09.07.2019 Drucksache 6/7494Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 19. Juli 2019 Lehrkräfte als Agenten für Demokratie (LADi) Die Kleine Anfrage 3912 vom 29. Mai 2019 hat folgenden Wortlaut: Im Rahmen der universitären Lehrerausbildung beteiligt sich die Friedrich-Schiller-Universität Jena mit "ProfJL" an dem Projekt "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" des Bundes und der Länder. Ein Teilvorhaben von "ProfJL" ist das Projekt "LADi" ("Lehrkräfte als Agenten für Demokratie", an anderer Stelle auch "Lehrkräfte als Agenten der Demokratie"), bei dem es um eine "gesellschaftspolitisch zwingende Einbindung von Demokratiebildung in das Ausbildungscurriculum" für Lehrer geht. "LADi" wird auf einer entsprechenden Internetseite der Friedrich-Schiller-Universität Jena wie folgt vorgestellt: "LADi formuliert im Zuge einer normativen Selbstverständigung der Lehrerbildung in Jena ein auf Nachhaltigkeit angelegtes Implementationsprogramm für Demokratiebildung [...] und gesellschaftliche Integration [...]". Zu den Teilprojekten des "LADi"-Pojekts wird unter anderem ausgeführt: "LADi will mit dem ersten von fünf Unterprojekten [...] das KomRex [= Zentrum für Extremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration] und das ZLB [= Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung] perspektivisch strukturell so miteinander verzahnen, dass der thematische Austausch und die Synergien im Bereich Demokratiebildung auf Dauer gestellt werden können. [...] Unter der Perspektive der UN-Agenda 2030 wird eine Vernetzung der Lehrerbildung mit Themen und zivilgesellschaftlichen Initiativen im Bereich globaler und postkolonialer Bildung [...] initiiert [...]. Die Arbeit mit politikfernen und demokratiekritischen Jugendlichen an Regelschulen bindet eine intervenierende Perspektive in das Projekt ein [...], die in Kooperation mit den zwei Studienseminaren Thüringens und auf Grundlage quasi-experimenteller Designs qualitative wie quantitative Daten hervorbringen wird [...]". Ich frage die Landesregierung: 1. In welcher Form werden Thüringer Lehramtsstudenten beziehungsweise Lehrer heute oder künftig im Rahmen des "LADi"-Projekts aus- oder fortgebildet? 2. Wer soll als "Agent für Demokratie", in welcher Form, ab wann (beziehungsweise seit wann) und an welchen Schultypen beziehungsweise Thüringer Schulen eingesetzt werden? 3. Was wird im Zusammenhang mit dem Projekt unter "Politikferne" und "Demokratiekritik" verstanden, wenn es um "Arbeit mit politikfernen und demokratiekritischen Jugendlichen" geht? 4. Wie werden die "Politikferne" von Jugendlichen oder kritischen Meinungen von Jugendlichen zur Demokratie im Rahmen des Projekts identifiziert und erfasst? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7494 5. Finden im Rahmen des Projekts zum Zweck der Ermittlung der "Politikferne" beziehungsweise kritischen Meinungen von Jugendlichen zur Demokratie oder sonstigen Überzeugungen Befragungen von Schülern statt oder sollen solche Befragungen stattfinden? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgen solche Befragungen und wer führt die Befragungen durch beziehungsweise soll sie durchführen? 6. Findet die Gefährdung der Demokratie durch Linksextremismus und Islamismus in dem Projekt Berücksichtigung ? Wenn ja, in welcher Weise? 7. Auf welcher rechtlichen Grundlage ist die "UN-Agenda 2030" als Bestandteil der Thüringer Lehrerausbildung zu betrachten? 8. In welcher Form und gegebenenfalls in welcher Höhe beteiligt sich der Freistaat Thüringen an der Finanzierung des "LADi"-Projekts? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 5. Juli 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das Projekt LADi stellt ein Teilprojekt in dem Gesamtprojekt "Professionalisierung von Anfang an im Jenaer Modell der Lehrerbildung (ProfJL2) - Vernetzt. Verantwortlich. Forschungsbasiert." der Friedrich-Schiller -Universität Jena (FSU) im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" dar. Bei dem Teilprojekt LADi handelt es sich nicht um ein entwickeltes Ausbildungsprogramm, sondern um ein Struktur- und Entwicklungsprojekt. Das Projekt will im Rahmen der ersten Phase der Lehrerbildung die Kompetenzentwicklung von angehenden Lehrern im Bereich der Arbeit mit politikfernen und demokratiekritischen Jugendlichen unterstützen. Nach Auskunft der Hochschule wird das Teilprojekt aber kein gesondertes Ausbildungscurriculum darstellen. Im Rahmen des Teilprojektes soll vielmehr geprüft werden, inwiefern relevante Inhalte aus den an der Hochschule bestehenden Formen der Demokratiebildung in Veranstaltungsformate für die Lehrkräftebildung überführt werden können. Dafür kommt gegebenenfalls auch ein Online-Tool zum Selbststudium in Frage. Die konkreten Inhalte der Lehre werden aufgrund der Freiheit von Forschung und Lehre sodann von den jeweils fachlich verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen verantwortet. Zudem wird eine Arbeitsgruppe Fachwissenschaft gemeinsam mit den Projektpartnern über Themen und Wege der Integration neuester Forschung in die Lehrerbildung beraten, um demokratie- und menschenrechtsbezogene Professionalisierungsstandards zu implementieren. Zu 2.: Im Rahmen des Teilprojektes sollen keine gesonderten "Agenten für Demokratie" ausgebildet werden. Auf die Beantwortung zu Frage 1 wird verwiesen. Zu 3.: Nach Auskunft der Friedrich-Schiller-Universität Jena wird unter "Politikferne" insbesondere das in der Politikdidaktik gut dokumentierte Phänomen verstanden, dass Jugendliche mitunter Schwierigkeiten damit haben, ihre alltags- und lebensweltlichen Kontexte mit den politischen Prozessen auf der Makroebene zu verknüpfen. Für die Wahrnehmung einer aktiven Bürgerrolle in der Demokratie ist dies jedoch notwendig. Angesprochen werden teilweise auch Einstellungen, die in der politischen Kulturforschung unter dem Begriff der "Politikverdrossenheit" diskutiert werden. Hiermit sind im Projekt insbesondere Apathie, Enttäuschung oder Ablehnung gegenüber etablierten politischen Strukturen angesprochen. "Demokratiekritik" bezieht sich auf die Infragestellung zentraler demokratischer Prinzipien, wie sie etwa in Artikel 20 Grundgesetz mit dem änderungsfesten Kern des Demokratieprinzips gegeben sind (zum Beispiel Diktaturverbot, Wahlen, gleichberechtigte Wahlteilnahme, freie Meinungsbildung, Mehrparteiensystem, Mehrheitsprinzip, Offenheit des politischen Prozesses, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung). Daneben geht es auch um eine Infragestellung von Grund- und Menschenrechten, wie sie im Grundgesetz oder der UN-Menschenrechtskonvention festgehalten sind. Mit "Demokratiekritik" werden im Projekt keine Einstellungen angesprochen, die auf eine Kritik von problematischen Entwicklungen der Demokratie abzielen, wie sie von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen vorgetragen werden. Von Interesse ist im Projekt, welche Denkweisen und politischgesellschaftlichen Konzepte Politikferne und Demokratiekritik zugrunde liegen. 3 Drucksache 6/7494Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4. und 5.: Nach Auskunft der Friedrich-Schiller-Universität Jena startet das angesprochene Teilprojekt erst im Jahr 2020. Die Entwicklung konkreter, für das Projekt geeigneter, Instrumente zur Erfassung von Politikferne und Demokratiekritik findet erst während der Umsetzung des Teilprojekts statt. Daher sind Angaben zu Ergebnissen noch nicht möglich. Soweit Befragungen von Schülern und Schülerinnen geplant würden, ist § 57 Abs. 5 Thüringer Schulgesetz einschlägig. Danach bedürfen wissenschaftliche Forschungsvorhaben in Schulen der Genehmigung. Zu 6.: Ja; nach Auskunft der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist der Extremismus-Begriff gekennzeichnet durch die Infragestellung demokratischer und Verfassungsprinzipien, wie sie in der Beantwortung der Frage 3 aufgeführt wurden, sowie durch aktive Bestrebungen gegen diese Prinzipien. Insofern werden auch Islamismus und Linksextremismus berücksichtigt, wenngleich im Projekt nicht aktive Bestrebungen, sondern Einstellungen , Denkweisen und Politikkonzepte untersucht werden. Zu 7.: Die inhaltliche Ausgestaltung wesentlicher Bestandteile der Thüringer Lehrerbildung an den Universitäten unterliegt im Rahmen der Verfassungskonformität der jeweiligen Sachverhalte der Freiheit von Forschung und Lehre. Nach Auskunft der Friedrich-Schiller-Universität bietet die "Agenda 2030" als Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, verabschiedet am 25. September 2015, inhaltlich eine allgemeine Orientierung für soziales Handeln, die in einer demokratischen Gesellschaft als Rahmen für Aushandlungsprozesse unter anderem in Fragen der Nachhaltigkeit und des sozialen Zusammenlebens dienen kann. Das internationale Völkerrecht und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bilden unter anderem die Grundlage für die Aussagen der Agenda 2030. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena versteht sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Teil der Völkergemeinschaft und dokumentiert über die Berücksichtigung der Agenda 2030 in der Thüringer Lehrerbildung diese Zugehörigkeit. Dies ist sachgerecht. Zu 8.: Die Hochschule erhält Fördermittel für ihr Gesamtprojekt "Professionalisierung von Anfang an im Jenaer Modell der Lehrerbildung (ProfJL2) - Vernetzt. Verantwortlich. Forschungsbasiert." im Rahmen des Bund- Länder-Programms "Qualitätsoffensive Lehrerbildung". Eine Förderung durch Landesmittel erfolgt nicht. Tiefensee Minister Lehrkräfte als Agenten für Demokratie (LADi) Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4. und 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: