27.05.2019 Drucksache 6/7264Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Juni 2019 Ermittlungen gegen das Zentrum für Politische Schönheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB - Teil II: Austausch mit anderen Stellen Die Kleine Anfrage 3830 vom 8. April 2019 hat folgenden Wortlaut: In der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage 3501 wurde durch das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in der Drucksache 6/6928 ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren der Staatsanwaltschaft Gera nach § 129 Strafgesetzbuch (StGB) gegen eine "Gruppierung von Aktionskünstlern " mit einem Beschuldigten aufgeführt. Wie das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) mitteilte, bestätigte die Staatsanwaltschaft Gera, dass sich das Verfahren gegen das ZPS beziehungsweise dessen Leiter richtete. Die Künstlergruppe hatte am 22. November 2017 ein Holocaust-Mahnmal neben dem Grundstück eines Thüringer AfD-Politikers errichtet und in satirischer Weise dargestellt, dass man diesen AfD-Politiker über zehn Monate beobachtet habe. Am 29. November 2017 wurde das Verfahren der Staatsanwaltschaft Gera wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" eingeleitet. Am 1. Dezember 2017 erklärte das ZPS mit Pressemitteilung und Video, dass es keine derartige Überwachung gegeben habe und dies Teil der künstlerischen Darbietung gewesen sei. So heißt es, dass man auf "billigstes Überwachungsspielzeug und lächerliche Kostüme gesetzt" habe, etwa mit "Trenchcoats von Penny" und einem "Chewbacca-Kostüm " samt überdimensionalem Teleobjektiv. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete am 1. Dezember 2017, der Leiter des ZPS habe dementiert, die Familie des betreffenden Thüringer AfD-Politikers, insbesondere die Kinder, ausspioniert, fotografiert oder gefilmt zu haben. Das sei laut dieser Berichterstattung zu keiner Zeit geschehen und vom ZPS sogar an Eides statt versichert worden. Auch überregional berichteten verschiedene Medien am 1. Dezember 2017 darüber, dass es keine Überwachung des Thüringer AfD-Politikers gegeben habe, so etwa beispielsweise die Berliner Zeitung, die BILD-Zeitung, Spiegel Online, Thüringen 24, die Hannoversche Allgemeine Zeitung und Deutschlandfunk Kultur. Das Verfahren wurde dennoch aufrechterhalten und zählt bis zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Kleinen Anfrage nunmehr 489 Tage. Bereits vor 387 Tagen, am 14. März 2018, urteilte das Landgericht Köln (Aktenzeichen: 28 0 362/17), dass die Aktion vor dem Haus des Thüringer AfD-Politikers als Kunstwerk zu werten und von den Grundsätzen der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt sei. Ich frage die Landesregierung: 1. Waren die Ausführungen des damaligen Präsidenten des Thüringer Landtags in der 100. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 23. November 2017 ("Ich habe daher den Innenminister bereits in einem Telefonat gebeten, dringend dafür zu sorgen, dass diese sogenannte Überwachung sofort beendet wird und erforderliche Ermittlungen eingeleitet werden. Ein öffentliches Interesse an Ermittlungen stelle ich im Interesse einer ungehinderten Ausübung des freien Mandats hiermit fest.") ursächlich für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens und wenn ja, inwieweit waren sie es? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dittes (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7264 2. Wurden Maßnahmen aufgrund des Telefonats des damaligen Präsidenten des Thüringer Landtags in den Zuständigkeitsbereichen des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales und des Thüringer Ministeriums für Justiz, Verbraucherschutz und Migration sowie ihren nachgeordneten Behörden sowie den Staatsanwaltschaften veranlasst und wenn ja, welche Maßnahmen wurden wann veranlasst? 3. Waren die Äußerungen des betreffenden Thüringer AfD-Politikers über das ZPS am 25. November 2017 ("Sie ist eine kriminelle Vereinigung. Ja, sie ist eine terroristische Vereinigung.") ursächlich für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens und wenn ja, inwieweit waren sie es? 4. Wurden Maßnahmen aufgrund der Äußerung des Thüringer AfD-Politikers (siehe Frage 3) in den Zuständigkeitsbereichen des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales und des Thüringer Ministeriums für Justiz, Verbraucherschutz und Migration sowie ihren nachgeordneten Behörden sowie den Staatsanwaltschaften veranlasst und wenn ja, welche Maßnahmen wurden wann veranlasst? 5. Wurde die Generalstaatsanwaltschaft über das genannte Verfahren informiert oder seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft angefragt und wenn ja, in welcher Form, wann und durch welche Stelle, und wenn nein, warum nicht? 6. Wie erlangt die Generalstaatsanwaltschaft in der Regel Kenntnis von einer "rechtswidrigen staatsanwaltschaftlichen Entscheidung" oder einer "offensichtlich fehlerhaften Sachbehandlung" im Sinn der vom Thüringer Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz bekannt gegebenen Leitlinien zur Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften, in deren Folge im Einzelfall ausnahmsweise ein Weisungsrecht in Betracht kommt, wenn die Generalstaatsanwaltschaft nicht einschreitet? 7. Wurde das Thüringer Ministerium für Justiz, Verbraucherschutz und Migration über das genannte Verfahren informiert oder seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft angefragt und wenn ja, in welcher Form, wann und durch welche Stelle, und wenn nein, warum nicht? 8. Erfolgten seitens des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales oder des Thüringer Ministeriums für Justiz, Verbraucherschutz und Migration beziehungsweise der Thüringer Strafverfolgungsbehörden eine Unterrichtung beziehungsweise Informationsübermittlung hinsichtlich der Ermittlungen nach § 129 StGB gegen das ZPS an das Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat beziehungsweise das Bundeskriminalamt und wenn ja, wann? 9. Wurden seitens des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft Gera Presseanfragen selektiv ganz oder in Teilen verweigert, zum Beispiel gegenüber Spiegel Online, und wenn ja, warum? Wurden von den Betroffenen des Verfahrens erbetene Informationen sowie Akteneinsicht seitens der Staatsanwaltschaft Gera verwehrt und wenn ja, warum? 10. Ist der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Gera zugleich verantwortlicher Staatsanwalt in der Strafsache gegen das ZPS und wenn ja, warum teilte er Medienvertretern, die ab 3. April 2019 in der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Gera anfragten, dies nicht mit? 11. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zum weiteren Verfahrensverlauf des Verfahrens nach § 129 StGB gegen das ZPS vor beziehungsweise ist geplant, dieses einzustellen? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 23. Mai 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Aus dem insoweit maßgeblichen Einleitungsvermerk des zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Gera ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Ursächlichkeit der genannten Ausführungen des damaligen Präsidenten des Thüringer Landtags für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Zu 2.: Nein 3 Drucksache 6/7264Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Aus dem insoweit maßgeblichen Einleitungsvermerk des zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Gera ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Ursächlichkeit der genannten Ausführungen des betreffenden AfD-Politikers für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Zu 4.: Nein Zu 5. bis 7.: Die Fragen 5 bis 7 werden aufgrund Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Berichterstattung in Strafsachen erfolgt im Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift "Berichtspflichten in Straf- und Bußgeldsachen" vom 21. Dezember 2001, die es mit vergleichbaren Inhalten auch in anderen Ländern gibt. Danach berichten die Staatsanwaltschaften in der Regel aus eigener Initiative über die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft dem für Justiz zuständigen Ministerium in Angelegenheiten, - die wegen der Persönlichkeit oder der Stellung der Beteiligten, - wegen der Art oder des Umfangs der Beschuldigung oder - aus sonstigen Gründen weitere Kreise, vor allem parlamentarische Gremien oder die Medien, beschäftigen oder voraussichtlich beschäftigen werden. Darüber hinaus ist zu berichten, wenn die genannten Umstände zu Maßnahmen des für Justiz zuständigen Ministeriums Anlass geben können. Keine ausdrückliche Berichtspflicht besteht hingegen für bestimmte Delikte, wie etwa § 129 Strafgesetzbuch (StGB). Darüber hinaus werden im Berichtswege der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungsakten vorgelegt , soweit die Staatsanwaltschaften einer Beschwerde nicht abhelfen. Dem für Justiz zuständigen Ministerium werden im Berichtswege die Ermittlungsakten vorgelegt, soweit die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft einer Dienstaufsichtsbeschwerde nicht abhilft. In allen diesen Berichtsfällen und, soweit aus sonstigen Gründen, etwa aus Anlass von Medienberichten, um Bericht gebeten wurde, haben die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beziehungsweise das für Justiz zuständige Ministerium die Möglichkeit zu überprüfen, ob eine rechtswidrige staatsanwaltschaftliche Entscheidung oder fehlerhafte Sachbehandlung vorliegt. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat über das bei ihr geführte Ermittlungsverfahren gegen Mitwirkende des Zentrums für Politische Schönheit wegen versuchter Nötigung erstmals am 29. November 2017 und sodann fortlaufend bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet. Im Gegensatz dazu wurde über das Verfahren der Staatsanwaltschaft Gera wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB zunächst nicht berichtet. Aufgrund der Anfang April 2019 einsetzenden Medienberichterstattung bat das TMMJV über die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft die Staatsanwaltschaft Gera um Bericht. Daraufhin berichtete diese am 3. April 2019 über das Verfahren. Folgeberichte der Staatsanwaltschaft Gera datieren vom 5. und 11. April 2019. Zu 8.: Nein Zu 9.: Die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften steht in einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen dem aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz abgeleiteten presserechtlichen Informationsanspruch der Allgemeinheit und den grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechten der Betroffenen. Auskünfte der Staatsanwaltschaften über anhängige Ermittlungsverfahren können, insbesondere wenn die Identifizierung des Beschuldigten unschwer durch die Medien erfolgen kann, zu einer Stigmatisierung des Beschuldigten führen und selbst im Fall eines späteren Freispruchs schlimmstenfalls seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenz zerstören, so dass vor der Preisgabe sensibler Informationen eine umfassende Güter- und Interessenabwägung durch die Staatsanwaltschaft stattzufinden hat (vergleiche Gounalkis, NJW 2012, 1473). Es ist deshalb auch unter Beachtung der Unschuldsvermutung des Artikels 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention insbesondere bei kurzfristig zu beantwortenden telefonischen Medienanfragen nicht zu beanstanden, wenn Auskünfte über laufende Ermittlungsverfahren zunächst verweigert werden. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7264 Die Staatsanwaltschaft Gera teilte zudem der um Akteneinsicht ersuchenden Verteidigerin des Beschuldigten mit Schreiben vom 2. April 2019 mit, dass eine Aktenübersendung derzeit nicht in Betracht komme, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Zu 10.: Der damalige Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Gera war zugleich der damals zuständige Staatsanwalt für das hier angefragte Ermittlungsverfahren. Dass Staatsanwälte als Dezernenten zugleich mit der Funktion des Pressesprechers betraut werden und in dieser Funktion gegebenenfalls auch über die von ihnen selbst geführten Ermittlungsverfahren an die Medien Auskünfte erteilen, ist allerdings keine Besonderheit , so dass insoweit auch keine Hinweispflicht besteht. Zu 11.: Zur Beantwortung wird auf die Antworten zu den Fragen 5, 7, 8 und 10 der Kleinen Anfrage 3829 verwiesen. Lauinger Minister Ermittlungen gegen das Zentrum für Politische Schönheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB - Teil II: Austausch mit anderen Stellen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5. bis 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: