser Gruppierung war zunächst allerdings nur deren Gründer namentlich bekannt, so dass lediglich dieser als Beschuldigter eingetragen wurde. Zu 4.: Lediglich die personenbezogenen Daten einer Person, die des Beschuldigten, wurden von der Staatsanwaltschaft Gera aktiv beschafft. Darüber hinaus wurden Medienberichte, Strafanzeigen und Anwaltsschriftsätze zur Akte genommenen. Diese Schriftstücke enthalten die Namen von insgesamt 86 Personen; allein in den Briefköpfen der Anwälte werden 55 Personen benannt. Zu 5.: Nein Zu 6.: Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Zu 7. und 8.: Fragen 7 und 8 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft enthält hierzu keine ausdrücklichen Angaben. Allerdings führte auch die Staatsanwaltschaft Mühlhausen neben dem in Gera anhängigen Verfahren aufgrund einer Strafanzeige eines Rechtsanwalts vom 23. November 2017 ein Ermittlungsverfahren gegen den Gründer des ZPS wegen des Verdachts der versuchten Nötigung sowie ein weiteres Ermittlungsverfahren aufgrund einer Strafanzeige vom 25. November 2017 gegen den Thüringer Ministerpräsidenten wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur versuchten Nötigung. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Gründer des ZPS mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Mühlhausen erhob der Anzeigeerstatter Beschwerde , die von der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft unter Billigung der staatsanwaltlichen Begründung mit Bescheid vom 28. Dezember 2018 zurückgewiesen wurde. Am 8. März 2019 hat die Staatsanwaltschaft Mühlhausen auch das gegen den Thüringer Ministerpräsidenten geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mangels versuchter strafbarer Nötigung konnte mit der beanzeigten Tat keine strafbare Beihilfe dazu geleistet werden. Unter Bezugnahme auf diesen Befund der Staatsanwaltschaft Mühlhausen stellte die Staatsanwaltschaft Gera ihre Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung mit Verfügung vom 11. April 2019 ein. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7263 Zu 9.: Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Gera war der zuständige Dezernent gerade im Bereich der Staatsschutzdelikte mit mehreren umfangreichen Ermittlungs- und Revisionsverfahren vor allem auch aus dem Spektrum rechtsextremistischer Gruppierungen befasst. Unter anderem habe die Priorisierung dieser Verfahren zur fehlenden Förderung des vom zuständigen Dezernenten offenbar nicht als vordringlich erachteten Verfahrens gegen den Gründer des ZPS beigetragen. Zu 10.: Mit den genannten Ermittlungen wurden keine Polizeibehörden betraut. Mit ihnen war nur der zuständige Staatsanwalt befasst. Zu 11.: Diese Frage ist unter anderem Gegenstand einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft Gera. Der Abschluss dieses Verfahrens bleibt abzuwarten. Lauinger Minister Endnote: * Die von der Landesregierung übermittelte personenbezogene Angabe wurde gemäß § 2 Abs. 8 des Thüringer Datenschutzgesetzes nicht in die Drucksache aufgenommen. Ermittlungen gegen das Zentrum für Politische Schönheit wegen Bildung einer kri-minellen Vereinigung nach § 129 StGB - Teil I: Verfahrenseinleitung Ich frage die Landesregierung: Zu 1. und 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7. und 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Endnote: