05.06.2019 Drucksache 6/7307Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. Juni 2019 Abdruck von nationalsozialistischer Propaganda im Amtsblatt der Stadt Hildburghausen Die Kleine Anfrage 3730 vom 26. Februar 2019 hat folgenden Wortlaut: Am 23. Februar 2019 veröffentlichte der Bürgermeister von Hildburghausen im städtischen Amtsblatt eine kurze Stellungnahme zum 74. Jahrestag der Bombardierung von Hildburghausen. Diese war halbseitig mit zwei Bildern vom Februar/März 1945 illustriert, die Hildburghausen unter nationalsozialistischer Herrschaft zeigte. Ebenso wurde eine Bekanntmachung der Stadt Hildburghausen vom Februar/März 1945 abgedruckt, in der neben einem Trauermarsch auch "Ein Wort des Führers" angekündigt worden war. Die Einladung und die Bilder wurden völlig unkommentiert im Amtsblatt veröffentlicht, so dass der Eindruck entsteht, dass entweder der Verfasser den dort genannten und abgebildeten NS-Heldenepos sowie die wörtlich relativierende Umdeutung zu einem "Terrorangriff" teile oder dieses aus Unwissenheit über Ursache und Wirkung anstandslos zur Kenntnis nahm. Dem amerikanischen Luftangriff ging das Handeln der Nationalsozialisten in Deutschland und in der Stadt Hildburghausen voraus. So wurden unter anderem zwischen den Jahren 1934 und 1940 522 Männer und 458 Frauen der Stadt und Umgebung zwangssterilisiert und zahlreiche Patienten in der "Landesheilanstalt Hildburghausen" im Rahmen des Euthanasie-Programms ermordet. Hunderte Menschen mussten während des Zweiten Weltkriegs in Hildburghäuser Betrieben, unter anderem in dem Rüstungsbetrieb Norddeutsche Maschinenfabrik (Nordeuma), welche das eigentliche Ziel des Bombenangriffs war, Zwangsarbeit verrichten. Juden sowie Andersdenkende wurden in den Selbstmord getrieben, ermordet , vertrieben oder terrorisiert. Mit Deportationen nach Belzyce/Polen beziehungsweise in das Konzentrationslager Theresienstadt wurde die verbliebene jüdische Bevölkerung in Hildburghausen ausgelöscht. Ich frage die Landesregierung: 1. Wer überprüft nach Kenntnis der Landesregierung in der Stadt Hildburghausen die Veröffentlichungen im Amtsblatt? 2. Besteht eine Überprüfungs- beziehungsweise Kontrollpflicht seitens der zuständigen Kommunalaufsicht im Landratsamt Hildburghausen oder trägt die Stadt die Alleinverantwortung für Veröffentlichungen im Amtsblatt? 3. Wer haftet und trägt die Verantwortung für Veröffentlichungen in einem städtischen Amtsblatt, insbesondere auch im Falle fehlerhafter und strafbarer Inhalte? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Harzer (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7307 4. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu dieser Veröffentlichung des Hildburghäuser Bürgermeisters in rechtlicher und erinnerungspolitischer Hinsicht, insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Kleinen Anfrage das fragliche Dokument weiterhin auf der Homepage der Stadt Hildburghausen zum Download angeboten wurde? 5. Sieht die Landesregierung oder eine der ihr nachgeordneten Behörden die Notwendigkeit, infolge des für die Stadt eingetretenen Schadens ein Disziplinarverfahren einzuleiten und wer wäre dafür verantwortlich? 6. Im Zuge der Berichterstattung über den Vorfall kamen Hinweise, dass das Impressum des Hildburghäuser Stadtanzeigers (insbesondere in der Ausgabe Nummer 2/2019) möglicherweise nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht. Kommt die Landesregierung ebenfalls zu der Auffassung und wie begründet sich diese? 7. Für den Fall, dass das Impressum fehlerhaft sein sollte: Welche Auswirkungen hat das fehlerhafte Impressum eines Amtsblatts auf die rechtliche Wirksamkeit der bisher dort veröffentlichten amtlichen Bekanntmachungen nach der Thüringer Bekanntmachungsverordnung? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 4. Juni 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach § 2 Abs. 1 der Thüringer Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinden , Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise (Thüringer Bekanntmachungsverordnung - Thür- BekVO -) handelt es sich bei einem Amtsblatt um ein eigenständiges Druckerzeugnis. Herausgeber ist allein die betreffende Gebietskörperschaft - hier die Stadt Hildburghausen. Der Inhalt des Amtsblattes wird durch den Herausgeber bestimmt. Veröffentlichungen im Amtsblatt wurden im Fall der Stadt Hildburghausen bislang vor der endgültigen Freigabe federführend durch das Amt für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing und durch den Bürgermeister überprüft. Zu 2.: Die Stadt Hildburghausen trägt als Herausgeberin die alleinige Verantwortung für Veröffentlichungen im Amtsblatt. Eine Überprüfungs- beziehungsweise Kontrollpflicht seitens der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde vor Herausgabe des Amtsblattes besteht nicht. Zu 3.: Als Herausgeberin des Amtsblattes trägt die Stadt allein die Verantwortung für Veröffentlichungen im Amtsblatt. Zu 4. und 5.: Die Landesregierung kritisiert den in Rede stehenden Beitrag im Amtsblatt der Stadt Hildburghausen aufs Schärfste. Nach hiesiger Auffassung lässt dieser Beitrag die erforderliche Sensibilität im Umgang mit Geschehnissen in der NS-Zeit vermissen. Das fragliche Amtsblatt wurde am Sonntag, den 24. Februar 2019 durch einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung Hildburghausen auf der Homepage der Stadt online gestellt. Am Montag, den 25.Februar 2019 wurde es gegen 12.00 Uhr durch eine Mitarbeiterin gelöscht und gegen 13.00 Uhr eine diesbezügliche Entschuldigung des Bürgermeisters eingestellt. Das Amtsblatt wurde am 8. März 2019 ohne den Beitrag auf Seite 6 (unkommentierte historische Dokumente aus der NS-Zeit) und mit der Entschuldigung des Bürgermeisters wieder online gestellt. Zum Zeitpunkt der Einreichung der hier vorliegenden parlamentarischen Anfrage (26. Februar 2019) war das Amtsblatt auf der Homepage der Stadt Hildburghausen entfernt und eine entsprechende Entschuldigung des Bürgermeisters bereits erfolgt. Ferner wurde der Sachverhalt durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde überprüft. Es wurde festgestellt , dass durch mangelnde Sorgfalt und mangelnde Kontrolle die drei historischen Dokument aus dem Jahr 1945 ohne entsprechende Einordnung und Kommentierung im Amtsblatt abgedruckt wurden. Die Notwendigkeit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Bürgermeister wurde jedoch nicht gesehen. Die zuständige Rechtaufsichtsbehörde hat den Sachverhalt mit dem Bürgermeister kritisch ausgewertet und 3 Drucksache 6/7307Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode ihm angeraten, zeitnah eine Dienstanweisung zu erlassen, die alle erforderlichen Regelungen für die Herausgabe des Amtsblattes enthält, damit zukünftig derartige Beiträge nicht mehr im Amtsblatt erscheinen. Zu 6.: Die zuständige Rechtaufsichtsbehörde hat überprüft, ob das Amtsblatt den Anforderungen des § 2 Thür- BekVO genügt. Sie hat festgestellt, dass das Impressum unvollständig war. Es habe zwar eine Regelung über den Einzelbezug (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 ThürBekVO), aber keine über die allgemeinen Bezugsmöglichkeiten und Bezugsbedingungen enthalten (§ 2 Abs.1 Nr. 3 ThürBekVO). Die Stadt Hildburghausen wurde hierüber informiert und aufgefordert, das Impressum rechtmäßig zu gestalten. Nach Kenntnis der Rechtsaufsichtsbehörde hat die Stadt die Hinweise befolgt und das Impressum geändert. Zu 7.: Nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts muss ein Amtsblatt den zwingenden Formanforderungen entsprechen, die in § 2 Abs. 1 ThürBekVO für die wirksame Bekanntmachung von Satzungen festgelegt sind; Verstöße führen zur Unwirksamkeit der Satzung (vergleiche Thüringer Oberverwaltungsgericht , Urteil vom 14. Oktober 2002 - 4 N 340/95 -, juris). Die Stadt hat daher zu prüfen, ob sie die Bekanntmachung von Satzungen wiederholen muss. Maier Minister Abdruck von nationalsozialistischer Propaganda im Amtsblatt der Stadt Hildburg-hausen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4. und 5.: Zu 6.: Zu 7.: