16.08.2019 Drucksache 6/7568Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 27. August 2019 Maßnahmen der Landesregierung gegen zunehmende Antibiotikaresistenzen Die Kleine Anfrage 3967 vom 3. Juli 2019 hat folgenden Wortlaut: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt die Antibiotikaresistenz weltweit alarmierende Ausmaße an. Der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus warnt, dass Antibiotikaresistenz "100 Jahre medizinischen Fortschritts zunichte zu machen" drohe. Eine Lösung dafür zu finden sei eine der dringendsten Herausforderungen im Gesundheitsbereich. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Hauptursachen sieht die Landesregierung für die zunehmende Antibiotikaresistenz? 2. Wie hat sich nach Kenntnis der Landesregierung die Zahl der Infektionen mit resistenten Keimen in Thüringer Krankenhäusern in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 3. Wie hat sich nach Kenntnis der Landesregierung die Zahl der Todesfälle in Thüringen, die auf eine Infektion mit resistenten Keimen zurückzuführen sind, in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 4. Welche Anstrengungen hat die Landesregierung unternommen, um die Ausbreitung von resistenten Keimen in Thüringer Krankenhäusern zu minimieren? 5. Über wie viele Isolierzimmer verfügen die Thüringer Krankenhäuser? 6. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Verschreibung von Antibiotika (zum Beispiel bei Virusinfektionen) oder Breitbandantibiotika einzudämmen und hält sie in diesem Zusammenhang eine Aufklärungskampagne für sinnvoll? 7. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung zur Verunreinigung von Thüringer Flüssen, Bächen und Badegewässern mit antibiotikaresistenten Keimen? 8. Wie hat sich nach Kenntnis der Landesregierung der Gebrauch von Antibiotika in der Thüringer Landwirtschaft in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 9. Welche Anstrengungen hat die Landesregierung unternommen, um den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zu reduzieren beziehungsweise die Austräge von antibiotikaresistenten Keimen aus der Tierhaltung zu minimieren? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7568 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 15. August 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Antibiotika sind verschreibungspflichtig und somit erst nach ärztlicher Diagnose und Indikationsstellung zu verordnen. Für den sachgerechten Einsatz durch den Arzt stehen die gesetzlich verpflichtend beizufügenden Packungsbeilagen nach § 11 Arzneimittelgesetz (AMG) und darüber hinaus die Fachinformation nach § 11a AMG zur Verfügung. Die zunehmende Antibiotikaresistenz von Bakterien ist ein weltweites Problem bei Mensch und Tier. Die Entstehung von Resistenzen wird hauptsächlich durch den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika beim Menschen (zum Beispiel unnötiger Einsatz bei viralen Infektionen, Einnahme in falscher Dosierung oder über einen falschen Einnahmezeitraum) und in der Tierhaltung gefördert. Zudem trägt eine inkonsequente Anwendung notwendiger Hygienemaßnahmen im Zuge medizinischer oder pflegerischer Maßnahmen in Gesundheitseinrichtungen zu einer Verbreitung resistenter Erreger bei, die in der Folge dazu führen können, dass bakterielle Infektionskrankheiten ausbrechen. Aktuell findet die Produktion von Antibiotika und deren Wirkstoffen zu einem großen Teil in Schwellenländern statt, wobei hygienische oder technische Probleme vor Ort die Versorgungssicherheit gefährden können. Insbesondere vor diesem Hintergrund fordert der 122. Ärztetag 2019 angesichts der Bedeutung von Antibiotika im Rahmen der Behandlung von bakteriellen Infektionserkrankungen das Bundesministerium für Gesundheit wie folgt auf, die deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020) konsequent weiterzuentwickeln: - Sicherstellung der Versorgung mit Antibiotika durch Rückverlegung der Wirkstoffproduktion nach Europa gesetzgeberisch unterstützen, - hochwertige Produktion in Europa unter Einhaltung aller notwendigen Qualitäts- und Umweltkriterien, was letztlich zu einer Verbesserung der Versorgung führen kann sowie - Darlegung der Qualitäts- und Umweltkriterien aller Produzenten und Zulieferer, damit diese überprüft werden können. Zu 2.: Konkrete Zahlen zur Anzahl der Infektionen mit resistenten Keimen in Thüringer Krankenhäusern liegen nur für die in Thüringen meldepflichtigen multiresistenten Erreger (MRE) gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) beziehungsweise IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung (IfSGMeldAnpV) vor. Dazu gehören Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Isolate aus Blut oder Liquor sowie Carbapenem-nichtempfindliche Enterobacteriales und Acinetobacter spp. (CNE) bei Infektionen (Erkrankungen). Für letztere erstreckt sich die Meldepflicht aufgrund der hohen Übertragungsrate dieser Keime auch auf Kolonisationen (symptomlose Besiedlungen). CNE sind jedoch erst seit 1. Mai 2016 übermittlungspflichtig, sodass entsprechende Zahlen erst seit dem genannten Datum vorliegen. Auch Clostridioides difficile (C. difficile) wird aufgrund intrinsischer und erworbener Resistenzmechanismen zu den multiresistenten Erregern gezählt. Clostridioides difficile-Infektionen (CDI) mit klinisch schwerem Verlauf sind ebenfalls meldepflichtig. Im Rahmen der Meldepflicht werden alle der Referenzdefinition des Robert Koch-Instituts entsprechenden Erregernachweise übermittelt, unabhängig davon, ob der Nachweis im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts oder im ambulanten Sektor erfolgte. Untereinander sind die Daten nicht vergleichbar, weil unterschiedliche Tatbestände erfasst werden: bei MRSA der Nachweis in Blut oder Liquor, bei CNE alle Nachweise (Infektionen und Kolonisationen) und bei CDI nur schwere Infektionen. Fallzahlen und Inzidenzen der meldepflichtigen multiresistenten Erreger von 2014 bis 2018 sind den folgenden Tabellen 1 bis 3 zu entnehmen. Die MRSA-Fallzahlen sanken von 115 auf 82 Fälle beziehungsweise die Inzidenzen von 5,3 auf 3,8 Fälle pro 100.000 Einwohner. Bei der Analyse der Daten wird somit ersichtlich, dass bei MRSA seit dem Jahr 2014 ein abnehmender Trend beobachtet wird. Bei den CNE wurde im Jahr des Beginns der Meldepflicht (2016) die höchste Inzidenz erreicht. Anschließend sank diese um mehr als 65 Prozent von 4,2 auf 1,4 Fälle pro 100.000 Einwohner im Jahr 2017. Im Jahr 2018 ist die Inzidenz in Thüringen im Vergleich zum Vorjahr wieder um sieben Prozent gestiegen. Bei der Interpretation dieser Werte ist jedoch zu beachten, dass bei CNE nicht nur Erkrankungen, sondern auch symptomlose Besiedlungen meldepflichtig sind. Die Zahl der Nachweise ist deshalb stark abhängig von 3 Drucksache 6/7568Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode der Anzahl der durchgeführten Screening-Untersuchungen. Werden nur die Infektionen (= Erkrankungen) durch CNE betrachtet, so wurde ebenfalls im Jahr 2016 die höchste Inzidenz mit 4,2 Fällen pro 100.000 Einwohnern erreicht. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sank diese um mehr als 65 Prozent auf 1,4 Fälle pro 100.000 Einwohner. Generell ist der Zeitraum der Erfassung von CNE jedoch noch sehr gering, sodass über mögliche Trends keine verlässlichen Aussagen getroffen werden können. Bei den schweren Infektionen durch C. difficile konnte in den letzten fünf Jahren eine leichte Zunahme der Fallzahlen von 64 auf 83 Fälle und der Inzidenzen von 3,0 auf 3,9 Fälle pro 100.000 Einwohner beobachtet werden. Fallzahlen und Inzidenzen (Nachweise pro 100.000 Einwohner) meldepflichtiger multiresistenter Erreger in Thüringen von 2014 bis 2018 (Quelle: TLV, Datenstand 10.07.2019) Tabelle 1 Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Isolate aus Blut oder Liquor Jahr MRSA Anzahl der Fälle Inzidenz* 2014 115 5,32 2015 98 4,54 2016 81 3,73 2017 82 3,80 2018 82 3,81 * pro 100.000 Einwohner Tabelle 2 Carbapenem-nichtempfindliche Enterobacterales und Acinetobacter spp. (CNE) aus Infektionen und Kolonisationen Jahr CNE** Anzahl der Fälle gesamt Inzidenz* Anzahl der Kolonisationen Inzidenz* Anzahl der Infektionen Inzidenz* 2016 265 12,21 173 7,97 92 4,24 2017*** 122 5,65 84 3,89 36 1,67 2018*** 130 6,04 98 4,55 31 1,44 * pro 100.000 Einwohner ** ab 05/2016 (Beginn der Meldepflicht) *** ein (2018) beziehungsweise zwei (2017) Fälle ohne Angabe zu Infektion oder Kolonisation Tabelle 3 Difficile-Infektionen (CDI) mit klinisch schwerem Verlauf Jahr CDI Anzahl der Fälle Inzidenz* 2014 64 2,97 2015 59 2,72 2016 75 3,48 2017 101 4,70 2018 83 3,86 * pro 100.000 Einwohner 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7568 Zu 3.: Über die Anzahl der Todesfälle liegen Zahlen nur für die meldepflichtigen multiresistenten Erreger vor. Für die Vergleichbarkeit der Daten über geographische Regionen wird die sogenannte Letalität berechnet. Damit wird der Anteil der Erkrankten bezeichnet, der an der Krankheit verstirbt. Untereinander sind die Daten nicht vergleichbar, weil die Gesamtmenge der Erkrankten, also die Bezugsgröße, unterschiedlich ist (siehe Antwort zu Frage 2). Im Verlauf der letzten fünf Jahre sank die Letalität bei den schweren Infektionen durch C. difficile um fast die Hälfte (44 Prozent) von 41 Prozent im Jahr 2014 auf 23 Prozent im Jahr 2018 (Tabelle 4). Dennoch ist sie nach wie vor sehr hoch. Betrachtet man jedoch die Gesamtzahl der CDI-Todesfälle, so ist kein deutlicher abnehmender Trend erkennbar. Die Letalität invasiver MRSA-Infektionen ist im Verlauf der vergangenen fünf Jahre nur leicht von etwa neun Prozent (2014) auf sieben Prozent (2018) gesunken, während die Gesamtzahl der MRSA-Todesfälle von zehn (2014) auf sechs (2018) sank. Bei den CNE konnte ein geringer Anstieg der Letalität von etwa zwei Prozent im Jahr 2016 auf drei Prozent im Jahr 2018 festgestellt werden. Bei der Interpretation der Letalität ist zu beachten, dass zur Berechnung die Zahl der Erkrankten (= Infektionen) eingesetzt wird. Patienten mit symptomlosen Besiedlungen (= Kolonisationen), die bei CNE ebenfalls meldepflichtig sind (siehe Antwort zu Frage 2), werden hier nicht berücksichtigt. Tabelle 4 Anzahl der Infektionen und Todesfälle durch multiresistente Erreger: Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Isolate aus Blut oder Liquor, Carbapenem-nichtempfindliche Enterobacterales und Acinetobacter spp. (CNE) und C. difficile-Infektionen (CDI) mit klinisch schwerem Verlauf sowie die Letalität in Thüringen von 2014 bis 2018 (Quelle: TLV, Datenstand 10.07.2019) Jahr MRSA CNE* CDI Infektionen Todesfälle Letalität* in Prozent Infektionen Todesfälle Letalität* in Prozent Infektionen Todesfälle Letalität* in Prozent 2014 115 10 8,7 - - - 64 26 40,6 2015 98 9 9,2 - - - 59 22 37,3 2016 81 5 6,2 92 2 2,2 75 21 28,0 2017 82 6 7,3 36 1 2,8 101 28 27,7 2018 82 6 7,3 31 1 3,2 83 19 22,9 * ab 05/2016 (Beginn der Meldepflicht) Zu 4.: Maßnahmen zur Eindämmung zunehmender Antibiotikaresistenzen müssen in Zeiten der Globalisierung bundesland- beziehungsweise länderübergreifend erfolgen, damit resistente Erreger nicht immer wieder neu eingeschleppt werden. Thüringen ist dabei in verschiedene nationale Projekte wie ARS (Antibiotika- Resistenz-Surveillance in Deutschland), DART (Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie) und KISS (Krankenhaus -Infektions-Surveillance-Systems) eingebunden (siehe auch Antwort zu Frage 6). Zur Umsetzung nationaler Vorgaben regelt § 13 der Thüringer Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und zur Übertragung einer Ermächtigung nach dem Infektionsschutzgesetz (Thüringer medizinische Hygieneverordnung - ThürmedHygVO) vom 17. Juni 2012 die Erkennung , Verhütung und Bekämpfung von im Krankenhaus erworbenen Infektionen und von Erregern mit speziellen Resistenzen. Diese verpflichtet medizinischen Einrichtungen (Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen [in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt], Dialyseeinrichtungen und Tageskliniken) dazu, nachbehandelnde Einrichtungen und niedergelassene Ärzte über patientenspezifische Befunde und Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheitserregern mit Resistenzen erforderlich sind, zu informieren. Außerdem werden die genannten Einrichtungen dazu verpflichtet, eng mit den niedergelassenen Ärzten sowie den übrigen an der Patientenversorgung beteiligten ambulanten und stationären Diensten und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens zusammenzuarbeiten. Dies geschieht im Rahmen sogenannter MRE-Netzwerke, für deren Entwicklung und Koordination gemäß § 13 Abs. 2 ThürmedHygVO die Gesundheitsämter der Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte verantwortlich sind. Aufgabe dieser Netzwerke ist die Vernetzung der einzelnen Mitglieder (zum Beispiel Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime , ambulante Pflegedienste und niedergelassene Ärzte) untereinander, der Wissenstransfer sowie 5 Drucksache 6/7568Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode die Vereinbarung und Nutzung einheitlicher Screening-, Management- und Überleitungskriterien bezüglich Erreger mit speziellen Resistenzen. Auf diese Weise entstehen landesweit nachhaltige Kooperationen zwischen den einzelnen Akteuren, um die Verbreitung multiresistenter Erreger in Thüringen einzudämmen. Das Landesamt für Verbraucherschutz unterstützt die Aktivitäten der regionalen MRE-Netzwerke fachlich und koordinierend im Rahmen des MRE-Netzwerks Thüringen. Dieses erstellt Jahresberichte sowie Merkblätter und Empfehlungen für Krankenhäuser, andere medizinisch und/oder pflegerisch tätige Einrichtungen und ambulante Pflegedienste. Auch Informationsmaterial für Patienten und Angehörige wird den regionalen MRE-Netzwerken vom MRE-Netzwerk Thüringen zur Verfügung gestellt. Zu 5.: Über die Anzahl von Isolierzimmern in den Thüringer Krankenhäusern werden keine Erhebungen vorgehalten. Soweit in den Krankenhäusern Fälle von ansteckenden Krankheiten zu versorgen sind, haben die Krankenhäuser den Handlungsempfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) entsprechend zu verfahren. Hierzu gehört auch das zeitweilige Separieren von Erkrankten. Zu 6.: Nach Einschätzung der Landesregierung ist die entscheidende Stelle zur Vermeidung von unnötigen Antibiotikaverschreibungen in der Humanmedizin der Arzt. Hat dieser genügend und für die Patientinnen und Patienten verständliche Informationen, wird eine antibiotikafreie Therapie und die positive Mitwirkung der Patientin/des Patienten eher realisierbar sein. Patienten sollten sowohl im Krankenhaus als auch in der ambulanten Praxis umfassend über die Wirksamkeit von Antibiotika aufgeklärt werden, zum Beispiel darüber, dass Antibiotika bei viralen Erkrankungen nicht wirksam sind. So begleitet die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen seit geraumer Zeit die fachliche Diskussion zum Antibiotikaeinsatz im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Versorgungsatlas im Zentralinstitut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.1 Aufgrund des bundesweiten und krankenkassenübergreifenden Charakters ermöglichen diese publizierten Daten einen guten Blick auf die Entwicklung des Antibiotikaverbrauchs in der ambulanten humanmedizinischen Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland und seinen einzelnen Regionen. Ein erster Bericht der Arbeitsgruppe betrachtete die Jahre 2008 bis 2014. Das Gesamtvolumen blieb in diesem Zeitraum bundesweit stabil, das heißt es gab nach diesem Bericht in diesem Zeitraum auch keine Steigerung der Verordnungsmenge. Eine Aktualisierung dieses Berichts erfolgt derzeit mit Bezug auf die Jahre 2010 bis 2018. Die Publikation der Arbeit ist für den 21. August 2019 geplant. Neben den Weiterbildungen und Seminaren für Ärztinnen und Ärzte, im klassischen Sinne, werden Projekte wie das Modellprojekt "Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation" (RAI)2 als hilfreich erachtet. Dessen Weiterführung sollte gesichert sein und werden. Die Projektpartner haben zunächst Barrieren, die einen rationalen Umgang mit Antibiotika erschweren, untersucht und auf dieser Basis Hilfsmittel , Medien und Materialien für den Einsatz in der Praxis entwickelt. Neben allgemeinen Hinweisen für Patienten, zum Beispiel für die Gestaltung des Wartezimmers, wurden auch Patienteninformationen ("Infozepte ") zu konkreten Erkrankungssituationen entwickelt. Die Einbindung der Patientinnen und Patienten in die Therapieentscheidung zum Beispiel auf Basis der Infozepte wird aus hiesiger Sicht als essentiell für die Akzeptanz der antibiotikafreien Therapie gehalten. Auch seitens der Krankenkassen werden den Patientinnen und Patienten Informationen zum Antibiotikagebrauch beziehungsweise zu Antibiotikaresistenzen zur Verfügung gestellt. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellt auf ihrer Internetseite Informationen zum Gebrauch von Antibiotika bereit.3 Hier wird auch insbesondere dargestellt, dass Antibiotika ausschließlich gegen Bakterien und niemals gegen Viren wirken. Neben der Bereitstellung von Informationen ist es für Ärztinnen und Ärzte von großer Bedeutung, schnell zu wissen, ob eine Antibiotikatherapie angezeigt ist. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung haben Ärztinnen und Ärzte ab dem 1. Juli 2018 die Möglichkeit Bluttests als diagnostische Hilfestellung zu erbringen.4 Erfassungs- und Bewertungsmaßnahmen zum Antibiotikaverbrauch in Krankenhäusern, Einrichtungen für ambulantes Operieren und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, regelt § 23 Abs. 4 IfSG. Demnach müssen diese Einrichtungen Daten zu Art und Umfang des Antibiotikaverbrauchs fortlaufend aufzeichnen und unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation bewerten. Aus den Ergebnissen sind sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich des Einsatzes von Antibiotika zu ziehen. Erforderliche Anpassungen sind dem Personal mitzuteilen und umzusetzen. 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7568 Auch im § 12 Abs. 2 ThürmedHygVO wurde verankert, dass Leiter von Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulantes Operieren die genannten Regelungen umsetzen und hierzu fachlich anerkannte Verfahren, zum Beispiel das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System KISS, nutzen müssen. § 12 Abs. 3 ThürmedHygVO legt außerdem fest, dass Daten zu Antibiotikaresistenzen und zu Art und Umfang des Antibiotikaverbrauchs nach § 23 Abs. 4 IfSG erfasst und bewertet werden müssen. Aus den Ergebnissen sollen Verbesserungen im Verordnungsmanagement abgeleitet und gezielt umgesetzt werden. Zunehmende Resistenzen gegen Antibiotika stellen ein länderübergreifendes Problem dar, dass nur auf Bundesebene gelöst werden kann. Deutschlandweit wird daher mit verschiedenen Maßnahmen und Kampagnen auf die Gefahr durch den nicht indizierten Einsatz von Antibiotika hingewiesen. Beispielsweise hat das Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 2015 gemeinsam mit den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie Bildung und Forschung die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART 2020" erarbeitet. In dieser werden Maßnahmen zur Reduzierung von Antibiotikaresistenzen gebündelt, wobei Human - und Veterinärmedizin eng zusammenarbeiten. Sowohl für niedergelassene Ärzte als auch für Mediziner in stationären Gesundheitseinrichtungen werden deutschlandweit über verschiedene medizinische Fachgesellschaften (zum Beispiel Deutsche Gesellschaft für Infektiologie) und Ärztekammern (zum Beispiel Thüringer Landesärztekammer) Kurse zum Antibiotic Stewardship (rationale Antiinfektivastrategien) angeboten. Die Bundesärztekammer hat ein Curriculum für die strukturierte curriculare Fortbildung "Antibiotic Stewardship (ABS)" erstellt. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie hat im Jahr 2013 darüber hinaus eine S3-Leitlinie "Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika -Anwendung im Krankenhaus" erstellt (AWMF-Registernummer 092/001 - update 2018). Das Ziel von Antibiotic Stewardship ist es, durch die Ausbildung und den Einsatz von Ärzten als ABS-Experten eine Therapieoptimierung im Rahmen der Beeinflussung des Verordnungsverhaltens über lokale Behandlungsleitlinien , der Antiinfektivaliste und Freigaberegelungen sowie im Rahmen von ABS-Visiten und Fortbildungen zu erreichen. Zu 7.: Der Landesregierung liegen derzeit keine konkreten Ergebnisse zur Verunreinigung mit antibiotikaresistenten Keimen in Thüringer Fließ- und Badegewässern vor, da es hierzu weder rechtliche Grundlagen noch standardisierte Methoden zur Analyse und Bewertung in Gewässern gibt. Es laufen umfangreiche Forschungsvorhaben des Bundes unter anderem das Forschungsverbundvorhaben "Hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotikaresistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung für Rohwässer (HyReKA)". Die Ergebnisse des HyReKA-Projekts wurden am 4. April 2019 in Berlin vorgestellt. Diese fließen in neue Empfehlungen und Richtlinien ein, um die weitere Belastung durch Antibiotikaresistenzen in Abwässern deutlich zu senken. Die Thüringer Badegewässer werden in der Badesaison regelmäßig auf die Indikatorbakterien intestinale Enterokokken und Escherichia coli überwacht. In fast allen Gewässerproben wurden diese Keime entweder gar nicht oder nur in sehr geringer Anzahl nachgewiesen. Daher sind alle Thüringer Badegewässer durch die EU mit dem Qualitätsprädikat "Ausgezeichnet" eingestuft. Aufgrund des geringen Vorkommens von Indikatorbakterien kann davon ausgegangen werden, dass auch resistente Keime gar nicht oder nur in äußerst geringer Anzahl nachweisbar sind. Bund-Länder-Arbeitskreis Badegewässer und Badewasserkommission führen in ihren "Fragen und Antworten zu antibiotikaresistenten Bakterien in Badegewässern" aus: "Beim Schwimmen in Badegewässern mit ausgezeichneter oder guter Qualität ist ein Kontakt mit Bakterien mit erworbener Antibiotikaresistenz daher unwahrscheinlich." Zielgerichtete Untersuchungen auf resistente Keime in Badegewässern werden in Thüringen nicht durchgeführt und aus oben genannten Gründen für nicht notwendig erachtet. Zu 8.: Separate Zahlen für den Gebrauch von Antibiotika in der Thüringer Landwirtschaft liegen der Landesregierung nicht vor. Seit dem Jahr 2011 sind pharmazeutische Unternehmer und Großhändler verpflichtet, die Menge der an Tierärzte abgegebenen Antibiotika an das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Rahmen der sogenannten DIMDI-Verordnung zu melden. Bei den gemeldeten Abgabemengen handelt es sich um die Gesamtmenge in Tonnen aller abgegebenen antimikrobiellen Substanzen. Diese Gesamtmenge hat sich von 1.707 Tonnen im Jahr 2011 auf 733 Tonnen im Jahr 2017 um 57 Prozent reduziert. Für Thüringen ist von einem vergleichbaren Rückgang auszugehen. Die bundesweiten Zahlen für das Jahr 2018 werden für den September 2019 erwartet. 7 Drucksache 6/7568Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Allerdings ist für den genannten Zeitraum auch ein Anstieg der abgegebenen Menge aus der Gruppe der Fluorchinolone von 8,2 Tonnen auf 9,9 Tonnen auf Bundesebene festzustellen. Diese Wirkstoffklasse ist für die Therapie beim Menschen von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist die Änderung der tierärztlichen Hausapotheken-Verordnung und die damit einhergehende Einführung einer Antibiogrammpflicht bei für die Therapie beim Menschen wichtigen Wirkstoffklassen als folgerichtig zu bezeichnen. Zu 9.: Aus Sicht des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft trägt eine nachhaltige Verbesserung der Tiergesundheit, insbesondere durch die Optimierung des Hygienestandards, der Haltungsbedingungen sowie des Bestandsmanagements maßgeblich dazu bei, den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung zu reduzieren. Im Lichte der Evaluierungsergebnisse des Nationalen Antibiotikaminimierungskonzepts für Masttiere 2014 bis 2017 wird deutlich, dass die Gesamtverbrauchsmengen an Antibiotika vor allem bei Rind und Schwein deutlich gesunken sind. Dagegen bestehen bei Mastgeflügel weiterhin noch Defizite, vor allem auch mit Blick auf den vergleichsweise hohen Anteil des Reserveantibiotikaeinsatzes. Daher engagiert sich Thüringen besonders in der bundesweiten Arbeitsgruppe "Gesamtbetriebliches Haltungskonzept Geflügel", das sich unter anderem mit der Verringerung des Antibiotikaeinsatzes durch tiergerechtere Haltungssysteme befasst. Darüber hinaus sind ebenso aus der Förderpolitik der Landesregierung die verstärkten politischen Bemühungen zur Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs ableitbar. Die Umsetzung spezieller Förderprogramme im Freistaat, wie beispielsweise das Programm zur Förderung von Wissenstransfer und Informationsmaßnahmen , das Investitionsförderprogramm für landwirtschaftliche Unternehmen - hier speziell das Teilprogramm zur Förderung besonders nachhaltiger und tiergerechter Haltungsverfahren -, wie auch die Fördermaßnahme zur Verbesserung der Gesundheit und Robustheit landwirtschaftlicher Nutztiere, tragen in einem nicht unerheblichen Maße dazu bei, den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung zu verringern. Seitens der Landesregierung wurde neben der Änderung der entsprechenden Rechtsvorschriften als weiterer Baustein auch die intensive Information der Tierhalter und Tierärzte zum Thema Antibiotikaresistenz als notwendig erachtet. Im Rahmen der zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV, Bundesratsdrucksache 759/17) hat die Landesregierung die darin neu aufgenommenen Regelungen aktiv gestaltet. So wurde durch einen separaten Antrag Thüringens die Anforderungen an die Abgabe von Antibiotika im Rahmen einer ordnungsgemäßen Behandlung im § 12 der TÄHAV konkretisiert. Seit Februar 2018 muss vor der Abgabe an Tierhalter im Falle der Behandlung mit einem Arzneimittel mit antibakterieller Wirkung eine klinische Untersuchung vom Tierarzt durchgeführt werden. Durch diese Änderung ist eine sachgerechte Diagnosestellung vom Tierarzt vor der Abgabe von Antibiotika rechtlich vorgeschrieben. Durch die ebenfalls in § 12c der TÄHAV neu aufgenommene Antibiogrammpflicht im Rahmen der Behandlung von erkrankten Tieren soll zudem erreicht werden, dass der Einsatz von sogenannten Reserveantibiotika in der Tiermedizin stärker sinkt und ein sachgerechter Antibiotikaeinsatz erfolgt. Mit der Umsetzung der sechzehnten Novelle des Arzneimittelgesetzes im Jahr 2013 ist ein bundesweites Antibiotikaminimierungskonzept ab dem zweiten Halbjahr 2014 eingeführt worden. Anhand der von den Betrieben , die Mastkälber, Mastrinder, Mastferkel, Mastschweine, Masthühner und Mastputen halten, gemeldeten Antibiotikaverbrauchsmengen werden diese halbjährlich ausgewertet. Lag die daraus ermittelte betriebliche Therapiehäufigkeit oberhalb bundesweiter Kennzahlen, so müssen die Tierhalter oberhalb von Kennzahl 1 zusammen mit dem Tierarzt die Gründe für den Antibiotikaeinsatz und Möglichkeiten zu dessen Verringerung prüfen, oberhalb von Kennzahl 2 ist der zuständigen Behörde einen schriftlichen Maßnahmenplan dazu vorlegen. In Thüringen wurden für die Meldezeiträume vom zweiten Halbjahr 2014 bis zum ersten Halbjahr 2018 insgesamt 559 Maßnahmenpläne durch das Thüringer Landesamt als zuständige Behörde überprüft und, wo notwendig, entsprechende weitergehende Anordnungen getroffen. Neben den Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen ist es wichtig die Beteiligten dahin gehend zu informieren, wie eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes erfolgen und somit die Entstehung von resistenten Keimen verhindert werden kann. Die Notwendigkeit den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zu reduzieren beziehungsweise die Austräge von antibiotikaresistenten Keimen aus der Tierhaltung zu minimieren, wurde im Rahmen von Vorträgen im Jahr 2015 sowohl auf dem Thüringer Tierärztetag im September, als auch auf der gemeinsamen Veranstaltung für Landwirte und Tierärzte im November dargelegt. Weitere Informationsveranstaltungen erfolgten im Jahr 2017 vor Landwirten und Tierärzten in Bösleben und im Jahr 2018 vor Tierärzten und Amtstierärzten im Flughafenhotel Erfurt bei einer durch die Landestierärztekammer Thüringen organsier- 8 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7568 ten Veranstaltung durch Mitarbeiter der Fachabteilung des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie. Letztendlich ist jedoch der Tierarzt in enger Abstimmung mit dem Tierhalter für einen umsichtigen Einsatz von Antibiotika zur Behandlung erkrankter Tiere verantwortlich. Zudem kann der Tierhalter durch optimale Haltungsbedingungen und gutes Management erheblich zur Gesunderhaltung beitragen und dadurch den Antibiotikaeinsatz reduzieren. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin Endnote: 1 Vergleiche http://www.versorgungsatlas.de 2 Vergleiche http://www.rai-projekt.de/rai/rai/ 3 Vergleiche https://www.bzga.de/programme-und-aktivitaeten/schutzimpfungen-und-persoenlicher-infektionsschutz/ antibiotika/ 4 Vergleiche https://www.aok-gesundheitspartner.de/bund/arzneimittel/meldungen/index_20732.html Maßnahmen der Landesregierung gegen zunehmende Antibiotikaresistenzen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Endnote: