18.07.2019 Drucksache 6/7477Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. Juli 2019 Ermittlungen gegen Künstlergruppe "Dies Irae" und DNA-Proben wegen Beleidigungsverfahren ? - Teil I Die Kleine Anfrage 3899 vom 22. Mai 2019 hat folgenden Wortlaut: Die Künstlergruppe "Dies lrae" tritt durch großflächige handgefertigte Plakate im öffentlichen Raum in Erscheinung . Dabei werden Werbekästen ohne Beschädigung durch passendes Werkzeug geöffnet und vorhandene Werbeplakate nicht ausgetauscht oder beschädigt, sondern eigene künstlerische Werke darüber gehangen und die Kästen wieder verschlossen. Bereits im Januar 2016 wurden derartige Plakate in Erfurt bekannt, in denen der Thüringer Fraktionsvorsitzende der AfD im Stil der Sage "Der Rattenfänger von Hameln" der Brüder Grimm abgebildet und mit der Bezeichnung "Nationalistischer Rattenfänger" versehen wurde. Auf anderen Plakaten stand "Afghanistan ist gegen Frauenrechte. Wir auch! Rechtspopulisten für Deutschland", und sie waren versehen mit einem AfD-ähnlichem Logo. Ein weiteres Plakat titelte "Menschenrechte statt rechte Menschen". Die AfD erstattete Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Erfurt soll bereits im März 2016 festgestellt haben, dass keine Straftat vorliege und die Plakate von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt seien. Laut einer Veröffentlichung der Gruppe auf ihrer Facebook-Seite vom 18. April 2019 sollen jedoch Ermittlungen weiter betrieben worden sein, insbesondere sollen Fingerabdrücke und DNA-Proben von Plakaten genommen worden sein, dazu auch Vergleichs-Mundhöhlenabstriche für DNA-Vergleichsproben von einem Plakatierer der Werbefirma. Im November 2018 soll aufgrund eines sichergestellten Fingerabdrucks eine Person in der Sache wegen "Beleidigung" vorgeladen worden sein. Mit Datum vom 18. März 2019 sei das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Erfurt eingestellt worden. Nach dem bundesweit über Ermittlungen gegen die Künstlergruppe "Zentrum für Politische Schönheit " wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung berichtet wurde, folgten von "Dies Irae" Plakate in Gera, die sich mit der Staatsanwaltschaft Gera beziehungsweisebeziehungsweise dem zuständigen Staatsanwalt im Verfahren gegen das "Zentrum für Politische Schönheit" befassten, unter anderem wurde ein "Negativpreis" verliehen und hinterfragt, ob der Staatsanwalt seinen "Beruf als 'Rechts'-Pfleger zu wörtlich genommen" habe. Die Werbefirma und der betroffene Staatsanwalt erstatteten Anzeige. Laut Berichterstattung des Mitteldeutschen Rundfunks vom 12. April 2019 prüfe die Staatsanwaltschaft Gera, ob eine Straftat vorliege. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Strafanzeigen, Vorermittlungen, Ermittlungs- und Strafverfahren wurden seit dem Jahr 2016 gegen die Künstlergruppe "Dies lrae" beziehungsweise verantwortliche Personen in Thüringen wegen welcher Delikte gegen wie viele Verdächtige geführt beziehungsweise aktenkundig, wann wurden diese eingeleitet und welchen Bezug haben diese zur Politisch motivierten Kriminalität und was ist der Anlass der Verfahren (bitte aufschlüsseln nach Datum des Verfahrensbeginns, Straftatbestand, zuständi- K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dittes (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7477 ger Staatsanwaltschaft, betroffenen Polizeidienststellen, zeitlicher Dauer, Verfahrensausgang, Anzahl der Beschuldigten; falls Bezug zur Politisch motivierten Kriminalität besteht, bitte Benennung des Phänomenbereichs der Politisch motivierten Kriminalität und Sachverhaltsdarstellung)? 2. Ist es zutreffend, dass anlässlich einer Plakataktion im Jahr 2016 von der Künstlergruppe "Dies Irae" in Erfurt (siehe Vorbemerkung), die Staatsanwaltschaft Erfurt keine Strafbarkeit feststellte und bei der Aktion von Meinungs- und Kunstfreiheit ausging und wenn ja, mit welcher Begründung und wenn nein, warum nicht? 3. Ist es zutreffend, dass anlässlich einer Plakataktion im Jahr 2016 von der Künstlergruppe "Dies Irea" in Erfurt (siehe Vorbemerkung), nach festgestellter nicht vorliegender Strafbarkeit durch die Staatsanwaltschaft Erfurt bis zu den Jahren 2018/2019 dennoch weitere Ermittlungshandlungen stattfanden und wenn ja, wie erklärt sich diese Diskrepanz und aufgrund welcher Umstände wurden Ermittlungen weitergeführt? 4. Ist es zutreffend, dass DNA-Spuren und Fingerabdrücke von den Plakaten aus dem Jahr 2016 in Erfurt genommen wurden und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, wegen welchen Delikts, welchen Zwecks und durch welche Stelle wurden diese beauftragt? 5. Wie viele DNA- und Fingerabdruckspuren wurden an Plakaten gesichert, wie viele Vergleichsproben von Personen genommen und inwiefern lagen dazu richterliche Beschlüsse vor? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 16. Juli 2019 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die der Antwort zugrundeliegenden Vorfälle sind beziehungsweise waren Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen . Unter Hinweis auf Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen und § 477 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) wird insbesondere aus Datenschutzgründen (Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz , Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen, § 2 Abs. 7 Thüringer Datenschutzgesetz) und vor dem Hintergrund der im Strafverfahren zu beachtenden Unschuldsvermutung (Artikel 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) von weiteren als nachstehenden Angaben abgesehen (vergleiche auch Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 5. März 2014, Az.: 2 EO 386/13). Zu 1.: Seit 2016 wurden insgesamt zwei Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung geführt: Am 13. Januar 2016 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Vorwurfs der Beleidigung eingeleitet, in dessen Verlauf eine beschuldigte Person später namhaft gemacht wurde. Anlass waren Plakate in Erfurt auf denen unter anderem ein Mitglied des Thüringer Landtags in einer bestimmten Weise mit abwertender Tendenz öffentlich dargestellt beziehungsweise bezeichnet worden war. Die zugrundeliegende Tat wurde zunächst der PMK -links- zugeordnet. Die Staatsanwaltschaft Erfurt stellte dieses Verfahren im März 2016 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wurde am 12. April 2019 gegen eine beschuldigte Person wegen des Verdachts der Beleidigung unter anderem eingeleitet. Anlass hierfür war ein Plakat in Gera auf dem eine Person in verfremdeter Weise unter Benennung ihres Nachnamens abgebildet wurde. Das Ermittlungsverfahren ist noch bei der Staatsanwaltschaft Gera anhängig. Die zugrundeliegende Tat wurde bislang keinem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität zugeordnet. Zu 2.: Das gegen Unbekannt geführte Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Erfurt mit Verweis auf die Meinungsfreiheit eingestellt und führte aus: "Der angezeigte Sachverhalt ist nicht strafbar […]. Zwar sind die Plakatierungen geeignet, die […] in der öffentlichen Meinung in Misskredit zu bringen. Jedoch sind die Aussagen beziehungsweise Darstellungen auf den Plakaten durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gerechtfertigt und daher 3 Drucksache 6/7477Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode straflos. Dies folgt aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Bei Äußerungen im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung ist eine Interessenabwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit einerseits und dem Interesse am Schutz vor herablassenden und beleidigenden Äußerungen andererseits vorzunehmen. Der Meinungsfreiheit kommt dabei aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung für die Konstituierung eines demokratischen Gemeinwesens ein hoher Stellenwert zu mit der Folge, dass im Bereich der politischen Meinungsäußerung grundsätzlich eine Vermutung zugunsten der Meinungsäußerungsfreiheit besteht. Daher sind im politischen Meinungskampf auch starke Formulierungen hinzunehmen, sofern sie in Abwägung mit der Meinungsfreiheit nicht unverhältnismäßig erscheinen (Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 193 Rn. 10 ff.). Die […] beteiligt sich am politischen Meinungskampf. Die durch die Plakatierung thematisierte Bewertung der Frage, ob die […] parteipolitisch als […] oder […] eingeschätzt wird, ist Gegenstand einer intensiven und kontroversen öffentlichen Auseinandersetzung. In diesem Kontext erscheinen die Aussagen und Darstellungen auf den Plakaten als eine nicht unverhältnismäßige Meinungsäußerung und sind daher trotz ihrer abwertenden Tendenz hinzunehmen. Gleiches gilt für den Anzeigeerstatter, […], der als […] Landtagsabgeordneter in der öffentlichen Auseinandersetzung besonders im Vordergrund steht." Zu 3.: Durch die Staatsanwaltschaft Erfurt wurden nach Einstellung des Verfahrens keine weiteren Ermittlungen geführt. Trotz Versendung des Formblattes an die zuständige Polizeidienststelle zur Information über die Einstellung des Verfahrens mangels Straftat durch die Staatsanwaltschaft wurden die polizeilichen Ermittlungen in Unkenntnis dieser Verfahrenseinstellung fortgeführt. So wertete das Landeskriminalamt Thüringen (TLKA) die im Januar gesicherten daktyloskopischen Spuren im August 2016 aus. Das im Dezember 2016 der Staatsanwaltschaft Erfurt übersandte Gutachten wurde ohne weitere Verfügung zur Akte genommen. Darüber hinaus fertigte das TLKA im Juli 2017 eine DNA-Treffermitteilung von Spur zu Spur. Im August 2017 legte die Polizei das Behördengutachten über die Untersuchung gerichtsbiologischer Spuren und das Vergleichsmaterial der Staatsanwaltschaft vor. Die Staatsanwaltschaft ordnete daraufhin die Vernichtung der Spuren an und legte den Vorgang erneut weg. Auf telefonische Anforderung übersandte die Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft Erfurt im Dezember 2018 die Verfahrensakte an die Kriminalpolizeiinspektion Erfurt. Dort lag zwischenzeitlich das Behördengutachten des TLKA vom November 2018 über Spuren und Vergleichsabdrücke vor, aus dem sich der Hinweis auf einen möglichen Spurenverursacher ergab. Die Polizei hat die Personalien dieser Person erhoben und die für den Wohnort zuständige Polizeidienststelle um Beschuldigtenvernehmung gebeten. Die beschuldigte Person hat daraufhin, anwaltlich vertreten, von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Nach Rückkehr der Akte zur Staatsanwaltschaft Erfurt wurde das Verfahren in das Register für namhaft gemachte Beschuldigte (Js-Register) umgetragen und im März 2019 erneut nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt . Im Anschluss daran wurde dieser Vorgang bei der Staatsanwaltschaft Erfurt ausgewertet und die entsprechenden Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass zukünftig bei der Einstellung von Ermittlungsverfahren, in denen festgestellt worden ist, dass das angezeigte Verhalten keinen Straftatbestand erfüllt, ausdrücklich eine Anweisung erteilt werden muss, damit die Auswertung der in diesen Verfahren gesicherten Spuren künftig unterbleibt. Darüber hinaus wird die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft die Problematik im Rahmen des regelmäßigen Jour fixe mit den Leitenden Oberstaatsanwälten erörtern und so eine entsprechende Sensibilisierung der Praxis sicherstellen. Zu 4.: Die genannten Spuren wurden am 13. Januar 2016 wegen des Anfangsverdachts der Beleidigung zum Zweck der Ermittlung einer tatverdächtigen Person gesichert. Im Anschluss daran veranlasste die zuständige Kriminalpolizeiinspektion Erfurt die Untersuchung der gesicherten Spuren. Zu 5.: Es wurden insgesamt elf Spuren gesichert, die auf Fingerabrücke und DNA-Spuren zu untersuchen waren. Zudem wurde Vergleichsmaterial von dem Mitarbeiter der Werbefirma gesichert, der die Plakate entnommen hatte. Gerichtliche Beschlüsse waren für die Sicherung und Auswertung der Spuren nicht erforderlich. In Vertretung von Ammon Staatssekretär Ermittlungen gegen Künstlergruppe "Dies Irae" und DNA-Proben wegen Beleidigungsverfahren? - Teil I Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: