05.06.2019 Drucksache 6/7313Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Juni 2019 "Fridays for Future"-Proteste in Thüringen - Teil II Die Kleine Anfrage 3828 vom 11. April 2019 hat folgenden Wortlaut: Dem länderübergreifenden Protest, unter anderem von Schülerinnen und Schülern, unter dem Motto "Fridays for Future" haben sich auch in Thüringen viele junge Menschen angeschlossen. Dieses Engagement wird im Hinblick auf die Schulpflicht durchaus kritisch bewertet. Nach meiner Kenntnis wurde von einer Schule auch ein Notfallplan für die Unterrichtszeit am Freitag erstellt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Anträge auf Beurlaubung vom Unterricht nach § 7 Thüringer Schulordnung zur Teilnahme an den Protesten wurden bisher gestellt und wie wurden diese beschieden (bitte Einzelauflistung nach Genehmigung Klassenlehrer, Genehmigung Schulleitung und Genehmigung Schulamt)? 2. Ab welcher Anzahl unentschuldigter Fehlstunden ist die Versetzung eines Schülers gefährdet? 3. In welchen Fällen einer Beteiligung an den Protesten gilt der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung? 4. Wurden Maßnahmen nach § 24 Thüringer Schulgesetz aufgrund der Beteiligung an den Protesten bisher umgesetzt? Wenn ja, welche? 5. Wie bewertet die Landesregierung die "Fridays for Future"-Proteste vor dem Hintergrund der Schulpflicht? 6. Welche Angebote hat die Landesregierung den Protestierenden gemacht, damit ihr Engagement im Einklang mit dem Schulgesetz und der Schulordnung stattfinden kann? 7. Welche Mitglieder der Landesregierung und Staatssekretäre haben an den Protesten teilgenommen (bitte Kundgebung mit Datum einzeln auflisten)? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 4. Juni 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung sieht die vorrangige Aufgabe der Schulen in guter pädagogischer Arbeit und ist deshalb bestrebt, den Aufwand bezüglich Verwaltung und Statistik auf das Maß zu beschränken, welches für K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kellner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7313 die Steuerung und Aufsicht in Schulverwaltungs- und - entwicklungsprozessen unabdingbar ist. Zu den Fragestellungen liegen der Landesregierung keine statistischen Angaben vor. Zu 2.: Die Versetzung hängt grundsätzlich nicht von einer bestimmten Anzahl besuchter Unterrichtsstunden ab. Ist in einer Klassenstufe eine Versetzungsentscheidung vorgesehen, wird eine Schülerin oder ein Schüler in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt, wenn sie oder er bestimmte Leistungsanforderungen erfüllt hat (vergleiche zum Beispiel § 50 Abs. 2, § 51 Abs. 1 und 2 Thüringer Schulordnung). Darüber hinaus kann eine Versetzung durch Entscheidung der Klassenkonferenz auch bei Vorliegen besonderer Gründe, wie Wechsel der Schule während des Schuljahres oder längerer Krankheit, erfolgen, wenn dies bei Würdigung des Leistungswillens der Schülerin oder des Schülers gerechtfertigt erscheint und eine erfolgreiche Mitarbeit in der nächsthöheren Klasse erwartet werden kann (vergleiche § 52 Thüringer Schulordnung). Zu 3.: Schülerinnen und Schüler sind durch die gesetzliche Unfallversicherung immer dann versichert, wenn sie im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule stehen. Das heißt, wenn sie in der Schule sind oder zur Schule beziehungsweise von der Schule nach Hause gehen. Versichert ist darüber hinaus alles, was als schulische Veranstaltung gilt, also von der Schule organisiert, von ihr durchgeführt und/oder verantwortlich begleitet wird. Dann besteht Versicherungsschutz auch außerhalb der Unterrichtszeiten oder an anderen Orten. Zu 4.: Es wurden keine Maßnahmen nach § 24 Thüringer Schulgesetz ergriffen. Zu 5.: Der Umgang mit den "Fridays for Future"-Demonstrationen berührt sehr grundsätzliche Fragen: Die Schulpflicht und die Demokratie. In gewisser Weise ließe sich sagen, dass beide in diesem Jahr ihren hundertsten Geburtstag feiern, denn beide - Schulpflicht und Demokratie - wurden 1919 in der Weimarer Reichsverfassung verankert. Es sind zwei grundlegende Errungenschaften unserer Gesellschaft. Steht nun die Frage, welche von beiden wichtiger ist? Nein; es ist Aufgabe beides erfolgreich miteinander zu verbinden. Wenn Schülerinnen und Schüler sich demokratisch engagieren, ist das ohne Wenn und Aber zu begrüßen. Klimaschutz ist zudem ein Thema, das für jede und jeden von Bedeutung ist. Junge Menschen machen sich Gedanken darum, welche Welt ihnen hinterlassen wird. Das ist eine Form von Verantwortungsbewusstsein, die sich jeder Pädagoge nur wünschen kann. Wie ist das mit der Schulpflicht zu vereinbaren? Die Schulpflicht gilt - auch ohne Wenn und Aber. Wenn Schülerinnen und Schüler demonstrieren wollen, stellt sich zunächst die Frage, ob dies nicht außerhalb der Unterrichtszeit geschehen kann. Das wäre die beste Lösung. Wenn während der Unterrichtszeit explizit "gestreikt " werden soll, dann ist zu klären, ob das wirklich der beste Weg zum gewünschten Ziel ist. Aus Sicht der Landesregierung ist es nicht das beste Instrument, denn die Schulpflicht geht vor. Wenn Schülerinnen und Schüler am Schulstreik teilnehmen, wird das als unentschuldigte Fehlzeit gewertet . Wie bei jedem unentschuldigten Fehlen hat die Schule dann das Ziel, den Schüler oder die Schülerin wieder in den Unterricht zu bringen. Der erste Weg dazu ist immer das persönliche Gespräch. Darüber hinaus sind pauschale Festlegungen nicht zielführend. Eine Einschätzung ohne Betrachtung des Einzelfalls in der konkreten Schule ist nicht möglich. Beispielsweise ist entscheidend, ob eine Klasse sich gerade auf eine Abschlussprüfung vorbereitet, ob neben der Schulpflicht auch die Aufsichts- und Fürsorgepflicht zu berücksichtigen ist und Vieles mehr. Insofern entspricht es nicht unserer Arbeitsweise, den Schulen dazu zentralistisch feste Vorgaben zu machen. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen nehmen ihre Verantwortung vor Ort in den Schulen sehr bewusst wahr. So kann aus dem Bedürfnis, etwas für den Klimaschutz zu tun zum Beispiel eine schulische Projektwoche entstehen. Es gibt viele Wege, demokratisches Engagement und die Schulpflicht miteinander zu vereinbaren. Sie sollten genutzt werden. Zum allgemeinen Umgang mit Schuldistanz hat unser Ministerium im Jahr 2013 fachliche Empfehlungen* für Lehrerinnen und Lehrer veröffentlicht. Diese sind nach wie vor aktuell. 3 Drucksache 6/7313Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6.: Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport informiert Schülerinnen und Schüler fortlaufend über Formen der aktiven Mitbestimmung und Möglichkeiten der Mitwirkung bei schulischen Vorhaben zur politischen Bildung sowie Demokratieerziehung. Dies erfolgt über die Thüringer Landesschülervertretung. Zu 7.: Herr Ministerpräsident hat am 29. März in Erfurt die Demo "Fridays for Future" besucht. Außerdem hat er am 24. Mai 2019 in Erfurt vor der Thüringer Staatskanzlei zu Demonstranten der Aktion "Fridays for Future" gesprochen. Frau Ministerin Siegesmund hat am 27. Februar 2019, am 26. April 2019 sowie am 24. Mai 2019 an einer Kundgebung "Fridays for Futures" teilgenommen Holter Minister Endnote: * Vergleiche https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tmbwk/bildung/schulwesen/empfehlungen/schuldistanz_ web.pdf "Fridays for Future"-Proteste in Thüringen - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Endnote: