16.06.2015 Drucksache 6/736Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Juni 2015 Eskalation auf dem Schulhof des Worbiser Gymnasiums Die Kleine Anfrage 288 vom 27. April 2015 hat folgenden Wortlaut: Wie mehrere Thüringer Medien berichteten, hatte sich das Worbiser Gymnasium bei einem Voting des Radiosenders 89.0 RTL beworben und dieses schließlich mit 34.000 Stimmen gewonnen. Als Preis winkte ein Konzert des Musikers Graham Candy, der 2014 mit dem Sommerhit "She moves" bekannt wurde. Der Jubel war groß - hielt allerdings nur kurz an, da Schulamtsleiter Bernd Uwe Althaus und Landrat Henning entschieden, dass das Konzert in der Schule nicht stattfinden dürfe. Bernd Uwe Althaus ließ sich u.a. in der Thüringischen Landeszeitung vom 24. April 2015 mit den Worten zitieren: "Ich werde mich an die Landesmedienanstalt Sachsen-Anhalt wenden und prüfen lassen, ob man gegen den Radiosender 89.0 RTL eine Rüge aussprechen soll. (...) Vormittags hat an der Schule nur eine Veranstaltung stattzufinden. Und die heißt Schule." Aufgrund des de facto Auftrittsverbots fand das Konzert nun in einem Gymnasium in Querfurt (SachsenAnhalt ) statt. Am Montag, den 27. April 2015, kam es nunmehr zu einer Eskalation: Schüler des Gymnasiums waren als Reaktion auf das Auftrittsverbot in einen Schülerstreik getreten. Laut Berichten der Thüringer Allgemeine und der Thüringischen Landeszeitung schliff der Schulleiter des Gymnasiums (Zitat) "eine Schülerin mehrere Meter über den Schulhof, bis diese an einer Treppe stürzt." Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung derartige Veranstaltungen von Radiosendern und die Teilnahme staatlicher Schulen an selbigen? 2. Plant die Landesregierung ein Verbot der Beteiligung an solchen Wettbewerben und wenn ja, wie begründet sie dies? 3. Wie bewertet die Landesregierung das Konzertverbot von Seiten des Schulamtes und des Schulträgers, gerade vor dem Hintergrund, dass dieses nur 30 Minuten dauern sollte? 4. Teilt die Landesregierung die Bedenken gegenüber derartigen Veranstaltungen und wenn ja, wie begründet sie diese? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Rothe-Beinlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/736 5. Sieht die Landesregierung in derartigen Wettbewerben auch Chancen für die Region und die Schulen, wenn nein, warum nicht, wenn ja, welche? 6. Wie bewertet die Landesregierung den dokumentierten Übergriff gegen eine am Schülerstreik beteiligte Schülerin von Seiten des Schulleiters? 7. Welche Konsequenzen hat der mögliche Übergriff des Schulleiters und welche Präventionsmaßnahmen gibt es Seitens des Landes, das so etwas nicht wieder vorkommt? 8. Wird die Landesregierung das Gespräch mit allen Beteiligten suchen, um die Vorfälle aufzuklären und alle Seiten dazu anzuhören? Wenn nein, warum nicht? 9. Wie bewertet die Landesregierung das Engagement der Schülerinnen und Schüler, die sich mit viel Elan an derartigen Votings beteiligen und somit auch Unterstützung für ihre Schulen einwerben? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 12. Juni 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Aus schulrechtlicher Sicht stellt eine solche Veranstaltung ein außerunterrichtliches Angebot im Sinne des § 11 des Thüringer Schulgesetzes (ThürSchulG) dar und kann im konkreten Fall durchaus geeignet sein das schulische Angebot zu bereichern. Eine Entscheidung im konkreten Fall setzt auch eine Mitwirkung schulischer Gremien und des Schulträgers voraus. Zu 2.: Die Landesregierung plant nicht, den Bürgern zu verbieten, sich an privaten Gewinnspielen zu beteiligen. Zur Beteiligung von staatlichen Schulen an solchen Gewinnspielen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zudem beabsichtigt die Landesregierung nicht, die Handlungsoptionen einer eigenverantwortlichen Schule im Sinne des § 40 b ThürSchulG ohne triftigen Grund zu beschränken. Maßstab des Handelns der Schulaufsicht ist die Regelung des § 3 Abs. 2 des Thüringer Gesetzes über die Schulaufsicht, nach der die pädagogische Eigenverantwortung der Schule nicht gefährdet werden darf. Dies steht einem pauschalen Verbot der Beteiligung von staatlichen Schulen an solchen Wettbewerben durch die Landesregierung als oberster Schulaufsichtsbehörde entgegen. Zu 3.: Die in den Schulbehörden tätigen Amtsträger und der Schulträger haben ihre Entscheidung zunächst an Fragen der Sicherheit und Ordnung zu orientieren. Konkret war von den verantwortlichen Amtsträgern innerhalb kürzester Zeit abzuschätzen, ob eine solche Veranstaltung ohne Gefahren für Leib und Leben der Schüler und Lehrer zu realisieren ist. Es galt auch sicherzustellen, ob nicht Dritte sich Zugang zur Veranstaltung verschaffen könnten. Die angestellten Überlegungen sind nicht sachfremd und daher als nachvollziehbar einzuschätzen. Es ist eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen worden. Vorstehende Überlegung hat im Vorfeld auch der Veranstalter des Gewinnspiels, der Radiosender 89,0 RTL angestellt und zu seiner zivilrechtlichen Absicherung folgende Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen : "Für den Gewinn ist es erforderlich, dass die Schulleitung sowie gegebenenfalls ein anderweitiger Inhaber des Hausrechts nach Absprache mit dem Veranstalter über den genauen Zeitpunkt, Ablauf, Versicherung, Sicherheitskonzepte, Absperrungen sowie sonstige räumliche und technische Voraussetzungen bis spätestens …. seine schriftliche Zustimmung erteilt." Seitens der für die Schulbehörden zuständigen Amtsträger ist weiterhin für einen geordneten Schulbetrieb Sorge zu tragen (vgl. § 33 Abs. 1 ThürSchulG). Hinsichtlich des geordneten Schulbetriebs hat die Durchführung des Unterrichts Priorität; Unterrichtsausfall ist zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund sind die von den Schulbehörden angestellten Überlegungen zur Unterrichtsabsicherung ebenfalls nicht zu beanstanden. 3 Drucksache 6/736Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Die Landesregierung hat keine grundsätzlichen Bedenken betreffend derartiger Veranstaltungen. Im Weiteren wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 2 und 3 verwiesen. Zu 5.: Bei der Aktion der Schüler, in deren Ergebnis auf dem Schulhof ein Konzert stattfinden sollte, handelte es sich nicht um einen Wettbewerb. Ein Wettbewerb ist eine Veranstaltung, bei der die Teilnehmer gegeneinander antreten, um ihre Leistungen miteinander zu vergleichen und bei dem es für die Besten Preise geben kann. Der Radiosender hatte ein Gewinnspiel veranstaltet. Solche Gewinnspiele werden in der Regel auch zur Steigerung der Attraktivität und Bekanntheit des Veranstalters, hier des Radiosenders, durchgeführt. Um die Bekanntheit Thüringens als Kultur-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort zu steigern, können natürlich auch Wege analog zum oben angesprochenen Gewinnspiel gegangen werden. Dass es sich lohnen kann, auf den Einsatz digitaler Medien zu setzen, zeigt das Projekt Weimarpedia (http:// www.weimarpedia.de/). Zu 6.: Bezüglich des Vorfalls auf dem Schulhof des Marie-Curie-Gymnasiums in Worbis wurde eine Strafanzeige gegen den Schulleiter gestellt. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und sein Ergebnis bleiben zunächst abzuwarten. Da die Landesregierung an die Ergebnisse der Ermittlungsbehörden gebunden ist, kann der Sachverhalt derzeit nicht bewertet werden. Ein Disziplinarverfahren gegen den Schulleiter wurde eingeleitet und wegen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetzt. Zu 7.: Zu den möglichen Konsequenzen für den Schulleiter wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Das Gebot zum rechtmäßigen Verhalten aller für das Land tätigen Beschäftigten stellt zunächst sicher, dass es im Allgemeinen nicht zu den mit der Fragestellung intendierten Übergriffen kommt. Flankiert durch eine funktionierende Aufsicht wird general- und in der Regel spezialpräventiv sichergestellt, dass es nicht zu rechtswidrigen Verhaltensweisen von den für das Land tätigen Beschäftigten kommt. Schließlich stellen die Auswahlverfahren zur Besetzung von Schulleiterstellen, die Führungskräfteentwicklung und regelmäßigen Schulleiterdienstberatungen geeignete Präventionsmaßnahmen dar. Zu 8.: Mit Rücksicht auf die besondere Komplexität der Angelegenheit muss das Verhalten der verschiedenen beteiligten Personen differenziert betrachtet werden. Zu einer umfassenden und fairen Aufarbeitung der Vorkommnisse vom 27. April 2015 gehört es, sich die Zeit zu nehmen, das Handeln aller Beteiligten zu hinterfragen. Es sollte vermieden werden, voreilige Entscheidungen großer Tragweite zu treffen, die später eventuell nicht mehr umzukehren sind. Sollten die verschiedenen Überprüfungen jedoch klare Pflichtverletzungen offenbaren, so werden selbstverständlich auch angemessene Konsequenzen daraus gezogen werden. Hierbei wird auch dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs im erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden. Zu 9.: Das Engagement von Schülerinnen und Schülern für ihre Schule wird, unabhängig vom konkreten Anlass, von der Landesregierung grundsätzlich positiv bewertet. Dr. Klaubert Ministerin