28.08.2019 Drucksache 6/7620Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 1. Oktober 2019 Diversitätsstudie "Vielfalt entscheidet Thüringen" - Teil II Die Kleine Anfrage 4005 vom 10. Juli 2019 hat folgenden Wortlaut: MDR Thüringen hat auf seiner Internetseite1 berichtet, dass entgegen der von Beamten in der Thüringer Staatskanzlei geäußerten Bedenken Mittel des Integrationskonzepts des Thüringer Ministeriums für Migration , Justiz und Verbraucherschutz für die sogenannte Diversitätsstudie verwendet wurden. Ich frage die Landesregierung: 1. In welcher Höhe bestehen Erfüllungs- und beziehungsweise oder Schadenersatzansprüche gegenüber dem Freistaat aus dem Vertrags- beziehungsweise Zuwendungsverhältnis? 2. In welcher Höhe sind mit einem Aufschub und eventuellen Stopp der Diversitätsstudie vergebliche Aufwendungen verbunden oder schon entstanden, insbesondere mit Blick auf das Ende der Amtszeit dieser Landesregierung? 3. Wie wurde wann ein Auswahl- beziehungsweise Vergabeverfahren durchgeführt beziehungsweise mit welcher Begründung wurde wann von wem von einem Vergabeverfahren abgesehen? 4. Wie erfolgte wann mit welchen beteiligten Personen die Vertrags- beziehungsweise Kontaktanbahnung? 5. Wie wurde die Expertise möglicher anderer Auftragnehmer bei der Vergabe der Diversitätsstudie berücksichtigt ? 6. Hinsichtlich welcher einzelnen Sachverhalte finden wie, in welchem Umfang und seit wann Prüfungen durch den Thüringer Rechnungshof sowie die Interne Revision in der Staatskanzlei im Zusammenhang mit der Diversitätsstudie statt? Die Thüringer Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 26. August 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: Ob gegenüber dem Freistaat Thüringen Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, ist mit Blick auf das laufende Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abzusehen. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7620 Wie durch die Landesregierung in den entsprechenden Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses und des Gleichstellungsausschusses betont wurde, besteht das Ziel der Landesregierung darin, den erreichten Stand des Forschungsprojekts für die Zukunft zu sichern, darunter entwickelte Softwareanwendungen oder ähnliche Zwischenergebnisse. Zu 3. bis 5.: Anlässlich des im Rahmen der Charta der Vielfalt2 durchgeführten 6. Diversity-Tages am 5. Juni 2018 wurde eine Kick-Off-Veranstaltung "Vielfalt (er)leben - Diversity-Prozesse in und durch Verwaltung anstoßen" durchgeführt. Teilnehmende waren unter anderem Mitarbeitende aus dem Bereich Personalwesen der Landesverwaltung sowie Beauftragte (Integration, Migration und Flüchtlinge; Gleichstellung von Mann und Frau; Menschen mit Behinderung). Hier wurde unter anderem die für den Berliner Senat erstellte Pilotstudie "Diversität in öffentlichen Einrichtungen. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten in der Praxis" durch Citizens for Europe gUG (CFE) vorgestellt und die Bedeutung einer Diversity-Strategie sowie diesbezügliche Anforderungen und Zielstellungen für die öffentliche Verwaltung diskutiert. Dabei wurde im Ergebnis festgestellt, dass die Erhebung und Bewertung von wissenschaftlich belastbaren und für die Praxis relevanten Gleichstellungsdaten als Grundlage der konzeptionellen Entwicklung und zur künftigen Messbarkeit von Ergebnissen bezogen auf Thüringen notwendig ist. Zum einen, weil die Datengrundlage aus dem Stadtstaat Berlin und allein bezogen auf Leitungspersonal nur beschränkt als auf Thüringen übertragbar angesehen wurde, zum anderen, weil es in Flächenländern ein entsprechendes Projekt noch nicht gibt. Nach der Kick-Off-Veranstaltung stellte CFE am 21. August 2018 einen Fördermittelantrag für das Projekt "Vielfalt entscheidet Thüringen". Als Zweck der beantragten Forschungsstudie wurde eine umfassende Erhebung zu Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten entlang aller Vielfalts- und Diskriminierungsdimensionen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie weiterer insbesondere sozialer Dimensionen unter den Beschäftigten der Thüringer Landesverwaltung angegeben. Der Antrag auf Förderung des Forschungsprojekts wurde mit der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge abgestimmt. Durch die Kooperation mit der Thüringer Fachstelle für interkulturelle Öffnung, insbesondere bei der Entwicklung der Fragebögen, wurde gewährleistet, dass der Aspekt der Integration qualifiziert berücksichtigt wird. An der Grundlagenerhebung für die Landesverwaltung und der Nutzung der Forschungsergebnisse besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Sie dient im Rahmen des Diversity-Managements der strategischen Weiterentwicklung einer leistungsfähigen und attraktiven Landesverwaltung in Thüringen. Für das durch Antrag eingeleitete Zuwendungsverfahren erfolgte keine Ausschreibung. Für das Verfahren wurde auch kein Aufruf oder "EU-Call" für eine Bewerbung um die Studie durchgeführt. Im Vorfeld und unter Zugrundelegung der "Berliner Studie" sowie unter Auswertung der bis dahin getroffenen Feststellungen in der Enquetekommission 6/1 des Thüringer Landtags (Stand: Juni 2018, vor Zwischenbericht) wurde der initiativ durch CFE gestellte Antrag bewertet. Wesentlich war dabei, dass das Projekt 1. die Anforderungen der Equality Data Initiative3 erfüllt: • die Selbstidentifikation der Befragten (anstatt einer Fremdzuschreibung durch Dritte); • die Freiwilligkeit der Teilnahme; • die Einwilligung nach erfolgter Aufklärung über Sinn und Zweck der Datenerhebung; • die Anonymität bei der Datenerhebung; • die Beteiligung von Vertreter_innen zu befragender Gruppen und Gemeinschaften während des Prozesses der Datenerhebung, -analyse und -verarbeitung; • die Möglichkeit, multiple und intersektionale Identitäten zu wählen. 2. sich um ein Pilotprojekt handelt, für das es deutschlandweit als Anknüpfungspunkt nur die "Berliner" Studie4 gab. 3. aufgrund der Sensibilität der Daten eine anonyme externe Befragung erfolgt, auf deren Auswertung der "Forschungsgegenstand", die Landesverwaltung, keinen Einfluss nehmen kann. Insoweit wurde mit dem Zuwendungsnehmer von vornherein ausgeschlossen, dass der Dienstherr Zugriff auf die verarbeiteten Daten hat. 4. sich im Zusammenhang mit der externen anonymen und freiwilligen Onlinebefragung, die in Berlin bereits erfolgte Begleitung des Landesdatenschutzbeauftragten belastbare Grundlagen für den Umgang mit vielfaltssensiblen Daten bot. 3 Drucksache 6/7620Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Ausgehend von dem Umstand, dass es eine Grundlagenerhebung für eine Diversity-Strategie in wissenschaftlich fundierter Form für eine Landesverwaltung bislang nur in Berlin gegeben hat, wurde zudem für die Entscheidung als bedeutsam angesehen, auf die in Berlin gemachten Erfahrungen und Ergebnisse aufbauen zu können und eine relative Vergleichbarkeit zwischen einem Stadtstaat und einem Flächenstaat mit anderer Bevölkerungszusammensetzung erstmals herzustellen. Dies bedingte eine methodische, IT- und datenschutztechnische Engführung, die es bei Ausübung des dem Zuwendungsgeber zustehenden Ermessens rechtfertigte, das bislang einzige Projekt zur Erhebung von Diversity-Daten in einer Landesverwaltung als Auswahl- und Entscheidungsmaßstab zu wählen. Zu 6.: Der Thüringer Rechnungshof prüft Ausgaben für Maßnahmen zur Integrationsförderung im Rahmen des Integrationskonzepts, Kapitel 05 02 Titel 684 02. Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat der Thüringer Staatskanzlei aus diesem Titel Mittel zur Bewirtschaftung übertragen. Aus diesen wurde unter anderem das Projekt "Vielfalt entscheidet Thüringen" gefördert. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Die Innenrevision der Thüringer Staatskanzlei wurde durch den Chef der Staatskanzlei gebeten, das Projekt "Vielfalt entscheidet Thüringen" insbesondere unter förder- wie haushaltsrechtlichen Aspekten zu überprüfen und dabei Empfehlungen abzugeben, wie in einer vergleichbaren Situation künftig zwischen dem Instrument der Zuwendungsförderung oder dem Instrument der Ausschreibung abgewogen werden soll. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Prof. Dr. Hoff Minister Endnote: 1 Vergleiche https://www.mdr.de/thueringen/umstrittene-studie-landesbedienstete-100.html, zuletzt abgerufen am 10. Juli 2019. 2 Zum Begehen der Diversity-Tage wird durch den Verein Charta der Vielfalt e. V. aufgerufen. Herr Ministerpräsident Ramelow unterzeichnete die Charta der Vielfalt für die Thüringer Staatskanzlei am 17. November 2016. 3 Die Equality Data Initiative ist ein Kooperationsprojekt der Open Society Foundations, der Migration Policy Group und des European Network Against Racism. 4 Studie "Diversität in öffentlichen Einrichtungen. Antidiskriminierungs- und Gleichtstellungsdaten in der Praxis" Piloterhebung unter Führungskräften der Berliner Verwaltung und Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Landes, 2017. Diversitätsstudie "Vielfalt entscheidet Thüringen" - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1. und 2.: Zu 3. bis 5.: Zu 6.: Endnote: