30.07.2019 Drucksache 6/7531Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 13. August 2019 Mikroverunreinigungen in Abwässern und Kläranlagen - Teil I Die Kleine Anfrage 3929 vom 7. Juni 2019 hat folgenden Wortlaut: Zu den Quellen sogenannter anthropogener Spurenstoffe beziehungsweise Mikroverunreinigungen gehören zum Beispiel Hormone, Lebensmittelzusatzstoffe, Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel oder Biozide, die durch Abwässer, Industrieanlagen oder auch landwirtschaftliche Flächen in die Umwelt gelangen. Die Reinigungsstufen einer Kläranlage sind bisher nicht dafür ausgelegt, solche Stoffe zu eliminieren, so dass Großteile davon in die Flüsse und Seen und nicht zuletzt in die Organismen von Lebewesen und somit in die Nahrungskette des Menschen gelangen. Eine neue Technik, eine weitere vierte Station zur Abwassersäuberung (Aktivkohle, Ozon), mit der sich Spurenelemente eindämmen ließen, ist seit Jahren vorhanden; sie wird jedoch kaum in Kläranlagen eingebaut. Das Umweltbundesamt empfiehlt den Einbau der vierten Reinigungsstufe in den kommunalen Kläranlagen der Größenklasse 5 und in kleinere Kläranlagen, die in sensitive Gewässer einleiten sowie eine öffentliche Anreizfinanzierung für eine gerechte Lastenverteilung. Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welchem Stand befindet sich die Analysetechnik in Thüringer Kläranlagen, wie wird sie in Thüringen eingesetzt, um umweltrelevante Spurenstoffe nachzuweisen und welche Stoffe werden dabei nicht oder nur unzureichend erfasst? 2. Sind die Parameter, auf die die Betreiber einer Kläranlage verpflichtet sind zu achten, nach Ansicht der Landesregierung ausreichend, um die Qualität der Abwässer richtig einschätzen zu können (bitte begründen)? 3. Welche Rückstände in Abwässern sind am problematischsten für die Thüringer Kläranlagen? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Problematik der Entstehung antibiotikaresistenter Bakterien in Kläranlagen durch Antibiotikarückstände in Abwässern und wie beurteilt sie die Problematik von Mikroplastik in Abwässern? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Vor- und Nachteile der vierten Reinigungsstufe und der damit vorhandenen Technik hinsichtlich der Eindämmung von Mikroverunreinigungen in Abwässern? 6. Welche Vor- und Nachteile sieht die Landesregierung in der Ausstattung Thüringer Kläranlagen mit der vierten Reinigungsstufe, insbesondere für die Betreiber der Kläranlagen, die Verbraucher und für die Umwelt? 7. Wie viele und welche Kläranlagen in Thüringen verfügen über die vierte Reinigungsstufe und warum wurde sie hier eingebaut? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7531 8. Ist in Thüringer Kläranlagen die Nachrüstung der vierten Reinigungsstufe angedacht? Wenn ja, bei welchen Thüringer Kläranlagen und aus welchem Grund? 9. Wird die vierte Reinigungsstufe beim Neubau von Kläranlagen grundsätzlich eingebaut? Wenn nein, warum nicht? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 29. Juli 2019 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen: Ursprünglich war das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ein Rahmengesetz des Bundes, das von den Wassergesetzen der Länder ausgefüllt wurde. Infolge der Föderalismusreform 2006 regelt der Bund das Wasserhaushaltsrecht abschließend. Die Länder dürfen - außer bei stoff- oder anlagenbezogenen Vorschriften - von den Regelungen des Bundes abweichen (Artikel 72 Abs. 3 des Grundgesetzes). Mit dem Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), überwiegend in Kraft getreten am 1. März 2010, machte der Bund davon Gebrauch. Die Regelungen zur Abwasserbeseitigung fallen unter die stoff- und anlagenbezogen Vorschriften. Somit gelten für die Abwasserbeseitigung in Thüringen abweichungsfest die Vorschriften in Artikel 3 Abschnitt 2 (§§ 54 bis 61) des Wasserhaushaltsgesetzes. Auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 57 Abs. 2 WHG hat der Bund durch die Abwasserverordnung die Anforderungen an die Abwasserentsorgung geregelt. Der Anhang 1 "Häusliches und kommunales Abwasser" schreibt einleitstellenbezogen die Anforderungen an die Behandlung von kommunalem Abwasser fest. Der Anhang 1 fordert gegenwärtig von den Abwasserbeseitigungspflichtigen eine dreistufige Abwasserbehandlung mit mechanischer Vorreinigung, biologischer Reinigungsstufe und abiotisch-chemischen Verfahren in der dritten Stufe (zum Beispiel Phosphatfällung). Die Ausstattung kommunaler Kläranlagen mit sogenannten vierten Reinigungsstufen zur Eliminierung von Spurenstoffen und Mikroverunreinigungen ist durch den Anhang 1 derzeit nicht vorgeschrieben. Dies vorangestellt, werden die nachfolgenden Fragen wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Einleitung von gereinigtem Abwasser erfolgt auf der Grundlage von wasserrechtlichen Erlaubnissen. Die hierin reglementierten Parameter werden sowohl staatlich durch das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz als auch durch den Einleiter selbst auf der Grundlage der Thüringer Eigenkontrollverordnung überwacht. Auf Kläranlagen ist die Analysetechnik vorhanden, um im Rahmen der Eigenkontrolle die in den Einleitgenehmigungen festgesetzten Überwachungswerte im Ablauf der Kläranlagen prüfen zu können. Die Analysetechnik ist auf diese Aufgabe ausgerichtet. Spurenstoffe gehören nicht zu diesen Überwachungswerten, so dass dafür keine Analysentechnik auf der Kläranlage vorgehalten wird. Zu 2.: Die zu überprüfenden Parameter richten sich, in Abhängigkeit von der Größenklasse der Kläranlage, nach Anhang 1 der Abwasserverordnung. Sie sind ausreichend, um die Qualität der eingeleiteten Abwässer und damit den ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlagen kontrollieren zu können. Zu 3.: Inhaltstoffe des Abwassers sind insbesondere dann problematisch, wenn sie die biologischen Prozesse zum Frachtabbau stören oder dazu führen, dass der Klärschlamm nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann (beispielsweise Schwermetalle). Die Abwasserbeseitigungspflichtigen können daher nach § 47 Abs. 5 Thüringer Wassergesetz von den Einleitern derartiger Inhaltsstoffe eine Vorbehandlung ihrer Abwässer verlangen. Zu 4.: Antibiotikaresistente Bakterien: Die Entstehung antibiotikaresistenter Bakterien findet an verschiedenen Stellen statt und ist nicht auf Kläranlagen beschränkt. Durch den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und in der Humanmedizin besteht 3 Drucksache 6/7531Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode das Risiko, dass sich Resistenzen in Bakterienstämmen häufiger ausbilden und auch pathogene (krankheisterregende ) Bakterien betreffen können. Bisher ist die Identifikation antibiotikaresistenter Bakterien in der Umwelt nicht in der Standard-Umweltüberwachung etabliert: Es gibt weder einheitliche Messverfahren noch Bewertungsmaßstäbe. Vom Land werden derzeit keine Untersuchungen zu antibiotikaresistenten Bakterien in Kläranlagen oder Oberflächengewässern durchgeführt. Mikroplastik : Mikro- und Nanoplastikpartikel sind überall in der Umwelt nachweisbar. Auch bei Mikroplastik gibt es bislang keine einheitliche Untersuchungs-, und Bewertungsmethodik. In Thüringen wird derzeit eine Studie zur Erfassung der Belastungssituation in der Saale durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie werden Ende des Jahres vorliegen. Zu 5.: Mikroverunreinigungen können sowohl Spurenstoffe als auch Mikropartikel, wie beispielsweise kleinste Plastikpartikel , sein. Die Technologien der vierten Reinigungsstufe zielen auf die Reduzierung der Spurenstoffe. Generell können die Technologien der vierten Reinigungsstufe in Ozonung, Aktivkohlezugabe oder entsprechende Kombinationen gegebenenfalls auch unter Einbeziehung weiterer Verfahrensstufen unterschieden werden. Positiv zu werten ist, dass bei beiden genannten Verfahren eine signifikante Reduzierung der Spurenstoffeinträge erreicht werden könnte. Nachteilig ist bei Ozonung im Vergleich zur Aktivkohlezugabe, dass Nebenprodukte entstehen können, die ebenfalls eliminiert werden müssten. Der Vorteil der Ozonung liegt in der besseren Keimreduzierung. Ein Nachteil der vierten Reinigungsstufe wäre generell die Erhöhung der Kosten der Abwasserbehandlung. Da die heute großtechnisch erprobten Technologien für vierte Reinigungsstufen in aller Regel nicht geeignet sind, alle Spurenstoffe aus dem Abwasser zu entfernen, beteiligt sich der Freistaat Thüringen am aktuellen Spurenstoffdialog auf Bundesebene, der maßgeblich auch Minderungsstrategien an den Quellen zum Ziel hat. Zu 6.: Ein Vorteil einer Ausstattung von Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe wäre die Verbesserung der Kläranlagenabläufe und damit einer Reduzierung des Eintrags von Stoffen in die Gewässer. Nachteilig wäre, dass je nach gewählter Technologie nur bestimmte Spurenstoffe wirksam reduziert werden können und damit immer Kompromisse gemacht werden müssten. Für die Betreiber der Kläranlagen ist nachteilig, dass sich der Aufwand für den Betrieb der Kläranlagen deutlich erhöhen würde. Für den Verbraucher würde eine Nachrüstung von Kläranlagen regelmäßig eine Erhöhung der Kosten beziehungsweise der Gebühren bedeuten. Zu 7.: Aufgrund der aktuellen rechtlichen Anforderungen, die eine dreistufige Abwasserbehandlung vorschreibt, gibt es in Thüringen bisher auf keiner Kläranlage eine vierte Reinigungsstufe. Zu 8.: Derzeit wird für keine Thüringer Kläranlage die Nachrüstung einer vierten Reinigungsstufe geplant. Auf die Vorbemerkungen und die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Zu 9.: Die vierte Reinigungsstufe wird beim Neubau von Kläranlagen nicht grundsätzlich eingebaut. Auf die Vorbemerkungen und die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. In Vertretung Möller Staatssekretär Mikroverunreinigungen in Abwässern und Kläranlagen - Teil I Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkungen: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: