22.07.2019 Drucksache 6/7514Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 31. Juli 2019 Transsexuelle Minderjährige in Thüringen Die Kleine Anfrage 3927 vom 6. Juni 2019 hat folgenden Wortlaut: Mit der Aufhebung der Altersgrenze für den Geschlechtswechsel und für die Namensänderung wurde es auch transsexuellen minderjährigen Menschen ermöglicht, einen Antrag auf Änderung des Personenstands und des Namens unter Zustimmung der Erziehungsberechtigten zu stellen (vergleiche Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1982 - 1 BvR 938/81 -). Auch die Einleitung einer Hormontherapie ist bei zwei zustimmenden psychologischen Gutachten sowie der Zustimmung der Erziehungsberechtigten möglich (vergleiche Spiegel Online, Bericht vom 13. Januar 2012). Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Sexualberatungsstellen gibt es für transsexuelle minderjährige Menschen in Thüringen? 2. Welche Beratungsstellen gibt es für die Eltern transsexueller Kinder und Jugendlicher in Thüringen? 3. Inwiefern, mit Hilfe welcher Medien und in welchem Umfang werden Jugendämter und Schulverwaltungen in Thüringen über die Problematik informiert? 4. Welche Weiterbildungen zum Umgang mit transsexuellen minderjährigen Menschen werden Mitarbeitern von Jugendämtern und Schulverwaltungen sowie Lehrkräften an Schulen in Thüringen angeboten? 5. Wie viele Anträge auf Änderung des Namens und des Geschlechts wurden in Thüringen seit Aufhebung der Altersgrenze von minderjährigen transsexuellen Menschen respektive deren Erziehungsberechtigten gestellt (bitte nach Jahren und Alter der Betroffenen auflisten)? 6. In wie vielen Fällen haben minderjährige transsexuelle Menschen in Thüringen eine Hormonbehandlung begonnen, um ihr Geschlecht ihrer Geschlechtsidentität anzugleichen? 7. Gab es in Thüringen Fälle operativer Geschlechtsumwandlung vor Vollendung des 21. Lebensjahres der Betroffenen? Wenn ja, in wie vielen Fällen und zu welchem Geschlecht? 8. Gibt es in Thüringen wissenschaftliche Langzeitbeobachtungen/-begleitungen transsexueller minderjähriger Menschen und deren weiterer sozialer Entwicklung/Eingliederung mit der neuen Geschlechtsidentität (bitte Studien benennen)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Herold (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7514 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 18. Juli 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In Thüringen gibt es keine Beratungsstelle explizit für transsexuelle minderjährige Menschen sowie deren Eltern. Der Verein "Vielfalt leben - QueerWeg Verein für Thüringen e. V." unterstützt zwar Hilfesuchende und dient zur Aufklärung und Sensibilisierung der Allgemeinheit zum Thema der Vielfalt sexueller Identitäten und Orientierungen und damit verbundener Probleme, dieser kann aber keine intensive Beratung für transsexuelle minderjährige Menschen und deren Eltern anbieten. Sofern sich aus der Transsexualität seelische Erkrankungen oder Störungen für den genannten Personenkreis ergeben, können die Beratungsangebote der Sozialpsychiatrischen Dienste in den Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte in Anspruch genommen werden. Zu 2.: Nach Kenntnis der Landesregierung stehen auch Eltern transsexueller Kinder und Jugendlicher die Erziehungs -, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen zur Verfügung. Spezifische Sprechstunden werden nach Kenntnis der Landesregierung hierzu nicht angeboten. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 3. und 4.: Die Fragen 3 und 4 werden zusammenfassend beantwortet. Das Land als überörtlicher Träger der Jugendhilfe bietet im Rahmen seines Fortbildungsauftrags gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 8 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) bei Bedarf entsprechende Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter öffentlicher und freier Jugendhilfeträger an, in denen auch über die in der Kleinen Anfrage angesprochenen Rechtsänderungen informiert werden kann. Im Jahr 2019 bot/bietet das Fortbildungsprogramm des Landesjugendamtes vier Fortbildungen an, in denen das Thema angesprochen wird: • im März 2019 "Sexuell übergriffiges Verhalten unter Jugendlichen" (in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Thüringen e. V.) • im März 2019 "Das ist doch voll schwul!" Umgang mit Homophobie, Queerfeindlichkeit und Gender-Vielfalt in der Sozialen Arbeit • im April 2019 "Ene, meine, muh und wer bist du? - sexuelle Vielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe" • im November 2019 "Gendersensible Seminararbeit in der pädagogischen Begleitung im Rahmen von Freiwilligendiensten" Im Einzelfall können Jugendämter Kenntnis über Transsexualität junger Menschen erhalten, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und die Jugendämter ihren Schutzauftrag gemäß § 8a SGB VIII wahrnehmen. Die Transsexualität selbst ist kein Grund für die Annahme einer Kindeswohlgefährdung. Allerdings können darauf beruhende Folgen (zum Beispiel Gewalt gegen Betroffene im häuslichen Umfeld) eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien stellte seit dem Jahr 2016 die nachfolgenden Angebote zur Verfügung: 11.04.2019 "Der Große kleine Unterschied" (Institut für geistes- und zeitgeschichtliche Fragen Weimar - Institut GLEICH) Ziel des Seminars ist es, mit reflektiertem Wissen zu mehr Sicherheit im Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt beizutragen und diese zu vermitteln. 26.02.2019, 03.03.2019, 07.03.2019 "Gendersensible Berufliche Orientierung" Ziel des Seminars ist es, stereotypisierende Annahmen über Geschlecht und Beruf sowie subtile Mechanismen der Geschlechterdifferenzierung zu reflektieren. Junge Menschen sollen ermutigt werden, berufliche Wege einzuschlagen, die ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechen. 3 Drucksache 6/7514Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 15.08.2018, 22.11.2017 "Schule gegen sexuelle Gewalt" (Deutsches Youth for Understanding Komitee, Experiment e. V.) "Schule gegen sexuelle Gewalt" ist eine bundesweite Initiative des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Hauptziel der Initiative ist es, Schulen fachliche Unterstützung an die Hand zu geben, um zu verhindern, dass sie selbst zum Tatort werden. Gleichzeitig sollen Schulen als Schutzraum für Mädchen und Jungen gestärkt werden, die sexuelle Übergriffe in der eigenen Familie, durch Gleichaltrige oder im Netz erlitten haben. 14.02.2018; 16.11.2017: "Diskriminierung erkennen - Wertschätzung in der Schule" (Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar - EJBW) Ziel des Seminars ist es aufzuzeigen, dass unter Bezugnahme von Klischees zwar das "andere" einfacher gefasst werden kann, dies aber auch die Gefahr des Ausschlusses "anderer" in sich birgt. 16.03.2017: "Vielfalt ist das ganze Leben - Querschnitt der Theorie und Praxis von Diversity bis Anti-Bias" (Netzwerk Demokratie und Courage e. V.) Das Seminar verdeutlich die Bedeutung vorurteilsbewusster Bildung, Stärkung der Zivilcourage und Förderung der Bereitschaft zum demokratischen Diskurs als Aspekte einer demokratischen Bildung und Aufgabe jeder Schule. Die Schulen sollen bei der Herausforderung, sich als Organisation interkulturell und demokratisch weiterzuentwickeln, unterstützt werden. 15.3.2016: "Transidente Schülerinnen und Schüler an unseren Bildungseinrichtungen - Sind wir bereit für sie?" Die nachfolgenden Angebote standen über das "Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit - denkbunt" zum Abruf bereit: "Come in! - Sexuelle Vielfalt als Teil des Schulalltages" (EJBW) Das Seminar soll als Unterstützungsangebot für Lehrer dienen, Kinder und Jugendliche vor Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Identität zu schützen. "Ein Glücksgefühl, so angesprochen zu werden, wie ich bin. - Vielfalt von Geschlecht und sexueller Orientierung in der Schule" (Land/Staudenmeyer Bildungsarbeit (GbR)) Tagesseminar zur Vermittlung von Hintergrundwissen zum Themenkomplex LSBTIQ und über die Vielfalt von Geschlecht und sexueller Orientierung im Aufwachsen von jungen Menschen. "Das ist doch voll schwul! Vorurteilsbewusster Umgang mit Anderssein und Gendervielfalt in der Schule" (Verein für Vielfalt in Sport und Gesellschaft e. V.) Das Hintergrundseminar zeigt potentielle negative Auswirkungen von Diskriminierung auf Klassenklima und Schulkultur. Zu 5.: Die Zuständigkeit des Thüringer Landesverwaltungsamtes als Vertreter des öffentlichen Interesses in den Verfahren nach dem Transsexuellengesetz wurde zum 1. November 2017 beendet (Artikel 2a des 2. Personenstandsrechts -Änderungsgesetzes vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2522). Für den Zeitraum nach dem Wegfall des Vertreters des öffentlichen Interesses liegen der Landesregierung keine aktuellen Fallzahlen vor, bei Bedarf müssten diese bei den jeweiligen Amtsgerichten abgefragt werden . Von einer Beteiligung der Standesämter im Rahmen der Kleinen Anfrage wurde abgesehen, da das 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7514 Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 22. Dezember 2018, welches intersexuellen Menschen die Möglichkeit zur Änderung ihres rechtlichen Geschlechts eröffnet, für transsexuelle Menschen keine Erklärungsmöglichkeit vorsieht und den Standesämtern demzufolge keine Fallzahlen vorliegen können. Nach Durchsicht der Verfahrensakten im Thüringer Landesverwaltungsamt lässt sich feststellen, dass es in sechs Verfahren mit minderjährigen transsexuellen Menschen beteiligt war. Im Einzelnen gliedern sich diese wie folgt auf: Jahr Anzahl Alter des Antragstellers Vertretung 2012 2 12; 13 in beiden Fällen 2014 1 14 ja 2017 3 16; 2 x 17 - Zu 6.: Zur Anzahl der minderjährigen transsexuellen Menschen in Thüringen, die eine Hormonbehandlung begonnen haben, um ihr Geschlecht ihrer Geschlechtsidentität anzugleichen, liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Zu 7.: Informationen darüber, in wie vielen Fällen eine operative Geschlechtsumwandlung vor Vollendung des 21. Lebensjahres der Betroffenen vorgenommen wurde, liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 8.: Der Landesregierung sind keine entsprechenden Studien für Thüringen bekannt. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin Transsexuelle Minderjährige in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3. und 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: