03.07.2019 Drucksache 6/7461Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 10. Juli 2019 Gesetzentwurf zur Einführung einer pauschalen Beihilfe in Thüringen - Teil II Die Kleine Anfrage 3869 vom 16. Mai 2019 hat folgenden Wortlaut: Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen (vergleiche § 45 Beamtenstatusgesetz). In Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen übernimmt der Dienstherr mindestens 50 Prozent der Behandlungskosten (Beihilfe). Die Restkosten werden über einen Beihilfetarif der privaten Krankenversicherung (PKV) abgesichert. Beinahe 94 Prozent der Beamten in Deutschland nehmen diese Kombination aus Beihilfe und privater Krankenversicherung in Anspruch. Ende März 2019 reichte die Landesregierung den Entwurf eines "Thüringer Gesetzes zur Anpassung von Vorschriften aus dem Bereich des Dienstrechts" (vergleiche Drucksache 6/6961) in den Landtag ein. Danach sollen Beamtinnen und Beamte, die sich unwiderruflich für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) entscheiden , anstelle individueller Beihilfe zu einzelnen Aufwendungen monatlich eine pauschale Beihilfe erhalten. Die pauschale Beihilfe gilt nur für die Krankenversicherung. Für die Absicherung des Pflegerisikos gewährt der Dienstherr weiter die klassische Beihilfe im Pflegefall. Versichern muss sich ein Beamter, der sich für die pauschale Beihilfe zur gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet, dann aber in der Sozialen Pflegeversicherung (nach dem Prinzip, dass die Pflegeversicherung der Krankenversicherung folgt). Die Neuregelung soll zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung insbesondere zu dem finanziellen Risiko für die gesetzliche Krankenversicherung, das insbesondere darin bestehen kann, dass für Versicherte mit schlechtem Gesundheitszustand, mit geringem Einkommen und/oder vielen Kindern bei Gewährung eines Zuschusses verstärkt ein Anreiz gesetzt wird, sich gesetzlich zu versichern? 2. Stimmt die Landesregierung dem Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung zu, die das sogenannte Hamburger Modell als "fiskalisch kluges Manöver" beschreibt , da "es mittelfristig zu einer Verschiebung schlechter Gesundheitsrisiken aus dem PKV-Beihilfe-System in die GKV kommt"? 3. Ist der Landesregierung bekannt, dass infolge der Öffnungsaktionen der privaten Krankenversicherung alle Beihilfeberechtigen auch mit Vorerkrankungen und Behinderungen einen Rechtsanspruch auf Aufnahme bei einem privaten Krankenversicherer (mit einem Risikozuschlag von maximal 30 Prozent) haben und dass die private Krankenversicherung diesen Rechtsanspruch auf die Beamten auf Widerruf ausgeweitet hat? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Thamm (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministeriums 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7461 4. Wie gedenkt die Landesregierung die entsprechende Zielgruppe über die Wahlmöglichkeit zwischen pauschaler Beihilfe einerseits und herkömmlicher individueller Beihilfe andererseits sowie über die Ausgestaltung der pauschalen Beihilfe aufzuklären und zu beraten? 5. Von welchen finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt geht die Landesregierung aus und wie simuliert sie die Kostenbelastung pro freiwillig gesetzlich versichertem Beamten? 6. Inwiefern und in welcher Höhe entstehen durch die Wahlmöglichkeit dauerhaft Mehrkosten für den Freistaat Thüringen? 7. Welche finanziellen Risiken sieht die Landesregierung für den öffentlichen Haushalt vor dem Hintergrund, dass bei der Beihilfe nur im Krankheitsfall gezahlt wird, bei ihrem jetzigen Gesetzesvorhaben jedoch jeden Monat der Zuschuss vom Thüringer Steuerzahler bezahlt werden muss? 8. Wie bewertet die Landesregierung die in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. Dezember 2017 benannten zusätzlichen Kosten für jeden Beamten im sogenannten Hamburger Modell (pauschale Beihilfe), welche allein im ersten Jahr auf 1.369 Euro Mehrkosten für das Land und die Steuerzahler beziffert werden? 9. Welche beamten- und verfassungsrechtlichen Fragen sind mit diesem Gesetzgebungsvorhaben verbunden und wie gedenkt die Landesregierung, diese Fragen zu berücksichtigen - insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Dienstherr seine verfassungsmäßig vorgegebene Fürsorgepflicht nicht vollständig in ein anderes System delegieren kann? Wie beurteilt die Landesregierung die rechtlichen Möglichkeiten von Beamten, sich in die klassische Beihilfe zurückzuklagen? 10. Mit welchen Beitragsbelastungen muss ein Beamter, der sich für die pauschale Beihilfe zur gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet und für die Absicherung des Pflegerisikos eine Soziale Pflegeversicherung abschließen muss, a) mit einem Durchschnittseinkommen und b) mit einem Einkommen an der Beitragsbemessungsgrenze rechnen? Wie hoch wäre seine Prämienbelastung demgegenüber in der Privaten Pflegepflichtversicherung ? Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 3. Juli 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung sieht für die GKV kein finanzielles Risiko. Die Möglichkeit sich für die pauschale Beihilfe zu entscheiden, wird insbesondere von Berufsanfängerinnen und -anfängern genutzt werden. Eine Verbeamtung erfolgt erst nach vorheriger Gesundheitsuntersuchung. Daher wird ein Risiko für die GKV durch Versicherte mit schlechtem Gesundheitszustand nicht gesehen. Zudem ist zum Beginn der Beamtenlaufbahn , also zu dem Zeitpunkt, in dem sich die Beamtinnen und Beamten gegebenenfalls für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung entscheiden, die Familienplanung regelmäßig noch nicht absehbar. Daher wird die GKV nicht mehr als bisher mit Risiken behaftet. Zu 2.: Die Landesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 1. Zu 3.: Der Landesregierung sind die Öffnungsaktionen der PKV bekannt. Zu 4.: Die Landesregierung beabsichtigt das Inkrafttreten der Regelung zur pauschalen Beihilfe mit Einführungsrundschreiben bekanntzugeben. Damit soll gewährleistet werden, dass insbesondere die Personalstellen die künftigen Beamtinnen und Beamten über die möglichen Formen der Beihilfegewährung informieren können . Die derzeit beihilfeberechtigten Personen sollen im Rahmen einer Bezügemitteilung über das Inkrafttreten der Regelung zur Gewährung der pauschalen Beihilfe informiert werden. Außerdem sollen auf der 3 Drucksache 6/7461Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Internetseite der Beihilfestelle beim Thüringer Landesamt für Finanzen die erforderlichen Informationen zur pauschalen Beihilfe eingestellt werden. Zu 5. bis 8.: Die Landesregierung geht davon aus, dass die Beihilfeausgaben im Landeshaushalt zunächst steigen werden . Dies ist insbesondere auf die derzeit freiwillig in der GKV versicherten beihilfeberechtigten Personen zurückzuführen. Die Angaben zu ihrer Anzahl und der monatlich durchschnittlich für jeden Beamten zu gewährenden pauschalen Beihilfe für die bereits vorhandenen freiwillig gesetzlich versicherten beihilfeberechtigten Personen beruhen auf Ermittlungen von gesetzlichen Krankenkassen sowie ergänzenden Annahmen. Danach werden für den Freistaat Thüringen 1.000 vorhandene freiwillig gesetzlich versicherte beihilfeberechtigte Personen mit monatlich durchschnittlich 211 Euro je Person zugrunde gelegt. Daraus errechnen sich Mehrausgaben in Höhe von 211.000 Euro monatlich beziehungsweise in Höhe von 2.532.000 Euro jährlich. Für die Ermittlung der auf das Land beziehungsweise die Kommunen entfallenden Kosten wurde das Verhältnis der Anzahl der Beamten im Landesbereich (90 vom Hundert) und im kommunalen Bereich (10 vom Hundert) zugrunde gelegt. Danach errechnen sich Mehrkosten von jährlich 2.278.800 Euro für den Landeshaushalt und 253.200 Euro für den kommunalen Bereich. Hier ist allerdings zu berücksichtigten, dass diese Personen in der Vergangenheit erheblich zur Dämpfung der Beihilfekosten beigetragen haben. Die Anzahl der neueingestellten Beamten, die sich für die pauschale Beihilfe entscheiden werden, kann nicht prognostiziert werden, da hierfür keine Erfahrungswerte vorliegen. Mehrkosten werden in Abhängigkeit von der Inanspruchnahme der pauschalen Beihilfe unter Berücksichtigung der Einsparungen der ansonsten zu gewährenden individuellen Beihilfe entstehen. Zunächst werden die Kosten für die pauschale Beihilfe jedoch die Kosten für die ansonsten zu gewährende individuelle Beihilfe übersteigen. Voraussichtlich ist mit erheblichen Einsparungen zu rechnen, wenn dieser Personenkreis in den Ruhestand tritt. Deshalb wird eingeschätzt, dass langfristig Kostenneutralität erreicht werden kann. Die Landesregierung sieht daher keine erheblichen Risiken für den öffentlichen Haushalt. Zu 9.: Die vorgesehene Neuregelung berücksichtigt Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes. Danach ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums erfassen die Fürsorgepflicht und das Alimentationsprinzip. Danach muss der Dienstherr Vorkehrungen dafür treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt der Beamtinnen und Beamten und ihren Angehörigen auch bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Geburts-, Krankheits-, Pflege- und sonstigen Fälle nicht gefährdet wird. Ob der Dienstherr dieser Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt seiner Entscheidung überlassen (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 - 2 BvR 613/06 -). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die pauschale Beihilfe gerecht, denn sie versetzt die Beamtinnen und Beamten in die Lage, die in Krankheitsfällen eintretenden finanziellen Belastungen zu bewältigen, ohne den amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gefährden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung und das System der privaten Vorsorge einschließlich ergänzender Beihilfe gleichwertig sind (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 35/04). Deshalb ist auch die Beteiligung an Kosten für eine private Krankheitsvollversicherung in Form der pauschalen Beihilfe sachgerecht. Zur Vermeidung von unbilligen Härten sieht der Gesetzentwurf vor, dass in besonders begründeten Ausnahmefällen zusätzlich Beihilfe gewährt werden kann. Der Gesetzentwurf sieht ein Wahlrecht hinsichtlich der Form der Beihilfegewährung vor. Wählt der Beamte die pauschale Beihilfe, handelt es sich um eine bewusste Entscheidung, denn er muss diese Form der Beihilfe bewusst beantragen. Die pauschale Beihilfe wird nicht nur zu Beiträgen der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch zu den Beiträgen einer privaten Krankheitskostenvollversicherung gewährt . Somit bleibt der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt. Daher geht die Landesregierung nicht davon aus, dass sich Beamte in die klassische Beihilfe zurückklagen. Zu 10.: Der Beitragssatz für die Soziale Pflegeversicherung beträgt nach § 55 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bundeseinheitlich 3,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen für die Mitglieder. Für einen Beamten, der sich für die pauschale Beihilfe zur GKV entscheidet und für die Absicherung des Pflegerisikos in der Sozialen Pflegeversicherung versichert ist, halbiert sich nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB XI der bundeseinheitliche Beitragssatz und beträgt somit 1,525 Prozent. Für kinderlose Mitglieder der Sozi- 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7461 alen Pflegeversicherung, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, erhöht sich der bundeseinheitliche Beitragssatz um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkte (§ 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI). Dies gilt jedoch nicht für Mitglieder der Sozialen Pflegeversicherung, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden. Damit erhöht sich der Beitragssatz für den kinderlosen Beamten über 23 Jahre auf 1,775 Prozent, wenn er nicht vor dem 1. Januar 1940 geboren ist. Für die Berechnung der tatsächlichen Beitragshöhe werden nur die beitragspflichtigen Einnahmen bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Im Jahr 2019 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze 54.450 Euro beziehungsweise monatlich 4.537,50 Euro. Demzufolge beträgt die Beitragsbelastung für einen Beamten mit Kindern im Monat höchstens 69,20 Euro. Für den kinderlosen Beamten über 23 Jahre beträgt die Beitragspflicht maximal 80,54 Euro. Anhand der Besoldungsstruktur der Beamten im Landesbereich wird als Durchschnittseinkommen eines Beamten das Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 13 Stufe 6 in Höhe von monatlich 4.316,83 Euro zugrunde gelegt. Davon ausgehend beträgt die monatliche Beitragsbelastung 65,83 Euro für den Beamten mit Kindern beziehungsweise 76,52 Euro für den kinderlosen Beamten, der nicht vor dem 1. Januar 1940 geboren ist. Die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung werden unter der Berücksichtigung von Risikofaktoren der Versicherten kalkuliert. Daher sind keine allgemeingültigen Aussagen zur Prämienbelastung in der privaten Pflegeversicherung möglich. Taubert Ministerin Gesetzentwurf zur Einführung einer pauschalen Beihilfe in Thüringen - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5. bis 8.: Zu 9.: Zu 10.: